Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (028)

 Bei „Thalia“ in Halle am Markt

Eigentlich wollte ich heute nichts mehr veröffentlichen, aber gerade kam die Meldung rein, dass „Krisenmodus“ zum Wort des Jahres 2023 gekürt wurde. Wahrlich, es ist ein aus der Zeit gefallenes Land, dieses Deutschland. Wo waren die Entscheider der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden in den letzten drei Jahren, frage ich mich sogleich. Ich muss nicht lange nach der Antwort suchen, denn wie kürzlich bekannt wurde, können 30 Prozent nicht richtig rechnen in diesem Land. Das scheint mir der Schlüssel zum Verständnis der Wahl zu sein. Oder mit anderen Worten: Wer eins und eins nicht zusammenzählen kann, der braucht Jahre, um zu realisieren, dass sich sein Land im Krisenmodus befindet. Mindestens drei! – Ich tröste mich damit, dass alles noch viel schlimmer hätte kommen können. Eine Lebensweisheit, die ich aus Bulgarien mitgebracht habe.

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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (027)

Mach nicht alles, was von dir verlangt wird

In meiner Zeit in Bulgarien habe ich gelernt, die Dinge umzudrehen, umzudenken, besser: neu zu denken. Das hilft mir heute sehr mich in Berlin zurechtzufinden. Werde ich beispielsweise aufgefordert, Mainstream zu sein, weiß ich, was ich auf keinen Fall machen darf. Mit dieser Regel fahre ich sehr gut. Angefangen mit meinem Umdenken habe ich im April. Da war ich zu einem Journalisten-Crash-Kurs, der alles andere als Mainstream ist. Der Kurs war an der Freien Medienakademie von Michael Meyen. Michael ist, obwohl er wie ich aus dem Osten kommt, seit mehr als 20 Jahren Professor im Westen, und zwar für Kommunikationswissenschaften an der Uni in München. Seit einiger Zeit gilt Michael auch als „umstritten“, was gleichzeitig der Titel eines Beitrags von mir über den Kurs an der Freien Medienakademie in der Oberpfalz ist: „Der Umstrittene“. Neulich gab es ein Wiedersehen mit Michael in Berlin, und ich habe die Gelegenheit genutzt, mit ihm ein ausführliches Interview zu führen, das man ab sofort hier nachhören kann. Eine Frage an Michael war, warum sich immer mehr Menschen immer weniger von den Mainstream-Medien angesprochen fühlen. Auch hier hilft das bulgarische Umdenken: Wenn die Mainstream-Medien ihren Auftrag erfüllen würden, wäre das umgedreht. – Nur, dann wären sie eben kein Mainstream mehr.

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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (026)

Der Feuermelder vorm Schloss „Bellevue“, dem Sitz unseres Präsidenten, ist „Außer Betrieb“. Klar, zeitgemäßer wäre ein Wahnsinn- oder zumindest Irrsinn-Melder. Aber Feuermelder passt auch sehr schön, beispielsweise zum Titel dieser aktuellen Spiegel-Kolumne: „Die Welt brennt – und Deutschland mäht den Rasen“. Gerade höre ich im Radio, dass die Regierung es nicht schafft, nach der Klatsche aus Karlsruhe, das ist jetzt auch schon wieder drei Wochen her, noch in diesem Jahr den Haushalt fürs nächste zu verabschieden. Mit anderen: das Jahr beginnt – aber es gibt keinen Haushalt. Auf dem Feuermelder vorm Schloss „Bellevue“ steht, dass man bei Feuer die Scheibe einschlagen und warten soll, bis die Feuerwehr kommt. Nun ist der Feuermelder aber „Außer Betrieb“. Da die Feuermeldung sowohl durch den nächsten Feuermelder als auch Fernsprecher und sogar übers Internet zu keiner Reaktion führte, können wir nichts machen. Dieser Fall ist hierzulande nicht vorgesehen, und was nicht vorgesehen ist, da macht der Deutsche auch nichts, da wartet er lieber artig ab, was passiert. Wir können ja auch noch 2025 einen Haushalt 2024 verabschieden und einfach mal ’n Jahr fasten. Soll sehr gesund sein.

