Berlin aus Bulgarien (103)

Pünktlich um 12 Uhr ist unsere Fahrgemeinschaft aus Montana in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eingeritten. Dass wir trotz Karutza, so heißt der klassische Pferdewagen auf den bulgarischen Dörfern, mit dem heute fast nur noch Zigeuner im Land unterwegs sind, pünktlich waren, lag an unserem Fahrer. Der hatte nicht nur einen Bleifuß, sondern auch ein Radar-Warngerät, damit wir keinen Ärger mit der Polizei bekommen. Die hat sich wieder um die Busse gekümmert, die aus allen Teilen des Landes zum Protest nach Sofia fuhren. Die Organisatorin aus Montana wurde einen Tag zuvor von den  lokalen Sherriffs angerufen, weil diese wissen wollten, von wo genau der Bus losfährt, woraufhin sie den Sherriffs antworte, dass die Leute allesamt mit ihren Privatfahrzeugen in die Hauptstadt kommen. Für uns hat das zumindest gestimmt. Am Ende waren es fast 50 Busse aus allen Teilen des Landes, die es nach Sofia geschafft haben. Für die Neutralität Bulgariens sind dort gestern 6.000 Menschen auf die Straße gegangen, womit der gestrige Protest bei schönstem Sonnenschein auch der bisher größte war. Maskenträger gab es keine, weder bei der Polizei, noch bei den Protestieren, und Abstände spielten auch wieder keine Rolle. Der Protest verlief absolut friedlich, niemand wurde verhaftet und keiner verletzt. Immerhin gab es diesmal einen Wasserwerfer, der aber nicht zum Einsatz kann, sondern in einer Seitenstraße der bulgarischen Hauptstadt Sofia gut bewacht von den Ordnungshütern friedlich vor sich hin rostete.

PS: Ich werde heute, wo im Irrenhaus Berlin, wenn ich richtig informiert bin, über die Impfpflicht für über 50-jährige entschieden wird, in den Schluchten des Balkans einen Baum pflanzen. Aber keinen Apfelbaum – den habe ich schon, sondern eine Esskastanie.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (102)

Heute ist der Nationale Protest für die Neutralität Bulgariens. Um über ihn berichten zu können, werde mit einer Fahrgemeinschaft in die bulgarische Hauptstadt Sofia gelangen. Zu der Forderung nach Neutralität passt dieser Artikel über „Die militärische Lage in der Ukraine“ von Jacques Baud, auf den mich gestern ein Freund in der Heimat aufmerksam gemacht. Jacques Baud ist Schweizer, über deren Neutralität ich dieser Stelle geschrieben habe. Jacques Baud, der auch ehemaliger Militär und Geheimdienstler ist, leitet seinen Artikel mit der Feststellung ein, dass es ihm nicht darum geht, den Krieg zu rechtfertigen, sondern zu verstehen, was zu ihm geführt hat. Praktisch das, was ich Jahrelang in meinem Taxi praktiziert habe, in dem man zwar nicht telefonieren, dafür aber alles sagen durfte – sogar die Wahrheit. Für mich war immer wichtig zu erfahren, warum tickt jemand so, wie er eben tickt.
Es gibt drei Dinge, die für mich besonders wichtig sind in dem insgesamt absolut lesenswerten Artikel von Jacques Baud. Der Schweizer erwähnt die Abschaffung des Kivalov-Kolesnichenko-Gesetzes von 2012, das Russisch zur Amtssprache machte, am 23. Februar 2014, und meint dazu: „Das ist in etwa so, als ob die Putschisten beschlossen hätten, dass Französisch und Italienisch in der Schweiz keine Amtssprachen mehr sein sollten.“ Ein interessanter Vergleich, wie ich finde.
Dann erwähnt Jacques Baud, dass der amerikanische Präsident Biden bereits am 17. Februar ankündigte, dass Russland in den nächsten Tagen die Ukraine angreifen werde. „Wie konnte er das wissen?“ – Eine interessante Frage. Des Rätsels Lösung könnte sein, dass seit dem 16. Februar der Artilleriebeschuss der Bevölkerung im Donbass dramatisch zugenommen hatte. Dies sollen auch die täglichen Berichte der OSZE-Beobachter bestätigt haben. Nur, warum reagierten dann weder die westlichen Medien, noch die Europäische Union, die NATO oder westliche Regierung darauf?
Diesen Punkt halte ich besonders wichtig, weil er mich an Afghanistan erinnert. Dort habe man die Sowjetunion in eine Falle gelockt, wie US-amerikanische Geheimdienstler später freimütig zugaben. Hat der Westen nun den Russen in eine ähnliche Falle gelockt? In diesem Zusammenhang erwähnt der Autor den 24. März 2021, an dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Zelenskij ein Dekret zur Rückeroberung der Krim erlassen haben und daraufhin seine Streitkräfte in den Süden des Landes verlegt haben soll. Ich hatte zuvor noch nie von einem solchen Dekret gehört.
Jacques Baud erwähnt am Ende noch das Entbindungskrankenhaus in Mariupol, das von der rechte Asow-Miliz eingenommen wurde, die die Menschen vertrieben und einen Schießstand in dem Krankenhaus eingerichtet haben soll. Mich hat das, genauso wie den Autor, sogleich an den ersten Golfkrieg erinnert. Auch ich frage mich, ob da gerade das Szenario von der Entbindungsstation in Kuwait-City nachgespielt wird. Inszeniert hat es damals die Firma „Hill & Knowlton“ für 10,7 Millionen Dollar, um den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen davon zu überzeugen, im Rahmen der Operation Desert Shield/Storm im Irak zu intervenieren.
So viel Geld ist mit Ukraine-Flaggen und KGB-Shirts nicht zu machen, schon gar nicht in Bulgarien. Mit ihnen dürfte nur ein Trinkgeld zu verdienen sein. Ein Grund möglicherweise, dass sie (noch) so friedlich nebeneinander am Souvenirgeschäft direkt neben dem Sheraton-Hotel, dem ehemaligen Hotel „Balkan“ und erstem Haus am Platz in Sofia zu finden sind. Wieder einmal ist alles anders in Bulgarien.
PS: Ich bitte alle Faktenchecker unter meinen Lesern, die Angaben von Jacques Baud zu überprüfen, da ich gerade in der bulgarischen Hauptstadt und ohne Internet bin, um auf den Straßen Sofias den Nationalen Protest für die Neutralität Bulgariens zu beobachten. Vielen Dank im Voraus!
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (101)

