Leben in Zeiten von Corona – Heute: Mobbing eines Maskenbefreiten

Demnächst hier im Angebot

Seit mehr als zehn Jahren bin ich nicht einfach nur Kunde sondern Stammkunde in dem Café/Antiquariat, seit Corona Antiquariat/Café, bei mir im Kiez. Ich bin nicht der einzige Büchersüchtige, der ständig neue Bücher braucht. Man kennt sich in der Szene, wenn auch oft nur vom Sehen, wie ich z.B. den ebenfalls von der Büchersucht Betroffenen, der mich vor wenigen Tagen aus dem Nichts heraus von der Seite angeblafft hat, weil ich in dem Antiquariat/Café keine Maske trage. Dass ich an dem Ort, an dem wir beide unserer Sucht frönen, weswegen ich auch gerne vom Tatort spreche, keine Maske trage, keine Maske tragen kann, ist nicht neu. Ich habe dort noch nie eine Maske getragen, denn ich bin seit Langem und noch bevor das Tragen einer Maske zur Pflicht erklärt wurde im Besitz eines ärztlichen Attestes meiner Hausärztin. Diesen habe ich irgendwann einmal in dem Antiquariat/Café vorgezeigt, genau genommen mehrfach, damit ihn auch alle Mitarbeiter einmal gesehen haben, und er wurde seither akzeptiert. Der Kollege und Betroffene kennt mich also gar nicht mit Maske, und bisher hat ihm das auch nichts ausgemacht. Vor wenigen Tagen blaffte er mich nun plötzlich völlig aus dem Nichts heraus von der Seite an, dass ich keine Maske tragen würde, und ob ich das denn nicht wissen würde. Ich antworte ihm höflich und wahrheitsgemäß, dass mir dieser Umstand durchaus bewusst sei. Daraufhin blaffte er mich weiter von der Seite an, dass das nicht gehen würde, dass ich ihn anstecken würde und dass ich jetzt mal rasch meine Maske aufsetzen solle und zwar ein bisschen zackig. Wieder wies ich ihn höflich darauf hin, dass ich einen ärztlichen Attest habe, dass ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könne. Jetzt war ein Moment Ruhe, aber nicht lange, sondern nur bis eine Mitarbeiterin den Raum betrat, um neue Bücher einzusortieren. Die blaffte der Betroffene dann zwar nicht so wie mich an, aber er wies sie schon ziemlich bestimmt darauf hin, dass das ihr Job wäre, mich zum Tragen einer Maske an unserem gemeinsamen Tatort zu verpflichten, damit er dort nicht angesteckt wird, denn von mir ginge schließlich eine Gefahr für ihn aus. Auch die Mitarbeiterin reagierte ruhig, so wie ich zuvor, und teilte dem Betroffenen mit, dass ich einen ärztlichen Attest habe, den ich auch mehrfach vorgelegt habe. Der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene rastete nun völlig aus und schrie laut aus, dass man ja wissen würde, wo solche Atteste herkämen, und dass das so nicht weitergehen könne, dass ich nicht weiter ohne Maske unseren gemeinsamen Tatort betreten dürfe usw. … Nach seinem Ausbruch war wieder Ruhe, denn weder die Mitarbeiterin noch ich reagierten auf ihn. Zwei Tage später, also vorgestern, war ich erneut in dem Antiquariat/Café, unserem gemeinsamen Tatort, und der ebenfalls Betroffene war auch wieder da. Es dauerte nicht lange, da bekam ich mit, dass er hinter meinem Rücken mit einer anderen Mitarbeiterin sprach, dass er das dreist fände, dass man ihn gefährde, und dass das spätestens nächste Woche sein Ende hätte. Da man offensichtlich über mich sprach, näherte ich mich den beiden, woraufhin der Betroffene das Gespräch abbrach und sich entfernte. Die Mitarbeiterin des Antiquariat/Cafés sagte nichts dazu. Das änderte sich gestern, als ich erneut unseren gemeinsamen Tatort besuchte, der andere Betroffene auch bereits da war, ich diesmal allerdings von der Mitarbeiterin darauf hingewiesen wurde, dass ich ab sofort das Antiquariat/Café ohne Maske nicht mehr betreten dürfe, mein