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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (025)

Wer immer noch Lust hat, seine Freiheit in der Ukraine zu verteidigen, sollte sich beeilen, denn der Krieg dort könnte bald vorbei sein. Das sagt nicht nur Seymor Hersh, sondern nun auch „The Economist“. Obwohl ich mit Waffe gedient habe, auch wenn es nur der Grundwehrdienst war, zieht mich nichts an die Ostfront. Dass das so ist, liegt – so denke ich – vor allem daran, dass wir in den 18 Monaten immerhin dreimal mit einer Kalaschnikow geschossen haben. Es scheint mir, als gäbe es da eine Parallele zu meiner Ausbildung zum Krankenpfleger. Auch wenn ich da einige Spritzen sogar selbst verteilt habe, halte ich mich jetzt lieber fern von ihnen, zumindest wenn es sich dabei um eine so genannte Impfung handelt.
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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (024)

Seit Tagen will der Schneemann, den meine Hausverwaltung auf den Esel bei mir vor der Eingangstür gesetzt hat, nicht weichen. Der Esel ist ein Geschenk von Fahrgästen aus Spandau bei mir im Taxi, aber das nur nebenbei. Da ich kaum noch die Wohnung verlasse, habe ich nichts davon. Immerhin, in der Wohnung herrschen mehr oder weniger ähnliche Temperaturen in jeden Raum. Ich persönlich bevorzuge die Ein-warmen-Raum Strategie der Bulgaren. Nach der Ein-warmen-Raum Strategie gibt es einen Raum, der so richtig warm ist, sagen wir 25 Grad. In Bulgarien kriege ich das Dank meines Holzofens der Marke PRITY, dem bulgarischen Mercedes in Sachen Holzöfen, hin. Nur, meinen PRITY konnte ich nicht mitbringen. Und wenn, hätte ich ihn hier nicht anschließen können. Aber das ist ein Luxusproblem und auch nur die Vorrede. Denn ich mache mir ernsthaft Sorgen, dass, nachdem der Hitzetod im Sommer ausgeblieben ist, nun wirklich Menschen sterben, und zwar Obdachlose den Kältetod. Dass es jetzt mehr Schnee geben soll, weil angeblich die Polkappen geschmolzen sind, leuchtet selbst mir ein. Wenn ich es richtig sehe, gibt es aber gar nicht mehr Schnee. Der ist immer noch der alte. Es wird bloß einfach nicht wieder warm oder zumindest etwas wärmer.
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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (023)

Beim Anblick des Schildes, es hängt bei mir um die Ecke, musste ich sogleich an das neue Buch von Hans-Joachim Maaz denken. Es heißt „Friedensfähigkeit und Kriegslust“ und wird ebenfalls mit einen Orwell Zitat eingeleitet. Bereits in dem Interview „Es ist ein Kulturkampf“, das ich im Sommer mit Maaz gemacht habe, wird sein neues Buch erwähnt. Schon damals wollte ich nach Halle fahren, um ihn zu interviewen. Leider ist damals etwas dazwischen gekommen. Letzte Woche Montag war ich nun in Halle und habe meinen Besuch bei Maaz nachgeholt. Diesmal habe ich ihn zu seinem neuen Buch „Friedensfähigkeit und Kriegslust“ befragt. Hier kann man jetzt das Interview nachhören. Das Orwell zugeschrieben Zitat, welches das Buch einleitet, lautet: „Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“

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Bericht aus einem aus der Zeit gefallenen Land (022)

„Die Welt brennt – und Deutschland mäht den Rasen“ – dazu die Eilmeldung „Dax steigt auf Rekordhoch“. Zu letzterem fällt mir der Spruch von Rosa Luxemburg ein: „Die Dividenden steigen, und die Proletarier fallen.“ Zu ersterem muss ich an obiges Foto denken. Es ist eines der letzten, das ich in Bulgarien gemacht habe vor meiner Rückkehr nach Deutschland, genau nach Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses. Das Haus war neu, wurde allerdings nie bezogen, ist also unbezogen eingestürzt. Oft bin ich an ihm vorbeigefahren auf meinem Weg nach Sofia, und das viele Jahre lang. Der Baufehler machte sich im letzten Jahr bemerkbar. Vorher hätte man das Haus vielleicht noch retten können – danach nicht mehr. Ähnlich scheint es sich mit unserem Land zu verhalten. Anfangs suchte ich die Schuld für mein Fremdeln mit meiner alten Heimat Berlin bei mir. Jetzt wird mir klar, dass ich mich gar nicht so sehr verändert habe, sieht man von dem klareren Blick ab und dem Mut, Unbequemes auszusprechen, auch auf die Gefahr hin, als Rechtsextrem bezeichnet zu werden. In Wahrheit ist es umgedreht. Etwas, was ich in Bulgarien gelernt habe und was ich jeden empfehlen kann. Immer alles umzudenken: JA ist NEIN und NEIN ist JA. Nicht ich bin Rechtsextrem, sondern alle, die das Unheil nicht sehen wollen, was sich vor uns aufbaut und dem wir wohl nicht mehr aus dem Weg gehen können. Ihre Realitätsverweigerung und Nichtsehenwollen ist extrem.

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