Das ist das Haus links von mir. Über das hinter mir hatte ich hier geschrieben. Das Haus rechts von mir ist schon zusammen gefallen. Wenn nichts dazwischenkommt, wird das mit dem obigen Haus auch irgendwann passieren. Auf dem Dach fehlt bereits der ein oder andere Ziegel, einige Balken dürften bereits morsch sein, und das Mauerwerk hat auch schon einen Wasserschaden. Der Nachbar kann nichts dafür, dass sein Haus verkommt. Ihm fehlen einfach nur die Mittel, etwas dagegen zu tun. Er selbst lebt unten im Dorf. Ich versuche den Blick auf sein Haus zu vermeiden. Im Moment gelingt mir das ganz gut, denn davor blühen gerade die Osterglocken und rechts von ihm ein Baum. Der Baum trägt irgendwann Früchte, die Junk genannt werden, und die man nur zum Schnapsbrennen verwenden kann. Der Bulgare lässt nichts verkommen. Bei ihm gibt es kein Junk-Food, dafür Junk-Früchte. Auch hier ist mal wieder alles umgedreht. Genauso wie bei den Osterglocken. Die sind nicht etwa gepflanzt, sondern ganz wild gewachsen. So wie der Bulgare.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (100)

Über meinen Blick auf die Berge des Balkans habe ich schon oft geschrieben und auch Bilder veröffentlich. Demnächst wird nun dieses Haus auf der anderen Straßenseite, praktisch gegenüber, zusammenfallen, was ich zum Anlass nehme, darüber zu berichten. Rechts von mir das Haus ist schon vor vielen Jahren in sich zusammen zu fallen, und bei dem links fehlen immer mehr Ziegel auf dem Dach, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, dass Wasser eindringt und das Holz morsch werden lässt. Auch wenn es in Bulgarien viele Häuser gibt, die in sich zusammenfallen oder auch schon in sich zusammenfallen sind, war ich erst bei einem dabei. Genau genommen war es ein Stall und kein Haus, von der Größe und von der Konstruktion her hätte es aber auch ein Haus gewesen sein können. Ich bin gerade zufällig an ihm vorbeigegangen, als er in sich zusammenfiel, der Stall. Es war also auch ein bisschen Glück dabei. Wenn Holz unter schwerer Last zerbricht, ergibt das einen besonderen Ton. Aufgenommen und aneinandergereiht könnte es die Erkennungsmelodie für Bulgarien ergeben. Ich will die Lage nicht in zu düsteren Farben malen, ganz im Gegenteil. Aber wenn man permanent von Tod und Verfall umgeben ist, dann macht das was mit einem, davon bin ich überzeugt. Man bekommt ein Gefühl dafür, dass nichts für die Ewigkeit gemacht ist und alles einmal ein Ende hat, wobei Gefühl nicht das richtige Wort. Es ist eher eine Gewissheit.