ärztlicher Attest sie nicht mehr interessiert, denn schließlich hat sie das Hausrecht. Es interessierte sie nicht, dass ich z.B. bei real und bei EDEKA problemlos ohne Maske einkaufen kann. Mehrere Personen hätten sich beschwert, weil ich ohne Maske komme. Sie hätten Angst, dass ich sie anstecken würde. Daraufhin meinte ich, dass das mehr mit den Leuten zu tun hätte als mit mir, was die Mitarbeiterin des Antiquariat/Café für möglich hielt, aber an ihrer Entscheidung nichts änderte. Da ich wie gesagt keine Maske tragen kann, schlug ich vor mir ein Visier aufzusetzen. Für den Moment lies sich die Mitarbeiterin, die ich übrigens seit Jahren gut kenne, auf diesen Kompromiss ein. Ich gehe aber davon aus, dass wenn nächste Woche der Lockdown erneut verschärft wird, der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene erneut mit der Mitarbeiterin sprechen wird, so wie er es bereits in dem Gespräch hinter meinem Rücken angedeutet hat, und darauf bestehen wird, dass auch ich das Antiquariat/Café, unseren gemeinsamen Tatort, nur noch mit Maske betreten darf. Dazu muss man wissen, dass es nicht nur um eine Sucht geht, von der wir beide betroffen sind, sondern auch um die Existenz, denn wir sind beide im Büchergeschäft. Das Antiquariat/Café ist die wichtigste Quelle der Bücher, die ich in meinem Bauchladen anbiete, und auch der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene, der mich da gerade gemobbt hat, dürfte die ganzen Bücher, die er Tag für Tag dort kauft, weiterverkaufen. Es geht hier also auch, das muss ganz klar gesagt werden, ums Geschäft und um Quellen und demnächst möglicherweise ums nackte Überleben. Was die Angst des Betroffenen angeht, die er hat, so nehme ich diese ernst. Sie ist mir nicht gleichgültig. Ich kann sie verstehen, und es tut mir leid, dass er sie hat. Seine Ängste haben aber mehr mit ihm zu tun als mit mir. Davon bin ich überzeugt. Sie geben ihm auf keinen Fall das Recht, so mit mir zu sprechen, auch nicht hinter meinem Rücken und vor allem nicht zu behaupten, er wisse wo meine Maskenbefreiung herkäme. Was ich völlig vermisse bei ihm, ist das Verständnis und das Mitgefühl mit Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Hier ist er völlig “schmerzfrei”, der Betroffene, und das verstehe ich nicht. Da ich weiß, dass er raucht, und nicht zu knapp, kann ich mir vorstellen, dass er sich aufgrund seines Nikotinkonsums zu einer Corona-Risikogruppe zählt. Er dürfte auch ein paar Jährchen älter sein als ich, wenn ihn nicht das viele Rauchen nur älter aussehen lässt. Auch das ist möglich. Diese Beobachtungen führen mich zu der Überlegung, und jetzt bin auch ich mal etwas gemein, ob es nicht so sein könnte, dass ich mir, geht es nach dem Betroffenen, nun eine Maske aufsetzen soll, obwohl ich einen gültigen ärztlichen Attest habe, den ich nicht von irgendwo herhabe, wie er behauptet, sondern von meiner Hausärztin, und der besagt, dass mir aus medizinischen Gründen eine Maske nicht zuzumuten ist, genauso wie dies auch den Verkäufern und Verkäuferinnen im Supermarkt und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Antiquariat/Café nicht zumutbar ist, weil er sein halbes Leben geraucht hat und sich heute deswegen von jedem, der keine Maske trägt, bedroht fühlt. Wenn dem so ist, und vieles spricht dafür, dann muss ich sagen: Ich kann nichts dafür, dass der Betroffene so viel geraucht hat, dass er auch dieser Sucht sein halbes Leben lang frönen musste, und nicht nur seiner Büchersucht, aber ich habe damit nichts zu tun. Oder mit anderen Worten: Es gibt ihm nicht das Recht, mich in seine ganz private Maskengeiselhaft zu nehmen.

