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Am kommenden Mittwoch gibt es um 12 Uhr in der bulgarischen Hauptstadt zwischen dem Parlament und dem Denkmal „Zar Befreier“ einen weiteren nationalen Protest, diesmal für die Neutralität Bulgariens und gegen die amtierende Regierung unter Kiril Petkow, die nicht nur keine Mehrheit im Land hat, sondern die sich darüber hinaus aktuell nicht sicher ist, ob sie sich nun durch die Nato in einen Krieg gegen Russland hineinziehen lassen soll oder nicht. Ich werde mittels Fahrgemeinschaft nach Sofia kommen, das habe ich heute geklärt, und ich freue mich schon darauf.
Aber was muss ich gerade wieder in der Süddeutschen über Bulgarien lesen: „Eine klare Haltung zum Krieg in der Ukraine fällt dem Land schwer.“ – In der Heimat muss man offenbar immer noch Haltung zeigen, so wie man dort immer noch Maske trägt, obwohl man es gar nicht mehr braucht. Die Folgsamkeit des Deutschen ist durchaus beeindruckend. Da auch in mir ein Deutscher steckt, komme ich manchmal durcheinander, denn in Bulgarien ist immer alles umgedreht. Also was ist jetzt eine klare Haltung? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Und ist Neutralität überhaupt eine Haltung? Immerhin ist die Schweiz neutral. Offensichtlich geht das. Aber ist Neutralität auch die richtige Haltung? Ich bin mir nicht sicher. Neutral zu sein soll auf jeden Fall Russenfreundlich sein in diesen Tagen, besonders wenn es blöde Bulgaren betrifft. Nur, dann müsste die Schweiz heute Russenfreundlich und im letzten großen Krieg sogar Nazifreundlich gewesen sein. Aber ist das wirklich so?
Sicher scheint mir zu sein, dass der Krieg in der Ukraine kein Bündnisfall ist, denn die Ukraine ist kein Nato-Mitglied. Militärische Neutralität ist in dem Fall nicht nur das Gebot der Stunde, sondern logische Konsequenz. Kriegstreiber gibt es nicht nur in Moskau, sondern auch in Washington. Völkerrechtswidrige Angriffskriege haben auch amerikanische Präsidenten und die Nato geführt. Die Bombardierung des Nachbarlandes Serbien in den Neunzigern war ein solcher Krieg. Die Chinesische Botschaft in Belgrad bekam dabei einen Treffer ab, es gab Menschenleben zu beklagen. Ich kann mich an diesen Krieg gut erinnern, denn man musste damals über Rumänien fahren. Noch Jahre später ist man als Deutscher besser nicht durch Serbien gefahren. Einmal habe ich es doch getan. Auf den Straßen Belgrads sah ich sie, ausgemergelte bettelnde Kriegsinvaliden auf ihren Krücken. Sie klopften auch an unsere Fenster. Das hat gereicht. Auch jetzt ist die serbische Grenze nicht weit. Keine zwanzig Kilometer.
Der Ukrainische Präsident versucht nun schon seit Wochen und mit allen Mitteln eine globale Drohkulisse, die Bedrohung Europas durch den Russen, womöglich der ganzen Welt durch Putin persönlich, aufzubauen. Das ist sein gutes Recht. Und jeder, der sich jetzt vom Russen bedroht fühlt, möge in den Krieg ziehen. Ich persönlich halte es mit in den Krieg ziehen, wie ich es mit der Impfung halte. Jeder, der gerne an der Nadel hängt, soll sich impfen lassen. Ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil, ich bin für eine freie Impfentscheidung und alles andere als ein Impfgegner. Gegen Krieg beispielweise bin ich geimpft worden. In Serbien. Ansonsten bin ich clean und möchte es auch bleiben.