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Bericht aus Bulgarien (99)

Geimpft gegen Krieg

Am kommenden Mittwoch gibt es um 12 Uhr in der bulgarischen Hauptstadt zwischen dem Parlament und dem Denkmal „Zar Befreier“ einen weiteren nationalen Protest, diesmal für die Neutralität Bulgariens und gegen die amtierende Regierung unter Kiril Petkow, die nicht nur keine Mehrheit im Land hat, sondern die sich darüber hinaus aktuell nicht sicher ist, ob sie sich nun durch die Nato in einen Krieg gegen Russland hineinziehen lassen soll oder nicht. Ich werde mittels Fahrgemeinschaft nach Sofia kommen, das habe ich heute geklärt, und ich freue mich schon darauf.

Aber was muss ich gerade wieder in der Süddeutschen über Bulgarien lesen: „Eine klare Haltung zum Krieg in der Ukraine fällt dem Land schwer.“ – In der Heimat muss man offenbar immer noch Haltung zeigen, so wie man dort immer noch Maske trägt, obwohl man es gar nicht mehr braucht. Die Folgsamkeit des Deutschen ist durchaus beeindruckend. Da auch in mir ein Deutscher steckt, komme ich manchmal durcheinander, denn in Bulgarien ist immer alles umgedreht. Also was ist jetzt eine klare Haltung? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Und ist Neutralität überhaupt eine Haltung? Immerhin ist die Schweiz neutral. Offensichtlich geht das. Aber ist Neutralität auch die richtige Haltung? Ich bin mir nicht sicher. Neutral zu sein soll auf jeden Fall Russenfreundlich sein in diesen Tagen, besonders wenn es blöde Bulgaren betrifft. Nur, dann müsste die Schweiz heute Russenfreundlich und im letzten großen Krieg sogar Nazifreundlich gewesen sein. Aber ist das wirklich so?

Sicher scheint mir zu sein, dass der Krieg in der Ukraine kein Bündnisfall ist, denn die Ukraine ist kein Nato-Mitglied. Militärische Neutralität ist in dem Fall nicht nur das Gebot der Stunde, sondern logische Konsequenz. Kriegstreiber gibt es nicht nur in Moskau, sondern auch in Washington. Völkerrechtswidrige Angriffskriege haben auch amerikanische Präsidenten und die Nato geführt. Die Bombardierung des Nachbarlandes Serbien in den Neunzigern war ein solcher Krieg. Die Chinesische Botschaft in Belgrad bekam dabei einen Treffer ab, es gab Menschenleben zu beklagen. Ich kann mich an diesen Krieg gut erinnern, denn man musste damals über Rumänien fahren. Noch Jahre später ist man als Deutscher besser nicht durch Serbien gefahren. Einmal habe ich es doch getan. Auf den Straßen Belgrads sah ich sie, ausgemergelte bettelnde Kriegsinvaliden auf ihren Krücken. Sie klopften auch an unsere Fenster. Das hat gereicht. Auch jetzt ist die serbische Grenze nicht weit. Keine zwanzig Kilometer.

Der Ukrainische Präsident versucht nun schon seit Wochen und mit allen Mitteln eine globale Drohkulisse, die Bedrohung Europas durch den Russen, womöglich der ganzen Welt durch Putin persönlich, aufzubauen. Das ist sein gutes Recht. Und jeder, der sich jetzt vom Russen bedroht fühlt, möge in den Krieg ziehen. Ich persönlich halte es mit in den Krieg ziehen, wie ich es mit der Impfung halte. Jeder, der gerne an der Nadel hängt, soll sich impfen lassen. Ich habe nichts dagegen. Im Gegenteil, ich bin für eine freie Impfentscheidung und alles andere als ein Impfgegner. Gegen Krieg beispielweise bin ich geimpft worden. In Serbien. Ansonsten bin ich clean und möchte es auch bleiben.