Foto&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Was Taxifahren und Uber mit Sexualität und Feminismus zu tun haben

Demnächst hier im Angebot

Nicht nur der Alttag, sondern auch die Sexualität soll ihre Masken haben. Das meint zumindest Camille Paglia, deren 855-seitigen Wälzer ich gestern auf der Straße gefunden habe, die auch weiterhin meine Universität ist, auf denen ich auch als Trockener Taxifahrer zu hause bin. Normalerweise lese ich solche dicken Bücher nicht, lasse sie eher liegen, weil ich der Meinung bin, wenn jemand nicht nach 300, 400 maximal 500 Seiten auf den Punkt kommt, dann ist dieses Buch nicht für mich. Mir geht es da ein wenig wie Kaiser Joseph II., der nach der Uraufführung von “Die Entführung aus dem Serail” zu Mozart gesagt hat: “Zu viele Noten, streiche er einige weg, und es ist richtig.” Mit Noten kenne ich mich nicht ganz so gut aus wie mit Worten, auch wenn ich in meinem Taxi, als ich mit ihm noch Fahrgäste auf den Straßen und Plätzen Berlins von A nach B befördert habe, viel Musik und da insbesondere Mozart und auch erwähnte “Entführung aus dem Serail” gehört habe. Mit Worten kenne ich mich auf jeden Fall besser aus, das würde sicherlich auch der ein oder andere Taxi-Fahrgast bestätigen können, wenn es ihn denn noch gäbe. Denn da ist es wirklich so: Kürzer ist besser. Meistens zumindest. Praktisch wie beim Rock einer Frau. (Auch da gibt es Ausnahmen!) Camille Paglia, die das dicke Buch “Die Masken der Sexualität” geschrieben hat, das ich wegen seiner vielen Seiten und seinem Gewicht von gut einem Kilo fast auf der Straße hätte liegen lassen, ist eine solche Frau. Camille Paglia, die in einer italienischen Einwandererfamilie aufwuchs (Achtung: Migrationshintergrund!), ist Jahrgang ’47 und eine US-amerikanische Kunst- und Kulturhistorikerin und Professorin für Geistes- und Medienwissenschaften. Ihren Wälzer “Die Masken der Sexualität”, der nicht nur dick und schwer ist, sondern auch viel zu viele Worte hat, erschien erstmals 1990 und heißt in der amerikanischen Originalausgabe “Sexual Personae. Art and Decadence from Nefertiti to Emily Dickinson”. Wichtig ist in dem Titel die Dekadenz, die bei mir Empathielosigkeit heißt, und über deren Zunahme ich mich auch in meinem Taxi immer wieder mit meinen Fahrgästen ausgetauscht habe. Dieser Austausch ist neben dem “on the road” sein “like a rolling stone” das, was mir heute als Trockener Taxifahrer am meisten fehlt. Was erwähnte Empathielosigkeit angeht, das sahen meine Fahrgäste meist ähnlich wie ich es bis heute sehe: Dass der Outlaw Uber, der Feind aller rechtschaffenen Taxifahrer, als praktisch Gesetzloser und in Wild-West-Manier auf unseren Straßen und Plätzen sein Unwesen treiben darf, hat auch viel mit Empathielosigkeit zu tun, und zwar die unserer Politiker gegenüber seinen ehrlichen, sich an Recht und Gesetz haltenden Taxifahrern und -unternehmern – aber eben auch mit Dekadenz. Deswegen sage ich auch seit einiger Zeit ganz klar, dass dies nicht mehr mein Land ist. Eine Aussage, die auch viele meiner Fahrgäste unterschrieben hätten. Viele sehen das bis heute so, also anders als es uns von offizieller Seite eingeredet wird, dass Uber geil sei, und alleine deswegen mit Uber auch alles in Ordnung sein muss. Mit dem, was nun Professorin Camilla Paglia über den Feminismus sagt, wird es insbesondere den Feministinnen aber auch den Feministen (sic!) jetzt vermutlich ähnlich gehen wie mit dem, was viele bis heute über Uber denken und sagen, dass Uber ein einfacher Krimineller ist, sozusagen die Mafia von heute, diesmal allerdings staatlich organisiert. Fast wäre das mit dem Feminismus an mir vorbeigegangen, und zwar wenn ich den 855-seitigen Wälzer der Autorin auf der Straße, meiner Universität, hätte liegen lassen, aber zum Glück wurde das Wichtigste auf der Rückseite des Buches mit wenigen Worten zusammengefasst. Die Professorin Camilla Paglia sagt dort etwas ganz Kluges, wie ich finde, was bis heute gilt und was auch von mir hätte sein können, wenn ich 1990 und die Jahre zuvor, als die Autorin an dem Buch schrieb, nicht mit Demonstrieren, Wende und Wiedervereinigung beschäftigt gewesen wäre, und zwar folgendes: “Die Sexualität dem Feminismus zu überlassen ist so, als gäbe man seinen Hund in den Ferien zum Tierpräparator.” Übertragen auf Uber und Taxi heißt das: Uber ist der Tier-Präparator des Taxis oder “Das Ende des Taxis”, wie Matthias Kreienbrink es bereits im November ’18 in der Zeit gut beschrieben und richtig festgestellt hat. 
Fotos&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Der Hausstand