In den Krieg werde ich also nicht ziehen. Aber ich werde auch niemanden aufhalten in den Krieg zu ziehen. Das geht auch gar nicht. Ich empfehle aber jedem, der in den Krieg ziehen möchte, vorher die Lektüre von „Ich dachte, ich muss jetzt sterben“ in der Berliner. Der Artikel ist, so denke ich, eine gute Vorbereitung auf den Krieg. Und möglicherweise ist der Krieg auch schon in der Heimat angekommen.
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Sagte früher ein Bulgare „gleich“ zu einem, konnte man sicher sein, dass man nie wieder etwas von ihm hören oder gar sehen wird. Da hat sich einiges getan in Sachen Pünktlichkeit beim Bulgarien. Das kann man auf jeden Fall festhalten.
Gar nicht zu vergleichen mit dem Amerikaner, bei dem es nach einem lumpigen Sturm gleich mal einen ganzen Monat keinen Strom gibt. Gut, das war Ende letzten Jahres ein Schneesturm in Kalifornien. Das ist ein Unterschied. Aber der gestern in Bulgarien war auch nicht ohne. Bis zu 25 Meter in der Sekunde war der Sturm schnell hier. Das sind vier Sekunden für 100 Meter. Das wäre neuer Weltrekord, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, aber so schnell ist selbst der Bulgare nicht.
Später am Tag, ich hatte noch keinen Strom, störte der Anruf meines Berliner Bekannten meinen Mittagsschlaf. Seitdem er seinen Flug für nächsten Samstag nach Sofia gebucht hat, ist seine Depression wie weggeblasen. Heute hatte er allerdings einen Rückfall, da musste er in zwei Supermärkte in Berlin, wo er der einzige ohne Maske war. Obwohl das ab heute selbst in Deutschland wieder erlaubt ist, trägt der deutsche Michel weiterhin seine Gesichtswindel. Das hat ihn doch sehr mitgenommen, meinen Berliner Bekannten, was ich gut verstehen kann.
Ich war heute auch im Supermarkt, wo es nur einen Maskenträger gab. Also genau das umgedrehte Bild von Berlin. In Bulgarien ist wirklich vieles anders, und das meiste umgedreht. Vorher war ich an der OMV-Tanke, aber nicht wegen Sprit, sondern wegen Internet, das gibt es dort umsonst. Bei mir im Dorf gab’s keins wegen dem Stromausfall. Auf den Ösi ist, was das Internet angeht, verlass – im Gegensatz zur Impfpflicht. Auf dem Basar war heute auch eher tote Hose, vermutlich wegen dem Sturm. Immerhin keine Maskierten, nicht einen einzigen. Sind ja alle in Deutschland.
Nach meinem Mittagsschlaf, ich hatte immer noch keinen Strom, rief mich eine amerikanische Freundin aus Frankreich an, die eigentlich in Berlin lebt und neulich noch in Bulgarien war, weswegen sie alle drei Länder direkt vergleichen kann. Nirgendwo wäre die Angst größer als in Deutschland, sagt sie. Die German Angst, es gibt sie wirklich. (Auch als Buch, von Sabine Bode.)
Nachdem ich meinen Bürgermeister angerufen hatte und bevor der Strom wieder kam, bin ich in mein wildes Mineralbad im Wald gegangen. Am Vortag, nur wenige Stunden vor dem Sturm, habe ich die Kröte und den Salamander auf meinem Weg dorthin fotografiert. Beide waren wohl gerade dabei sich in Sicherheit zu bringen. Tiere spüren instinktiv, wenn ein Ungemach droht – im Gegensatz zum Menschen.
Bulgarien ist ein gutes Pflaster, nicht nur um Achtsamkeit zu lernen, sondern auch um seinen Instinkt wiederzubeleben. Keine Ahnung, ob das jetzt Instinkt oder einfach nur Gesundheitswahn oder gar Geiz ist, aber eine innere Stimme sagt mir, dass ich ab sofort jeden Tag ein Bad in meinem wilden Mineralbad im Wald nehmen und meinen Boiler auslassen soll. Das wenige Geschirr, das ich brauche, kann ich auch kalt abwaschen.