In den Krieg werde ich also nicht ziehen. Aber ich werde auch niemanden aufhalten in den Krieg zu ziehen. Das geht auch gar nicht. Ich empfehle aber jedem, der in den Krieg ziehen möchte, vorher die Lektüre von „Ich dachte, ich muss jetzt sterben“ in der Berliner. Der Artikel ist, so denke ich, eine gute Vorbereitung auf den Krieg. Und möglicherweise ist der Krieg auch schon in der Heimat angekommen.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (98)

Um kurz vor 18 Uhr habe ich gestern meinen Bürgermeister angerufen und ihn gefragt, wann ich mit Strom rechnen kann, woraufhin er „gleich“ gesagt hat. Kurz vor 19 Uhr hatte ich dann wieder Strom, ich war also keine 24 Stunden ohne Energieversorgung, was ich absolut in Ordnung finde. Die Verlässlichkeit meines bulgarischen Bürgermeisters gefällt mir gut, sie macht mir aber auch ein klein wenig Angst, denn sie ist so typisch Deutsch, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin. Und dabei kann mein Bürgermeister die Deutschen nicht leiden. Verstehe mir einer den Bulgaren.

Sagte früher ein Bulgare „gleich“ zu einem, konnte man sicher sein, dass man nie wieder etwas von ihm hören oder gar sehen wird. Da hat sich einiges getan in Sachen Pünktlichkeit beim Bulgarien. Das kann man auf jeden Fall festhalten.

Gar nicht zu vergleichen mit dem Amerikaner, bei dem es nach einem lumpigen Sturm gleich mal einen ganzen Monat keinen Strom gibt. Gut, das war Ende letzten Jahres ein Schneesturm in Kalifornien. Das ist ein Unterschied. Aber der gestern in Bulgarien war auch nicht ohne. Bis zu 25 Meter in der Sekunde war der Sturm schnell hier. Das sind vier Sekunden für 100 Meter. Das wäre neuer Weltrekord, sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen, aber so schnell ist selbst der Bulgare nicht.

Später am Tag, ich hatte noch keinen Strom, störte der Anruf meines Berliner Bekannten meinen Mittagsschlaf. Seitdem er seinen Flug für nächsten Samstag nach Sofia gebucht hat, ist seine Depression wie weggeblasen. Heute hatte er allerdings einen Rückfall, da musste er in zwei Supermärkte in Berlin, wo er der einzige ohne Maske war. Obwohl das ab heute selbst in Deutschland wieder erlaubt ist, trägt der deutsche Michel weiterhin seine Gesichtswindel. Das hat ihn doch sehr mitgenommen, meinen Berliner Bekannten, was ich gut verstehen kann.

Ich war heute auch im Supermarkt, wo es nur einen Maskenträger gab. Also genau das umgedrehte Bild von Berlin. In Bulgarien ist wirklich vieles anders, und das meiste umgedreht. Vorher war ich an der OMV-Tanke, aber nicht wegen Sprit, sondern wegen Internet, das gibt es dort umsonst. Bei mir im Dorf gab’s keins wegen dem Stromausfall. Auf den Ösi ist, was das Internet angeht, verlass – im Gegensatz zur Impfpflicht. Auf dem Basar war heute auch eher tote Hose, vermutlich wegen dem Sturm. Immerhin keine Maskierten, nicht einen einzigen. Sind ja alle in Deutschland.

Nach meinem Mittagsschlaf, ich hatte immer noch keinen Strom, rief mich eine amerikanische Freundin aus Frankreich an, die eigentlich in Berlin lebt und neulich noch in Bulgarien war, weswegen sie alle drei Länder direkt vergleichen kann. Nirgendwo wäre die Angst größer als in Deutschland, sagt sie. Die German Angst, es gibt sie wirklich. (Auch als Buch, von Sabine Bode.)

Nachdem ich meinen Bürgermeister angerufen hatte und bevor der Strom wieder kam, bin ich in mein wildes Mineralbad im Wald gegangen. Am Vortag, nur wenige Stunden vor dem Sturm, habe ich die Kröte und den Salamander auf meinem Weg dorthin fotografiert. Beide waren wohl gerade dabei sich in Sicherheit zu bringen. Tiere spüren instinktiv, wenn ein Ungemach droht – im Gegensatz zum Menschen.

Bulgarien ist ein gutes Pflaster, nicht nur um Achtsamkeit zu lernen, sondern auch um seinen Instinkt wiederzubeleben. Keine Ahnung, ob das jetzt Instinkt oder einfach nur Gesundheitswahn oder gar Geiz ist, aber eine innere Stimme sagt mir, dass ich ab sofort jeden Tag ein Bad in meinem wilden Mineralbad im Wald nehmen und meinen Boiler auslassen soll. Das wenige Geschirr, das ich brauche, kann ich auch kalt abwaschen.