 

Der Hausstand ist für mich ein neuer Begriff und demzufolge auch die Frage: “Sind Sie aus einem Hausstand?” Mit Hausstand ist der Haushalt gemeint, das sagt man im Bayrischen dazu, genauso wie man “Grüß Gott!” anstelle von “Guten Tag!” sagt. Auch bei einer Kontrolle durch die Polizei. Die hat mich in über zwanzig Jahren mit meinem Taxi auf den Straßen und Plätzen Berlins ganze zwei (2!) Mal nach meinem Taxischein gefragt, nach meinem oder gar dem Hausstand meiner Fahrgäste wurde nie gefragt. Dass es praktisch keine Kontrollen gab und bis heute nicht gibt in Berlin, hat dazu geführt, dass es einige schwarze Schafe gab unter den Taxifahrern und seit einiger Zeit ein ganz großes schwarzes Schaf. Das große schwarze Schaf kommt aus Amerika und heißt Uber. Uber ist mittlerweile ein solcher “Big Deal”, dass man dieses schwarze Schaf kurzerhand legalisiert hat, denn Uber ist, wenn du so willst, nicht nur “Systemrelevant”, sondern vor allem “Too Big To Fail”. So ist es keine Überraschung, dass Uber-Fahrzeuge des Mietwagen-Service (der richtigere Begriff wäre Limousinen-Service), die im Gegensatz zum Taxi (ganz wichtig!) keine öffentlichen Verkehrsmittel mit Beförderungs- und Tarifpflicht sind, noch nie angehalten und demzufolge auch noch nie nach dem Hausstand, der bei uns in Berlin Haushalt heißt, gefragt worden sind. Ich glaube auch nicht, dass das kommt, denn Uber ist einfach zu …, du weißt schon, weswegen Uber auch keine Steuern bezahlt. Und überhaupt: Bei irgendjemandem muss der Rubel schließlich rollen, nicht nur bei Big Pharma, Amazon & Co.
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Von Masken und Maskeraden und vom Masken fallen lassen

 