Mein Bekannter in Berlin, der mich über Ostern für eine Woche besuchen kommt, ist wegen seiner Bulgarien-Reise so guter Dinge, dass er versprochen hat „bedrucktes Papier“ fürs Benzin mitzubringen, worüber ich gar nicht fertig werde. Also über das „bedruckte Papier“. – Ist das neu in Deutschland? Sagt man das jetzt so? Oder ist das der Vorfreude meines depressiven Freundes geschuldet? Ist er vielleicht schon manisch? Also manisch-depressiv. Immerhin, würde ich dann sagen, denn eine Manie kommt selten allein. Eine Depression schon.
Wie gestern bereits erwähnt, gibt es in der bulgarischen Hauptstadt Sofia einige interessante Werbetafeln zu sehen. Unter anderem obige mit einem Zitat von Tacitus, dem Autor der „Germania“. Der Ausspruch des Römers, der von 54 bis 120 nach Christus gelebt hat und schon zu Lebzeiten ein anerkannter Chronist war, lautet auf Deutsch: „Je korrumpierter ein Land, desto zahlreicher seine Gesetze.“
Sogleich musste ich an „Es geht um Leben und Tod“ Lauterbach denken, der in einem aktuellen Interview, das ich am Vortag im Internet gesehen hatte, mindestens zehnmal, gefühlt waren es hundertmal, betonte, dass man jetzt nicht weiter lockern könne, weil das so im Gesetz steht. Wer unseren „Gesundheitsminister“ nicht kennt, hätte ihn da glatt für den Justizminister halten können.
In Bulgarien kennt niemand unseren Angst- und Panikmacher, hier ist er nur wegen seines unaussprechlichen Namens bekannt. Bulgaren, die ihn im Fernsehen oder im Internet gesehen und reden gehört haben, fragen mich dann immer, was man für den Mann tun, wie man ihm helfen könne.
Eine berechtigte Frage, wie ich denke, auch wenn ich darauf keine Antwort weiß, außer dass auch er seine Strafe bekommen wird, wenn er nicht schon bestraft genug ist, was ich aber nur von den Bulgaren übernommen habe, die dies aus Erfahrung und aufgrund ihrer sprichwörtlichen Duldsamkeit gerne sagen.
In dem erwähnten Interview konnte unser „Gesundheitsminister von der traurigen Gestalt“ auf die Frage nach Lockerungen keinen einzigen medizinischen beziehungsweise gesundheitlichen oder wegen mir auch volksgesundheitlichen Grund nennen, warum dies jetzt nicht möglich sei, sondern immer nur wieder fast schon Gebetsmühlenartig auf Gesetze verwiesen, die dies verunmöglichen würden. Nicht Gesundheit sondern Gesetze entscheiden offensichtlich darüber, was angemessen ist und was nicht.
An Gesetzen mangelt es nicht in unserem Land, genauso wie Tacitus es für ein korrumpiertes Land beschreibt. Dass diese darüber hinaus völlig abgekoppelt vom reellen Geschehen im Land angewendet werden, darüber schreibt der römische Chronist nichts. Es handelt sich offenbar um eine Weiterentwicklung.
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In Bulgarien gibt es interessante Reklametafeln, wenngleich nicht überall. Man findet sie praktisch nur in Sofia, wo die Leute aus der Provinz hingehen, hingehen müssen, um ihre Hinterlassenschaften in ihren Dörfern zu finanzieren, wenn sie nicht gleich ins Ausland gehen. Sofia wird in Bulgarien umgangssprachlich „Oben“ genannt. „Oben“ ist da, wo das Geld ist, und auch die Reklametafeln. Die bulgarische Hauptstadt ist mit ihren 650 Metern über dem Meeresspiegel auch im wortwörtlichen Sinne „Oben“.
