Gestern in Bukarest

Über 100.000 Menschen waren gestern in Bukarest auf der Straße. Das ganze hatte etwas von ’89. So auch die Fahne links im Bild mit dem Loch. Die Fahne ist auch original von 1989. Damals hatte man über Nacht das sozialistische Symbol aus der Fahne herausgeschnitten. Vorher erschoss man den sozialistischen Führer und seine Frau. Es war der erste Weihnachtsfeiertag 1989. Ich saß in der Souterrain-Küche meiner Tante hier in Bulgarien, als die Bilder im Fernsehen übertragen wurden. Wir glaubten unseren Augen nicht, was wir da sahen. Ich hatte ein klein wenig Sorge wegen meiner Rückfahrt. Mein Zug sollte fast einen ganzen Tag lang durch dieses verrückte Land fahren. Am Ende war alles ganz harmlos. Bloß dass die Fahnen alle Löcher hatten. Heute ist es so, dass es jemanden gibt in Rumänien, der soll nicht Führer werden. Deswegen lässt man ihn gar nicht erst zu, so sieht es zumindest derzeit aus. Das regt die Leute auf, weswegen sie in Scharen auf die Straße gehen. 100.000 ist das absolute Minimum, was gestern in Bukarest auf der Straße war. Zur Spitzenzeit dürften es zwischen 200.000 und 300.000 Menschen gewesen sein. Irgendwie ist es so wie früher. Da konnte man auch nur den wählen, der auf dem Zettel stand. Damals sind die Menschen auch auf die Straße gegangen. An dem Ort, wo der sozialistische Führer Rumäniens seine letzte Rede hielt, war ich gestern Abend noch (Foto unten). Der Führer, sein Name war Nicolae Ceaușescu, hielt eine Rede vor ganz vielen Menschen vom Balkon aus. Plötzlich drehten die sich um und zeigten ihrem Führer den Rücken. Als der Führer daraufhin nicht mehr wusste, was er sagen soll, wurde die Übertragung unterbrochen – angeblich wegen eines Erdbebens. Und das ist das, was uns jetzt bevorsteht. So zumindest meine Prognose. Entweder ein Erdbeben – oder ein Krieg. Oder, noch besser, ein Krieg, den man – koste es, was es wolle – nicht beenden will. Das geht auch.

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