Maske oder Tod

Alltagsmasken wurden sie bisher genannt. Zu meinem Alltag gehören sie nicht, haben sie nie gehört und werden sie nicht gehören – auch die medizinische Maske nicht. Ich mache diese Maskerade nicht mit, zumindest war es bis vor kurzem so. Jetzt ziehe auch ich mir trotz offiziellem ärztlichen Masken-Attest immer öfter eine auf, aber immer nur kurz, damit ich nicht umkippe. Dass ich mich gezwungen sehe, trotz Attest eine Maske aufzusetzen, liegt daran, dass ich nicht unvermittelt eine auf’s Maul bekommen möchte, nur weil ich keine Maske trage. Die Stimmung in der Maskenfrage hat sich in der Hauptstadt in den letzten Tagen weiter verschärft. Die Leute sind nach Wochen des mittelalterlichen Einschließens verständlicherweise aggressiv. Hinzu kommen bei immer mehr Menschen finanzielle Sorgen und ganz reale Ängste um den Job bis hin zur Existenz. Als Trockener Taxifahrer weiß ich, wovon ich rede, denn ich bin auch selbst Betroffener. Ich verstehe also durchaus, dass diese absolut berechtigten Aggressionen raus wollen. Aber sie an den Schwächsten auszulassen, denn das sind Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können (Selbst den Verkäuferinnen in deinem Supermarkt ist dies nicht zuzumuten! Haust du denen deswegen auch einfach mal so eine auf’s Maul?), da hört bei mir das Verständnis dann doch auf. Auch wenn die Menschen, die aggressiv auf Menschen ohne Maske reagieren, selbst daran glauben mögen, eine gute Tat zu vollbringen. Sie sind und bleiben Böse. Dass Gute an der Sache ist, dass jetzt auch dem allerletzten klar werden muss, dass niemand ausschließlich Gut ist. Nicht einmal der Gutmensch, der gerade dabei ist seine Maske der Wohlanständigkeit und Toleranz fallen zu lassen.

Foto&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Die Spontandemonstration

 

Vorgestern im Bayrischen Fürth
Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich auf einer von einem Taxi-Kollegen organisierten Zwei-Mann-Demo. Der Taxikollege hatte seinerzeit jeden Dienstag seine Demonstration alleine unter dem Motto “Tuesday Against Uber” angemeldet, zu der ich gelegentlich dazu gestoßen bin. Damals war das Anmelden einer Demonstration noch kein Problem (das stimmt wirklich!), sondern im Gegenteil. Die Polizei hielt sich jedesmal in Sichtweite unserer kleinen Demonstration in einem Kleinbus bereit, damit uns zwei Demonstranten nichts passiert. Das ist heute anders. Das Anmelden einer Demonstration ist problematisch geworden, und die Polizei ist nicht immer dein Freund und Helfer. Ein Schlupfloch scheint es allerdings noch zu geben, und das ist die Spontandemonstration. Spontandemonstrationen sind Versammlungen, die sich aus einem aktuellen Anlass augenblicklich bilden wie vorgestern im Bayrischen Fürth. Für Spontandemos besteht, wenn ich es richtig verstehe, bis heute keine Anmeldepflicht, sie stehen aber trotzdem genauso wie die angemeldeten Demonstrationen des Taxikollegen unter Schutz von Artikel 8 Grundgesetz. Wann aus einer Spontandemonstration nun eine ganz normale, also anmeldepflichtige Demonstration wird, das entscheidet allerdings die Polizei, wie obiges Video dokumentiert. Wähnte man sich gerade noch auf einer erlaubten Spontandemonstration, kann dass im nächsten Moment schon wieder ganz anders sein. Dann werden die Personalien aufgenommen und eine Ordnungsstrafe wird fällig. Deswegen gehe ich auf Nummer sicher und gehe auf keine Demonstration mehr, weder auf angemeldete, die im Moment nicht erlaubt sind, noch auf Spontandemonstrationen, die plötzlich von der Polizei zu normalen, also unerlaubten Demonstrationen erklärt werden können. Der Hintergrund ist, dass ich mir Demonstrieren nicht mehr leisten kann. Ich muss, auch was das Demonstrieren angeht, kleinere Brötchen backen. Eine Überlegung übrigens, die ich bei den Demonstrationen ’89 so rein gar nicht hatte. Auch was die persönliche Finanzierbarkeit von Demonstrationen angeht, war es früher doch ganz klar besser.
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Unser gegenwärtiges Antlitz

 

