Über den Friedensschwurbler Blinken und den Lumpenpazifisten Lawrow

Nannte man gestern noch alle diejenigen, die sich für Gespräche aussprachen, Friedensschwurbler und Lumpenpazifisten, gab es genau diese Gespräche heute schon. Ganz genau war es bereits gestern, das in Indien, und zwar in der Hauptstadt Delhi auf dem G20 Gipfel. Bedeutet das jetzt, dass der amerikanische Außenminister Blinken ein Friedensschwurbler und sein russischer Amtskollege Lawrow ein Lumpenpazifist ist? Oder bedeutet es, was Brecht darüber sagte, wenn die Oberen Nichtangriffspakte schließen: „Kleiner Mann, mache dein Testament.“?
Video HindustanTimes
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Bericht aus Bulgarien (515) – „Scholz bei Biden“

Heute habe ich mich mit einem Freund in der Heimat unter anderem über den mysteriösen Besuch unseres Bundeskanzlers in Washington unterhalten. Mysteriös deswegen, weil es weder deutsche Journalisten, noch eine abschließende Pressekonferenz gab. Meine Vermutung ist, dass unser Vati, der Olaf, folgendes zum Onkel Joe gesagt hat: „Du, hör mal, dass mit deinen Drohnen und deinen Kriegen, die du von meinem Wohnzimmer aus überall führst – das passt mir nicht mehr. Dass du unsere Pipelines gesprengt hast letztes Jahr, das hat mir auch nicht gefallen. Kriegst du die bis Ende März repariert, während du deine Krieger abziehst?“ – Daraufhin meinte mein Freund in der Heimat, dass das nicht so einfach wäre. Was er damit meinte, war, dass der Amerikaner das niemals machen wird, womit er nicht ganz unrecht hat. Andererseits konnte sich bis zum Herbst ’89 auch keiner vorstellen, dass der Russe aus der DDR abziehen würde. Im Gegenteil. Jedem, der das damals vorhersagte, sagte man praktisch dasselbe, was mein Freund heute über den Amerikaner meinte. Ich denke trotzdem, dass es so kommen wird, auch wenn unser Vati, der Olaf, nicht der Typ ist, der dazu den Arsch in der Hose hätte. Es ist aber alternativlos, außer man will mit dem Onkel Joe untergehen.
Video Panorama
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Bericht aus Bulgarien (514) – „Plamen Goranow“

Die Flamme

Heute ist in Bulgarien ein Feiertag, und zwar „Tag der Befreiung“, offiziell ist es der „Tag der Befreiung Bulgariens vom Osmanischen Reich“. Am dritten März vor zehn Jahren ist Plamen Goranow gestorben. Plamen, auf deutsch „Flamme“, hat sich am 20. Februar vor dem Rathaus in der Stadt Varna am Schwarzen Meer selbst verbrannt. Plamen, der Tage später im Krankenhaus verstarb, war Künstler und Fotograf, darüber hinaus Kletterer. Als solcher ist er auch auf Hochhäuser geklettert. Plamen war Protestführer der landesweiten sozialen Proteste in Bulgarien in den Jahren 2012&13. Ausgelöst wurden sie durch die Erhöhung der Strompreise, nachdem eine Firma aus der Tschechischen Republik Teile des bulgarischen Strommarktes übernommen hatte, vergleichbar mit der Übernahme des Berliner Strommarktes durch Vattenfall. Die Bulgaren sollten plötzlich das drei- oder gar vierfache für Strom bezahlen, und zwar von Geld, das sie nicht hatten. Praktisch das, was jetzt auch in der Heimat passierte, nur dass dort die Proteste ausblieben. Für einige ist Plamen Goranow der bulgarische Jan Palach. Von offizieller Seite ist Plamen praktisch vergessen. Kein Denkmal erinnert an ihn. Letztes Jahr habe ich Plamens besten Freund Dimitar kennengelernt. Ich habe mich lange mit ihm unterhalten, er hat mir Fotografien von Plamen gezeigt. Ich habe auch sein Buch „Salamander“ über Plamen gelesen. Als die besagte tschechische Firma damals den Strommarkt auch in meiner Region übernahm, funktionierte plötzlich mein Stromzähler nicht mehr. Ich erinnere mich, dass ich deswegen runter in die Kneipe von meinem Bürgermeister ging, die damals gut besucht war. Nachdem ich von meinem Problem mit dem Stromzähler erzählt hatte, war ich nicht mehr nur „Rumen, der Deutsche“, sondern darüber hinaus „Rumen, der Glückliche“. Von dem Moment war es nochmal ein weiter Weg bis zur Herausgabe zweier Werke von Aleko Konstantinow, der in Bulgarien als „Der Glückliche“ bekannt ist. Doch zurück zu Plamen. Er war nicht der einzige, der sich damals verbrannt hat. Mit ihm haben es dreißig andere getan oder versucht. Auch sie sind offiziell vergessen. Auch mit dem Tschechen Jan Palach, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings selbst verbrannte, können immer weniger etwas anfangen. Ursache von Protesten, soweit sie im Westen stattfinden, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, sind heute euphemistisch „Verwerfungen“. Das hört sich harmlos an und klingt nach Völkerball. Wer es im Westen nicht schafft, ist ein Loser, hat es nicht geschafft, hat sich wohl „verworfen“.