Mein Bekannter in Berlin, der mich über Ostern für eine Woche besuchen kommt, ist wegen seiner Bulgarien-Reise so guter Dinge, dass er versprochen hat „bedrucktes Papier“ fürs Benzin mitzubringen, worüber ich gar nicht fertig werde. Also über das „bedruckte Papier“. – Ist das neu in Deutschland? Sagt man das jetzt so? Oder ist das der Vorfreude meines depressiven Freundes geschuldet? Ist er vielleicht schon manisch? Also manisch-depressiv. Immerhin, würde ich dann sagen, denn eine Manie kommt selten allein. Eine Depression schon.

Nach meinem Mittagsschlaf und vor dem Mineralbad rief mich mein bester bulgarischer Freund aus Sofia an, dessen bester deutscher Freund ich bin, um mich über den Protest für die Neutralität Bulgariens zu informieren, von dem ich bereits wusste. Er hat gerade dieses äußerst interessante Interview mit der nicht nur gutaussehenden, sondern auch investigativen bulgarischen Journalistin Диляна Гайтанджиева gemacht. Glenn Greenwald, er hat die Snowden Sache gemacht, hatte auch schon darüber geschrieben. Die USA unterhalten, besser unterhielten, Bio-Labs in der Ukraine. Im Gegensatz zu Sadam Hussein im Irak. Der hatte nie welche gehabt, obwohl das der offizielle Kriegsgrund war und bis heute ist. Beim ersten Golfkrieg waren es noch Babys gewesen, die irakische Soldaten aus Inkubatoren genommen und auf die Erde geworfen haben sollen. Auch das eine ausgedachte Geschichte.
Kurz vorm Schlafengehen kam noch diese SMS von Facebook rein: „Use 416 378 to verify your Instagram account.“ – Vielleicht kann jemand etwas damit anfangen. Ich bin weder bei dem einen noch bei dem anderen Verein.
PS: Zwischen Basar und Mittagsschlaf habe ich „Vernichten“, den neuen Roman von Michel Houellebecq ausgelesen, eine Mischung aus Franzens „Korrekturen“ und Rosamunde Pilcher. Der beste Satz ist der letzte: „Ich bin glücklicherweise gerade zu einer positiven Erkenntnis gelangt; für mich ist es Zeit aufzuhören.“
PPS: 03:35 Uhr eine zweite Nachricht von Facebook, die ich erst jetzt lese, weil ich mein Handy Nachts ausschalte. Die Code lautet diesmal: 173 089 – interessant, oder?

Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (97)

Eigentlich wollte ich heute darüber schreiben, dass ich gestern anbaden war, genau genommen war es schon vorgestern. Aber nun muss ich berichten, dass ich seit gestern keinen Strom habe, weil es einen schweren Sturm gibt auf meinem Berg, und ich auch zumindest zeitweise nicht mehr raus kann, will ich nicht Gefahr laufen, einfach weggeblasen zu werden. Verwandte von mir in Amerika, genauer gesagt in Kalifornien, waren über Weihnachten und Neujahr bis in den Januar hinein für einen Monat ohne Strom. Ich hoffe nicht, dass es hier auch so lange dauert. Bulgarien ist schließlich ein zivilisiertes Land, und außerdem kenne ich den Bürgermeister. Anbei veröffentliche ich zwei Fotos. Das eine zeigt das Becken eines wilden Mineralbades bei mir im Wald, wo ich wie gesagt vorgestern anbaden war. Auf dem anderen sind meine Berge zu sehen, allerdings unscharf, weil ich wegen dem Sturm die Kamera nicht ruhig halten konnte. Der Akku meines Notebooks zeigt noch 7 Prozent, ich muss Schluss machen. Immerhin kalt duschen werde ich nicht müssen, obwohl mein Boiler auch Strom braucht. Ich muss es nur irgendwie in den Wald schaffen, das Mineralwasser im wilden Mineralbad ist warm.
PS: Kein Aprilscherz!
PPS: Erfahre gerade von meiner Kontaktperson in Montana, dass es nächsten Mittwoch den nächsten landesweiten Protest in der bulgarischen Hauptstadt Sofia geben wird, diesmal wieder gegen die amtierende Regierung unter Kiril Petkow, die im Land keine Mehrheit hinter sich weiß. Wie auch, bei 60 Prozent Nichtwähler.
Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (96)