So sieht es aus

Auch im Winter bei leichtem Nieselregen und Minusgraden komme ich als Trockener Taxifahrer, dem mittels staatlich organisierter Kriminalität (Danke liebe Bundesregierung dafür!) die Fahrgäste abhanden gekommen sind, und dessen Chef wegen dem Lockdown, der das bereits miese Geschäft praktisch zum Erliegen brachte, seine Wagen verkaufen muss und mich damit seit März arbeitslos gemacht hat (auch hierfür vielen Dank!), einfach nicht weg von der Straße. Heute bin ich auf den Straßen und Plätzen nicht mehr mit meinem Taxi, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Als Fußgänger traf ich gestern einen ganz alten Kollegen, der mit mir vor mehr als 25 Jahren den Taxischein gemacht hat, und der auch zu Fuß unterwegs war. Im Gegensatz zu mir fährt der Kollege noch Taxi, aber nur um seinem Chef einen Gefallen zu tun. Bisher war es nämlich so, dass sein Chef ihm, der nur fünf Schichten im Monat für seinen Lebensunterhalt brauchte, immer sehr entgegengekommen ist. Damit dieser seine Taxifirma jetzt nicht dichtmachen muss, wie mein Chef und viele andere Taxiunternehmer es mussten, fährt er auch jetzt in der Plan-Demi für ihn, und zwar doppelt so viel wie vor der Krise, also zehn Schichten pro Monat. In einer Schicht, das sind zehn bis zwölf Stunden im Taxi, macht er manchmal nur 30 (dreißig!) Euro Umsatz. Eine knappe Stunde unterhielt ich mich mit dem alten und guten Kollegen bei leichtem Nieselregen auf dem Bürgersteig vor seinem Mietshauses in unserem gemeinsamen Kiez über Gott und die Welt. Das schöne daran war, dass wir über wirklich alle Themen sprechen konnten, eben über Gott und die Welt. Das ist ja heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Viele Menschen sagen bei bestimmten Themen, dass sie über die nicht mehr reden würden, weil sie es nicht mehr hören könnten. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch irgendwie lächerlich, weil es meist dieselben sind, die behaupten, dass alle Themen breit und öffentlich diskutiert werden würden. Dass dies nicht der Fall ist, das ist nun ja schon beim Spiegel angekommen, und dann wird es wohl auch stimmen. Mit meinem guten und alten Kollegen sprach ich gestern, bevor ich den Artikel gelesen und kommentiert hatte. Unser Gespräch hat also damit nichts zu tun. Der Kollege bestätigte aber das, was dann später in dem Spiegel-Artikel stand. Aber nicht nur das. Der gute alte Kollege ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass es viele Menschen gibt, die eine breite und öffentliche Diskussion wünschen, weil genau diese bisher eben nicht stattgefunden hat. Keiner ist also mit seinen Zweifeln alleine, ganz im Gegenteil. Und wer bisher keine Zweifel hatte an der Politik unserer Regierung, an den Maßnahmen und an dem, was in den Medien steht, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. So würde ich es jetzt mal ganz, ganz, ganz vorsichtig formulieren.

Foto&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: “Eine breite Diskussion ist offenbar unerwünscht”

Bilder sagen mehr als …
Na, du weißt schon

 

