Bericht aus Bulgarien (386) – “Phantomschmerz”

Viele Jahre bin ich in der Silvesternacht in Berlin Taxi gefahren. Es war sozusagen ein “muss” für mich. Einerseits war es ein “Highlight”, andererseits eine Herausforderung. Seit knapp drei Jahren bin ich weg von der Straße, genauso wie ich weg bin vom Alkohol – von dem sogar noch länger. Ich vermisse weder den Alkohol, noch die Straße. Mein Silvester war sehr beschaulich hier. Ich war praktisch alleine auf meinem Berg, nur die Nachbarn von gegenüber mit ihren drei Hunden waren da. Unten im Dorf wurde der ein oder andere Böller gezündet, was die Hunde jeweils mit einem müden Bellen beantworteten. Das war’s. Neulich hat mich jemand aus der Heimat gefragt, wo denn nun der Bürgerkrieg geblieben wäre, den ich schon vor zwei Jahren vorausgesagt hatte. Ich denke, er hat bereits begonnen. Der Bekannte hat es, wie vieles andere, nur noch nicht mitbekommen. Der Krieg hat aber nicht in der Silvesternacht begonnen, sondern schon lange vorher. Nicht nur aus meinem Dorf, sondern aus ganz Bulgarien gibt es nichts vergleichbares wie aus Berlin und Deutschland zu berichten. “Auf dem Balkan nichts Neues” – sozusagen. Er ist wie gehabt ruhig hier. Nix Failed State wie die deutsche Hauptstadt. Mein Phantomschmerz, weil ich jetzt zu Silvester kein Taxi mehr in Berlin fahre, hält sich in Grenzen. Es ist eher so, dass mir obige Bilder beim bloßen Anschauen selbst in den Schluchten des Balkans noch körperliche Schmerzen bereiten. Dazu muss ich nicht persönlich in Sodom und Gomorrah sein.
PS: Man stelle sich vor, Polizei und/oder Rettungskräfte wären von “Querdenkern”, “Reichsbürgern”, “Schwurblern”, “Aluhüten” oder ähnlichem angegriffen worden …
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Text TaxiBerlin

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