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Bericht aus Bulgarien (513) – „Schreiben als Therapie – Wege zu sich selbst und zu anderen“

Auch in Sachen „1984“ ist man in Bulgarien der Zeit voraus
In meinem gerade in der Berliner Zeitung erschienenen Beitrag „Schreiben als Therapie“ geht es sowohl um den Klassiker „Kreatives Schreiben – Wege zu sich selbst und zu anderen“ von Jürgen vom Scheidt, als auch um meine ganz persönlichen Erfahrungen mit dem Schreiben. Das Erscheinen meines Beitrags, an dem ich lange gearbeitet habe, nehme ich zum Anlass, eine eigene Schreibgruppe ins Leben zu rufen. Hintergrund ist der, dass ich bisher keine passende Schreibgruppe gefunden habe, und ich neulich gesagt bekam, in dem Fall einfach eine eigene zu gründen. Jeder, der etwas mit meinem Beitrag in der Berliner anfangen kann und der darüber Interesse an einem Austausch hat, kann sich gerne bei mir melden. Auch Anregungen, Kritiken, Hinweise und Tips sind willkommen – wegen mir auch Faktenchecker. Hauptsache sie sind wie ich ehrlichen Herzens.
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Bericht aus Bulgarien (512) – „Raina Velitshka“

Anstecker für Schriftsteller und Autoren
(und natürlich auch für Leser)

Den heutigen 1. März, an dem in Bulgarien traditionell der Frühling begrüßt wird, indem man sich gegenseitig rot-weiße Anstecker schenkt, nehme ich zum Anlass, ein Crowdfunding zu starten. Es ist mein erstes Crowdfunding, und ich habe lange überlegt, ob ich es mache. Am Ende habe ich mich dafür entschieden, weil ich von meiner Idee überzeugt bin. Meine Idee ist, in den Schluchten des Balkans einen Rückzugsort für Schreibende zu schaffen, an dem es auch Esel gibt. Die Esel sind sozusagen das I-Tüpfelchen. Warum das so ist, darum geht es in der Beschreibung meines Projektes, dessen Name „Donkey Sanctuary & Writers Retreat“ ist. Es wäre der erste Rückzugsort für Schreibende überhaupt, an dem es auch Esel gibt.