Lange, viel zu lange musste man nun schon so wie früher zwischen den Zeilen lesen, wollte man etwas erfahren. Das meiste erfuhr man noch von dem, was weggelassen wurde, über das erst gar nicht berichtet wurde. Auch das hatten wir schon mal. Es führte regelmäßig dazu, dass für viele diese Themen gar nicht existierten, weil es ja nicht in der Zeitung stand, oder eine breite Debatte doch bereits stattgefunden hätte. Deswegen wurde dann nicht mehr darüber berichtet, so die Logik. Manchmal fragte ich mich schon, ob mit meiner Wahrnehmung etwas nicht stimmt, ob ich vielleicht schon Halluzinationen habe, oder ob der andere schlichtweg in einem anderen Land lebt. Auch das hatten wir schon mal. Diese Situation ist gerade dabei zu kippen, zumindest ist das meine Beobachtung. So erfahre ich zum Beispiel gerade das aus dem ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg, was die Spatzen schon lange von den Dächern pfeifen, für manche eben nur in einem anderen Land, dass bei den Expertenrunden  unserer Regierung praktisch nur Experten (es sind ihrer genau acht!) eingeladen werden, die den Regierungskurs stützen (mit einer Ausnahme). Soziologen und Pädagogen sucht man in der Runde weiterhin vergebens. Immerhin gibt es eine Psychologin, die allerdings auch eine Verfechterin des Regierungskurses ist. Unsere Regierung, so die Zusammenfassung des Artikels im ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg, traut den Bürgern (damit bist auch du gemeint) eine offene Debatte nicht zu. Nicht umsonst sagten wir früher, dass jedes Volk die Regierung hat, die es verdient. Was das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg angeht, so würde ich schon sagen, dass das endlich mal ein Artikel ist, der in die richtige Richtung geht. Ob ich deswegen das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg gleich als ehemals ehemaliges Nachrichtenmagazin bezeichne, da warte ich lieber erstmal noch ab.

Foto&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Vom Straßendoktor zum Verkehrsdetektiv

 

Vielleicht meine Zukunft

Mein bisheriges Leben als Taxifahrer ist über Nacht vorbei, perdu, übern Jordan, finito, krai, konetz, the End! – Das wünsche ich niemandem, nicht mal meinem schlimmsten Feind. Seit März bin ich Uber-Corona-bedingt aus dem Verkehr gezogen. Das ist wichtig zu wissen: Corona ist nicht an allem Schuld. Nicht umsonst wird bei Scheidungen vor Gericht nicht mehr die Schuldfrage gestellt. Auch in der Geschichtsschreibung unterscheidet man zwischen Anlass und Ursache. Corona ist der Anlass, aber nicht die Ursache, die ist Uber & Co. Sie sind dafür verantwortlich, dass ich die Straße, auf denen ich einst mit meinem Taxi zu hause war, “nur” noch als Fußgänger und Radfahrer kenne. Was aus mir als Trockenen Taxifahrer noch werden soll, das weiß ich knapp ein Jahr nach meiner letzten Schicht immer noch nicht, oder wusste es zumindest bis gestern nicht. Dazu muss man wissen, dass ich nach mehr als zwanzig Jahren “on the road” auf den Straßen und Plätzen Berlins auch Straßendoktor bin, auch wenn es sich dabei um eine Ehrendoktorwürde handelt, “honoris causa” sozusagen. Aber immer noch besser, als durch “Kopieren&Einfügen” erworben. Im Moment frage ich mich, ob der Verkehrsdetektiv meine Zukunft als Straßendoktor ist. Detektiv ist auf jeden Fall etwas für mich, weil ich neugierig bin und wie Inspektor Columbo immer noch Fragen habe. In meinem Taxi habe ich zum Beispiel meine Fahrgäste, nachdem diese ihr Fahrziel genannt hatten, immer sogleich gefragt: “Und warum?” – Bei den meisten kam das extrem gut an, aber eben nicht bei allen. Das ist leider auch die Wahrheit. Jedenfalls habe ich jetzt schon wieder Zweifel, ob meine Fragen für einen Verkehrsdetektiven nicht die verkehrten sein oder werden könnten. Auch weil ich denke, dass ich durchaus das Zeug zu einem investigativen Verkehrsdetektiven habe. Aber ist das auch wirklich Willkommen? Vielleicht mache ich erstmal ein Praktikum oder sowas. Also wer einen investigativen Detektiven oder auch Journalisten braucht, oder einen kennt der einen braucht, oder einen kennt der einen kennt der einen braucht, der soll sich bitte bei mir melden. Die Gelbe Weste für den Verkehrsdetektiven, die ich gestern auf der Straße gefunden habe, habe ich schon mal, aber vielleicht ziehe ich die am Anfang gar nicht an. Das werden die alten Hasen im Geschäft mir bestimmt sagen beim Praktikum. Ob man als investigativer Detektiv oder auch Journalist heute eine solche Schutzweste braucht oder besser nicht. Ich bin gespannt. Davon hängt schließlich meine Zukunft ab. Aber gut, vielleicht sollte ich meine Zukunft nicht von einer so einer Kleinigkeit abhängig machen. Vielleicht sollte ich froh sein, dass ich überhaupt eine Zukunft habe, ganz egal was für eine. Und überhaupt: Vielleicht mache ich erstmal alles, was man mir sagt. Das erscheint mir in meiner derzeitigen Position das sicherste zu sein.

