Heute ist in Bulgarien ein Feiertag, und zwar „Tag der Befreiung“, offiziell ist es der „Tag der Befreiung Bulgariens vom Osmanischen Reich“. Am dritten März vor zehn Jahren ist Plamen Goranow gestorben. Plamen, auf deutsch „Flamme“, hat sich am 20. Februar vor dem Rathaus in der Stadt Varna am Schwarzen Meer selbst verbrannt. Plamen, der Tage später im Krankenhaus verstarb, war Künstler und Fotograf, darüber hinaus Kletterer. Als solcher ist er auch auf Hochhäuser geklettert. Plamen war Protestführer der landesweiten sozialen Proteste in Bulgarien in den Jahren 2012&13. Ausgelöst wurden sie durch die Erhöhung der Strompreise, nachdem eine Firma aus der Tschechischen Republik Teile des bulgarischen Strommarktes übernommen hatte, vergleichbar mit der Übernahme des Berliner Strommarktes durch Vattenfall. Die Bulgaren sollten plötzlich das drei- oder gar vierfache für Strom bezahlen, und zwar von Geld, das sie nicht hatten. Praktisch das, was jetzt auch in der Heimat passierte, nur dass dort die Proteste ausblieben. Für einige ist Plamen Goranow der bulgarische Jan Palach. Von offizieller Seite ist Plamen praktisch vergessen. Kein Denkmal erinnert an ihn. Letztes Jahr habe ich Plamens besten Freund Dimitar kennengelernt. Ich habe mich lange mit ihm unterhalten, er hat mir Fotografien von Plamen gezeigt. Ich habe auch sein Buch „Salamander“ über Plamen gelesen. Als die besagte tschechische Firma damals den Strommarkt auch in meiner Region übernahm, funktionierte plötzlich mein Stromzähler nicht mehr. Ich erinnere mich, dass ich deswegen runter in die Kneipe von meinem Bürgermeister ging, die damals gut besucht war. Nachdem ich von meinem Problem mit dem Stromzähler erzählt hatte, war ich nicht mehr nur „Rumen, der Deutsche“, sondern darüber hinaus „Rumen, der Glückliche“. Von dem Moment war es nochmal ein weiter Weg bis zur Herausgabe zweier Werke von Aleko Konstantinow, der in Bulgarien als „Der Glückliche“ bekannt ist. Doch zurück zu Plamen. Er war nicht der einzige, der sich damals verbrannt hat. Mit ihm haben es dreißig andere getan oder versucht. Auch sie sind offiziell vergessen. Auch mit dem Tschechen Jan Palach, der sich aus Protest gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings selbst verbrannte, können immer weniger etwas anfangen. Ursache von Protesten, soweit sie im Westen stattfinden, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist, sind heute euphemistisch „Verwerfungen“. Das hört sich harmlos an und klingt nach Völkerball. Wer es im Westen nicht schafft, ist ein Loser, hat es nicht geschafft, hat sich wohl „verworfen“.
Foto&Text TaxiBerlin
Den heutigen 1. März, an dem in Bulgarien traditionell der Frühling begrüßt wird, indem man sich gegenseitig rot-weiße Anstecker schenkt, nehme ich zum Anlass, ein Crowdfunding zu starten. Es ist mein erstes Crowdfunding, und ich habe lange überlegt, ob ich es mache. Am Ende habe ich mich dafür entschieden, weil ich von meiner Idee überzeugt bin. Meine Idee ist, in den Schluchten des Balkans einen Rückzugsort für Schreibende zu schaffen, an dem es auch Esel gibt. Die Esel sind sozusagen das I-Tüpfelchen. Warum das so ist, darum geht es in der Beschreibung meines Projektes, dessen Name „Donkey Sanctuary & Writers Retreat“ ist. Es wäre der erste Rückzugsort für Schreibende überhaupt, an dem es auch Esel gibt.
Im Januar war ich zur Sendung „Werde reich“, der bulgarischen Variante von „Werde Millionär“, bei der man zwar keine Million, aber immerhin 100.000 Lewa, also 50.000 Euro gewinnen kann, nach Sofia eingeladen. Genau war mein Freund und Übersetzer Martin in die Show eingeladen. Zusammen mit einer Bulgarin, die in Deutschland aufgewachsen ist, viele Jahre in England gelebt hat, und die wie ich im Zuge von Corona nach Bulgarien zurückgekehrt ist, saß ich als Martins Freunde im Publikum. Kennengelernt habe ich sie genauso wie Martin auf der Straße in der bulgarischen Hauptstadt. Sie war praktisch auf allen Protesten, auf denen ich auch war, und über die ich berichtet habe. Martin habe ich am letzten Buchstand im Schatten des Hotels „Rila“ kennengelernt, nachdem man zuvor den legendären Buchmarkt auf dem „Slawejkow“ platt gemacht hat. Während der Aufzeichnung der Sendung in einem kalten Studio, das früher einmal eine Turnhalle war, tauchte plötzlich seitens des Moderators, der auch etwas deutsch sprach, die Frage auf, was „Vitamin B“ bedeutet. Da Martin es nicht wusste, obwohl er einige Semester in Deutschland studiert hat, wurde die Frage an seine Gäste, also an uns, weitergegeben. Mir wollte in dem Moment nicht einfallen, was „Vitamin B“ bedeutet. Zum Glück wusste es die Freundin, die ich auf der Straße kennengelernt habe, und die nun neben mir saß. Sie, für die deutsch erste Sprache ist, obwohl beide Elternteile Bulgaren sind, hatte noch im Kopf, dass das B in „Vitamin B“ für „Beziehungen“ steht. Also eigentlich etwas, was in Bulgarien wichtig ist, aber auch in der Heimat immer wichtiger wird. Meine guten Beziehungen zu meinem Bürgermeister haben mitgeholfen, dass rasch Leute von „Wasser und Kanalisation“ (W&K) kamen, als ich letzte Woche plötzlich kein Wasser hatte. Der W&K-Maistor wusste wiederum, dass ich in der Show „Werde reich“ war, er hatte mich zusammen mit seiner Familie im Fernsehen gesehen. Dank ihm hatte ich nicht nur wieder Wasser, sondern wusste nun auch, dass die Sendung ausgestrahlt wurde. Ich hatte es schon fast vergessen, dass ich im Januar dort war. Und das, obwohl sich die bulgarische Freundin dort schlimm erkältet und mein Freund und Übersetzer Martin sogar etwas gewonnen hat, wenngleich nur 500 Lewa, also 250 Euro. Dass er nicht mehr gewonnen hat, lag daran, dass er früh an einer Fussball-Frage gescheitert ist, die niemand im Studio richtig beantworten konnte. Weder der Moderator, noch Martin, auch nicht das Publikum – und ich schon gleich gar nicht.
Foto&Text TaxiBerlin