„Bulgarien möchte dich“, sagt diese Werbetafel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Und weiter: „Finde Arbeit“. Auf den ersten Blick hört sich das komisch an. Warum sollte es ausgerechnet in Bulgarien Arbeit geben, wenn jeder dritte Bulgare, bei den 20- bis 45-jährigen sogar jeder zweite, im Ausland lebt und arbeitet? Andererseits sagt man hier aber auch gerne, dass es in Bulgarien Arbeit geben würde für das gesamte Chinesische Volk – und das stimmt!
Bulgarien ist, was seine Bevölkerung angeht, das am schnellsten schrumpfende Land weltweit. In der Vergangenheit habe ich gerne dazu gesagt, ohne dass ein Krieg erklärt worden wäre oder gar stattgefunden hätte. Nach nunmehr fast einem Jahr in Bulgarien bin ich mir dessen nicht mehr so sicher. Zumindest sieht es in vielen Teilen Bulgarien so aus, als hätte es einen Krieg gegeben, der vielleicht sogar noch anhält. Es gibt auch Kriege ohne Kriegserklärung. Es wäre nicht der erste in der Menschheitsgeschichte. Jedenfalls gibt es in Bulgarien jede Menge Arbeit, und zwar Aufbauarbeit, will man irgendwann auch hier blühende Landschaften haben. Im Moment sieht es eher nach dem Gegenteil von blühenden Landschaften aus.
Schöne Landschaften gibt es dagegen überall zu sehen, und das sogar zum Nulltarif. Von Sofia aus kann man beispielsweise auf das Vitosha-Gebirge schauen. Der höchste Berg, der Schwarze Berg, ist immerhin 2.290 Meter hoch. Der allgegenwärtige Ausblick auf die gerade Schneebedeckten Gipfel des Vitosha-Gebirges ist für mich neben den Mineralquellen das schönste an der ansonsten schrecklichen Stadt. Die heißen Quellen im Stadtzentrum der bulgarischen Hauptstadt wussten schon die Römer zu schätzen, bei denen Sofia Serdica hieß.
Im Hintergrund (links) das Vitosha-Gebirge
Was die Arbeit in Bulgarien angeht, habe ich gerade einem Leser meines Blogs in Berlin Arbeit verschafft. Um genau zu sein, hat er sie sich selbst gesucht. So sind sie, die Preußen – suchen sich ihre Arbeit selbst. Um ganz genau zu sein, ist der Leser in Berlin ein selbsternannter Faktenchecker meines Blogs. Dazu muss man wissen, dass ich ihn am Vortag, bevor er seine Tätigkeit als selbsternannter Faktenchecker aufnahm, noch einmal darauf hingewiesen habe, dass das hier in aller Regel keine 1:1 Geschichten sind, worauf auch der Untertitel „Unwahre Geschichten … „ hinweist, und was mein Berliner Faktenchecker auch vorher schon wusste.
Warum er trotzdem die Fakten in „Unwahren Geschichten aus dem wahren Leben eines Berliner Taxifahrers“ checkt, kann ich nur vermuten. Wahrscheinlich weil auch er keine Arbeit mehr hat. Jedenfalls scheint er jede Menge Zeit zu haben, so wie viele Menschen nicht nur in der Heimat. Auch ich habe viel Zeit hier, und auch kein Geld, weswegen ich meinen Faktenchecker in der Heimat nicht bezahlen kann. Arbeit hat immerhin auch er in Bulgarien gefunden, so wie es die Reklametafel verspricht.
Wer sinnvolle Arbeit sucht, wer also nicht die Fakten eines Blogs mit dem Untertitel „Unwahre Geschichten …“  checken will, wird ebenfalls in Bulgarien fündig. Die Reklametafel in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ist also kein leeres Versprechen, im Gegenteil. Es gibt hier in sich zusammenfallende und bereits zusammengefallende Gebäude ohne Ende, die es wieder aufzubauen gilt. Bezahlt wird die Aufbauarbeit in aller Regel nicht, weswegen auch noch kein Chinese nach Bulgarien gekommen ist.
Eine Möglichkeit gibt es wohl, mit Aufbauarbeit in Bulgarien sein Geld zu verdienen, und zwar wenn man Geld mitbringt. Damit kauft man die Ruinen und baut sie wieder auf. Irgendwann in der Zukunft verkauft man die Häuser, also das Ergebnis seiner eigenen Aufbauarbeit, dann mit Gewinn beispielsweise an Bulgaren, die mangels Arbeit in immer größerer Zahl aus dem Ausland in ihre Heimat zurückkehren und hier nach einer Bleibe suchen. Mein Nachbar macht das seit Jahren mit großem Erfolg. Oder man kauft einfach nur Land in Bulgarien, wie es gerade Superreiche in Amerika tun. Das geht auch.
“iskam teb” – Ich möchte dich
Egal ob Geld oder nicht – jeder ist in Bulgarien willkommen. Ich kann das kleine Land sehr am Rand nur wärmstens empfehlen, und nicht nur denjenigen, die mal rauskommen wollen aus dem alltäglichen Wahnsinn in der Heimat. Vorausgesetzt natürlich, man ist dort abkömmlich. Also dass man keine Flüchtlinge bei sich zu hause aufgenommen hat, um die man sich kümmern muss, oder man gar selbst in den Krieg ziehen möchte, wovon ich persönlich abrate.
Mein Eindruck ist, dass es in Deutschland jede Menge Menschen gibt, die gerade orientierungslos durch die Gegend irrlichtern, weil sie einerseits keine Arbeit mehr haben und andererseits nichts mit sich anzufangen wissen, nachdem man ihnen nun auch die Möglichkeit des Konsums genommen hat. Bulgarien ist für seinen Null Konsum bekannt und auch fürs kalt duschen. „Frieren für den Frieden“, was mich an „Kanonen statt Butter“ erinnert, kann man also auch hier. Ich habe sogar schon meinen Berliner Faktenchecker nach Bulgarien eingeladen, damit er auf andere Gedanken kommt, auch wenn ich nicht daran glaube, dass er die Eier dazu hat.
Was der Faktenchecker in der Heimat auf jeden Fall machen kann, und worum ich ihn hiermit bitte, ist die Fakten in den drei Texten zu checken, die von mir auf anderen Seiten erschienen sind, und zwar 2x auf Multipolar und 1x auf Rubikon, an einem von ihnen hat sich der Spiegel bedient, denn das sind keine „Unwahre Geschichten …“ – Die Links dazu findet er rechts oben auf dieser Seite. Geld gibt es, ich sage es besser vorher, aber auch dafür nicht.
Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (95)