Foto&Text TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Abwägung und Verhältnismäßigkeit

 

Spätestens nach der neuesten Studie der Stanford-University sollten nun endlich die Begriffe Abwägung und Verhältnismäßigkeit in die Corona-Debatte, die bisher leider nicht wirklich stattgefunden hat, eingeführt werden, um die Panik-Demi und vor allem den aktuellen Lockdown zu beenden, bevor er bald noch einmal verschärft oder gar ins Unendliche verlängert wird, worüber bereits schon wieder laut nachgedacht wird.
findet Dein TaxiBerlin

Leben in Zeiten von Corona – Heute: Mein derzeitiges Dilemma

Maulkorb oder Schutzmaske?

Mein derzeitiges Dilemma ist nicht, dass ich seit zehn Monaten ein Trockener Taxifahrer ohne Fahrgäste bin. Mein derzeitiges Dilemma ist auch nicht, dass ich kaum noch ein Einkommen und kein Trinkgeld mehr habe, von dem ich bisher meine Brötchen bezahlt habe, und dass ich möglicherweise demnächst auf der Straße sitze. Das sind alles bestenfalls Luxusprobleme, aber nicht mein derzeitiges Dilemma. Mein derzeitiges Dilemma ist, dass ich es in meinem Taxi so gehalten habe, dass ein jeder alles sagen durfte, sogar die Wahrheit, und ich mir wirklich auch alles angehört habe, ohne es sogleich zu bewerten, was üblicherweise sofort passiert, weil wir so konditioniert sind. Ich habe Jahre gebraucht, um mir dies abzutrainieren, weil mich immer viel mehr interessiert hat, warum jemand so tickt, wie er tickt, als nur zu erfahren, wie er tickt, um ihn sogleich in eine Schublade tun zu können. Die Situation im Taxi, die es für mich als Trockener Taxifahrer so nicht mehr gibt, war insoweit eine besondere, dass der Fahrgast sicher sein konnte, dass er mich kein zweites Mal sieht, weswegen er immer einen Tick ehrlicher zu mir sein konnte, als zu Menschen, die er regelmäßig trifft und auch zu Freunden. Im Normall war er aber nicht nur ehrlicher zu mir, sondern wollte auch meine ehrliche Meinung wissen, so dass ich gerne auch von einem Austausch spreche. Diesen Austausch gibt es heute in der Form nicht mehr, und das ist das derzeit Schlimmste für mich, aber immer noch nicht genau mein Dilemma. Die Situation heute ist die, dass mir Leute immer noch ihre Meinung sagen und manchmal auch ihr Herz ausschütten. Der Unterschied zu früher bei mir im Taxi ist der, dass keiner mehr meine Meinung wissen will. Im Normalfall wollen die Leute verstanden oder gar bestätigt werden, manche wollen auch einfach nur ihren Müll bei mir abladen, aber niemand fragt mich nach meiner Meinung. Im Taxi hatte ich es mir angewöhnt, meine Meinung nur zu sagen, wenn ich danach gefragt wurde, was meist der Fall war. Nun frage ich mich, wie ich damit umgehen soll, wenn mich niemand mehr nach meiner Meinung fragt. Genau das ist mein derzeitiges Dilemma, aus dem möglicherweise Rousseau einen Ausweg wusste, der meinte, dass er sich nicht erlauben würde, Menschen zu belehren, wenn andere sie nicht irregeführt hätten. Aber ist das auch mein Weg? Ich weiß es ehrlich gesagt bis heute nicht.

Foto&Text TaxiBerlin