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Bericht aus Bulgarien (511) – „Werde reich“

Hinter den Kulissen

Im Januar war ich zur Sendung „Werde reich“, der bulgarischen Variante von „Werde Millionär“, bei der man zwar keine Million, aber immerhin 100.000 Lewa, also 50.000 Euro gewinnen kann, nach Sofia eingeladen. Genau war mein Freund und Übersetzer Martin in die Show eingeladen. Zusammen mit einer Bulgarin, die in Deutschland aufgewachsen ist, viele Jahre in England gelebt hat, und die wie ich im Zuge von Corona nach Bulgarien zurückgekehrt ist, saß ich als Martins Freunde im Publikum. Kennengelernt habe ich sie genauso wie Martin auf der Straße in der bulgarischen Hauptstadt. Sie war praktisch auf allen Protesten, auf denen ich auch war, und über die ich berichtet habe. Martin habe ich am letzten Buchstand im Schatten des Hotels „Rila“ kennengelernt, nachdem man zuvor den legendären Buchmarkt auf dem „Slawejkow“ platt gemacht hat. Während der Aufzeichnung der Sendung in einem kalten Studio, das früher einmal eine Turnhalle war, tauchte plötzlich seitens des Moderators, der auch etwas deutsch sprach, die Frage auf, was „Vitamin B“ bedeutet. Da Martin es nicht wusste, obwohl er einige Semester in Deutschland studiert hat, wurde die Frage an seine Gäste, also an uns, weitergegeben. Mir wollte in dem Moment nicht einfallen, was „Vitamin B“ bedeutet. Zum Glück wusste es die Freundin, die ich auf der Straße kennengelernt habe, und die nun neben mir saß. Sie, für die deutsch erste Sprache ist, obwohl beide Elternteile Bulgaren sind, hatte noch im Kopf, dass das B in „Vitamin B“ für „Beziehungen“ steht. Also eigentlich etwas, was in Bulgarien wichtig ist, aber auch in der Heimat immer wichtiger wird. Meine guten Beziehungen zu meinem Bürgermeister haben mitgeholfen, dass rasch Leute von „Wasser und Kanalisation“ (W&K) kamen, als ich letzte Woche plötzlich kein Wasser hatte. Der W&K-Maistor wusste wiederum, dass ich in der Show „Werde reich“ war, er hatte mich zusammen mit seiner Familie im Fernsehen gesehen. Dank ihm hatte ich nicht nur wieder Wasser, sondern wusste nun auch, dass die Sendung ausgestrahlt wurde. Ich hatte es schon fast vergessen, dass ich im Januar dort war. Und das, obwohl sich die bulgarische Freundin dort schlimm erkältet und mein Freund und Übersetzer Martin sogar etwas gewonnen hat, wenngleich nur 500 Lewa, also 250 Euro. Dass er nicht mehr gewonnen hat, lag daran, dass er früh an einer Fussball-Frage gescheitert ist, die niemand im Studio richtig beantworten konnte. Weder der Moderator, noch Martin, auch nicht das Publikum – und ich schon gleich gar nicht.

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Bericht aus Bulgarien (510) – „We Are Lucky“

In den Schluchten des Balkans
Die Frage „How do you really feel?“ ist bei uns ein „running gag“, der immer dann zum Einsatz kommt, wenn das Verhalten nicht zur Situation passt, also wenn man beispielsweise „gute Miene zum schlechten Spiel“ macht. Was in Deutschland Alltag ist, gibt es auch in Bulgarien – so ist es nicht, aber doch um einiges weniger. Auch wenn unser „running gag“ nun nicht mehr funktioniert, haben wir deswegen nicht weniger zu lachen – im Gegenteil! Unser englischer Freund bringt es mit seinem „running gag“, der kein „running gag“ sondern einfach die Wahrheit ist, auf den Punkt. Jerry sagt oft und gerne und aus vollem Herzen: „We are lucky!“ – Mein deutsches Fotomodell hat neulich „We are lucky!“ in den Schluchten des Balkans „performed“, also getanzt – auch das geht, und zwar vor unberührten Wasserfällen.
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