Wie gestern bereits erwähnt, gibt es in der bulgarischen Hauptstadt Sofia einige interessante Werbetafeln zu sehen. Unter anderem obige mit einem Zitat von Tacitus, dem Autor der „Germania“. Der Ausspruch des Römers, der von 54 bis 120 nach Christus gelebt hat und schon zu Lebzeiten ein anerkannter Chronist war, lautet auf Deutsch: „Je korrumpierter ein Land, desto zahlreicher seine Gesetze.“

Sogleich musste ich an „Es geht um Leben und Tod“ Lauterbach denken, der in einem aktuellen Interview, das ich am Vortag im Internet gesehen hatte, mindestens zehnmal, gefühlt waren es hundertmal, betonte, dass man jetzt nicht weiter lockern könne, weil das so im Gesetz steht. Wer unseren „Gesundheitsminister“ nicht kennt, hätte ihn da glatt für den Justizminister halten können.

In Bulgarien kennt niemand unseren Angst- und Panikmacher, hier ist er nur wegen seines unaussprechlichen Namens bekannt. Bulgaren, die ihn im Fernsehen oder im Internet gesehen und reden gehört haben, fragen mich dann immer, was man für den Mann tun, wie man ihm helfen könne.

Eine berechtigte Frage, wie ich denke, auch wenn ich darauf keine Antwort weiß, außer dass auch er seine Strafe bekommen wird, wenn er nicht schon bestraft genug ist, was ich aber nur von den Bulgaren übernommen habe, die dies aus Erfahrung und aufgrund ihrer sprichwörtlichen Duldsamkeit gerne sagen.

In dem erwähnten Interview konnte unser „Gesundheitsminister von der traurigen Gestalt“ auf die Frage nach Lockerungen keinen einzigen medizinischen beziehungsweise gesundheitlichen oder wegen mir auch volksgesundheitlichen Grund nennen, warum dies jetzt nicht möglich sei, sondern immer nur wieder fast schon Gebetsmühlenartig auf Gesetze verwiesen, die dies verunmöglichen würden. Nicht Gesundheit sondern Gesetze entscheiden offensichtlich darüber, was angemessen ist und was nicht.

An Gesetzen mangelt es nicht in unserem Land, genauso wie Tacitus es für ein korrumpiertes Land beschreibt. Dass diese darüber hinaus völlig abgekoppelt vom reellen Geschehen im Land angewendet werden, darüber schreibt der römische Chronist nichts. Es handelt sich offenbar um eine Weiterentwicklung.