Obige Reklametafel, ich hatte sie hier bereits erwähnt, habe ich genau zweimal gezählt in Sofia. Schwer zu sagen, woran das liegt. Jedenfalls sind auch in Bulgarien Reklametafeln nicht zum Nulltarif zu haben. Auf dieser steht „Der Impfstoff rettet Leben“ und nicht „Der Impfstoff spart Leben“, wie ich letztens geschrieben hatte. Dass ich „rettet“ und „spart“ verwechselt habe, liegt daran, dass ich es im Vorbeifahren gelesen habe, und zwar auf der Zarigradsko Chaussee, einer Schnellstraße der bulgarische Hauptstadt, die Richtung Osten aus ihr herausführt. Darüber hinaus werden „spasjawa“ (retten) und „spestjawa“ (sparen) ähnlich geschrieben und klingen dementsprechend auch ähnlich.
„Der Impfstoff rettet Leben“ kann man als Möglichkeit aber auch als Feststellung, als Fakt verstehen. Dann wäre es eine Verallgemeinerung. Verallgemeinerungen kommen vor, beispielsweise in literarischen Texten. Für Thomas Bernhard waren beispielsweise alle Österreicher Nazis, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch im täglichen Leben begegnen uns jede Menge Verallgemeinerungen. Ich gehe so weit zu sagen, dass sich jeder von uns Verallgemeinerungen bedient, um einfacher durchs Leben zu gehen.
Bei der Verallgemeinerung, dass der Impfstoff Leben rettet, würde ich persönlich vorsichtig sein. Zumindest ist es keine Verallgemeinerung, mit der ich durchs Leben gehe. Dass ich nicht mit ihr durchs Leben gehe, liegt unter anderem an den vielen „Impfdurchbrüchen“, bei denen sich Menschen trotz Impfung infizieren und auf der Intensivstation wiederfinden. Manchmal direkt neben Menschen, die dort aufgrund von Nebenwirkungen der Impfung um ihr Leben kämpfen.
„JCDecaux Image“ hat, so vermute ich, das Bild zur Reklametafel beigetragen. Welches Bild genau es sein soll, erschließt sich mir nicht ganz. Ich vermute, dass das Design gemeint ist. Umsonst hat „JCDecaux Image“ dies, so denke ich, nicht getan, weswegen es verkehrt wäre, „JCDecaux Image“ als Sponsor der Reklametafel zu bezeichnen. Wer der Sponsor der Anzeige ist, geht aus der Reklametafel nicht hervor. Möglicherweise eine balkanische Besonderheit, die dem Umstand geschuldet ist, dass insbesondere in Bulgarien alles immer umgedreht ist. Vielleicht aber auch Weise Voraussicht der für die Impfung Werbenden, die ähnlich den Herstellern jegliche Haftung ablehnen.
Taxis übrigens, die es nicht nur „Oben“, also in Sofia, sondern auch in der Provinz gibt, gehören zum Straßenbild in Bulgarien. In Berlin sind sie dabei aus ebendiesem zu verschwinden. Dass es in Bulgarien anders ist, liegt diesmal nicht daran, dass in dem kleinen Land am Rand alles immer umgedreht ist. Es liegt einfach daran, dass die frühere Regierung unter Boiko Borissow die illegale Konkurrenz aus Amerika verboten hat, um das bulgarischen Taxigewerbe zu schützen. Borissow soll korrupt sein und ist es vermutlich auch, zumindest wurde er deswegen neulich am Vorabend des Besuches des amerikanischen Kriegsministers für 24 Stunden festgesetzt. Danach musste man ihn wieder laufen lassen. Immerhin, er hat sich von den Uber-Lobbyisten nichts einflüstern lassen. Zumindest diesbezüglich dürfte es kein belastbares Material gegen ihn geben.
PS: „Gesundheitsminister“ Lauterbach fordert Null Covid. Erst dann will er seinen Wahnsinn beenden. – Wie sieht es aus mit der Forderung Null Nebenwirkungen?
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