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Bericht aus Bulgarien (94)

In Bulgarien gibt es interessante Reklametafeln, wenngleich nicht überall. Man findet sie praktisch nur in Sofia, wo die Leute aus der Provinz hingehen, hingehen müssen, um ihre Hinterlassenschaften in ihren Dörfern zu finanzieren, wenn sie nicht gleich ins Ausland gehen. Sofia wird in Bulgarien umgangssprachlich „Oben“ genannt. „Oben“ ist da, wo das Geld ist, und auch die Reklametafeln. Die bulgarische Hauptstadt ist mit ihren 650 Metern über dem Meeresspiegel auch im wortwörtlichen Sinne „Oben“.

Obige Reklametafel, ich hatte sie hier bereits erwähnt, habe ich genau zweimal gezählt in Sofia. Schwer zu sagen, woran das liegt. Jedenfalls sind auch in Bulgarien Reklametafeln nicht zum Nulltarif zu haben. Auf dieser steht „Der Impfstoff rettet Leben“ und nicht „Der Impfstoff spart Leben“, wie ich letztens geschrieben hatte. Dass ich „rettet“ und „spart“ verwechselt habe, liegt daran, dass ich es im Vorbeifahren gelesen habe, und zwar auf der Zarigradsko Chaussee, einer Schnellstraße der bulgarische Hauptstadt, die Richtung Osten aus ihr herausführt. Darüber hinaus werden „spasjawa“ (retten) und „spestjawa“ (sparen) ähnlich geschrieben und klingen dementsprechend auch ähnlich.

„Der Impfstoff rettet Leben“ kann man als Möglichkeit aber auch als Feststellung, als Fakt verstehen. Dann wäre es eine Verallgemeinerung. Verallgemeinerungen kommen vor, beispielsweise in literarischen Texten. Für Thomas Bernhard waren beispielsweise alle Österreicher Nazis, um nur ein Beispiel zu nennen. Auch im täglichen Leben begegnen uns jede Menge Verallgemeinerungen. Ich gehe so weit zu sagen, dass sich jeder von uns Verallgemeinerungen bedient, um einfacher durchs Leben zu gehen.

Bei der Verallgemeinerung, dass der Impfstoff Leben rettet, würde ich persönlich vorsichtig sein. Zumindest ist es keine Verallgemeinerung, mit der ich durchs Leben gehe. Dass ich nicht mit ihr durchs Leben gehe, liegt unter anderem an den vielen „Impfdurchbrüchen“, bei denen sich Menschen trotz Impfung  infizieren und auf der Intensivstation wiederfinden. Manchmal direkt neben Menschen, die dort aufgrund von Nebenwirkungen der Impfung um ihr Leben kämpfen.

„JCDecaux Image“ hat, so vermute ich, das Bild zur Reklametafel beigetragen. Welches Bild genau es sein soll, erschließt sich mir nicht ganz. Ich vermute, dass das Design gemeint ist. Umsonst hat „JCDecaux Image“ dies, so denke ich, nicht getan, weswegen es verkehrt wäre,  „JCDecaux Image“ als Sponsor der Reklametafel zu bezeichnen. Wer der Sponsor der Anzeige ist, geht aus der Reklametafel nicht hervor. Möglicherweise eine balkanische Besonderheit, die dem Umstand geschuldet ist, dass insbesondere in Bulgarien alles immer umgedreht ist. Vielleicht aber auch Weise Voraussicht der für die Impfung Werbenden, die ähnlich den Herstellern jegliche Haftung ablehnen.

Taxis übrigens, die es nicht nur „Oben“, also in Sofia, sondern auch in der Provinz gibt, gehören zum Straßenbild in Bulgarien. In Berlin sind sie dabei aus ebendiesem zu verschwinden. Dass es in Bulgarien anders ist, liegt diesmal nicht daran, dass in dem kleinen Land am Rand alles immer umgedreht ist. Es liegt einfach daran, dass die frühere Regierung unter Boiko Borissow die illegale Konkurrenz aus Amerika verboten hat, um das bulgarischen Taxigewerbe zu schützen. Borissow soll korrupt sein und ist es vermutlich auch, zumindest wurde er deswegen neulich am Vorabend des Besuches des amerikanischen Kriegsministers für 24 Stunden festgesetzt. Danach musste man ihn wieder laufen lassen. Immerhin, er hat sich von den Uber-Lobbyisten nichts einflüstern lassen. Zumindest diesbezüglich dürfte es kein belastbares Material gegen ihn geben.

PS: „Gesundheitsminister“ Lauterbach fordert Null Covid. Erst dann will er seinen Wahnsinn beenden. – Wie sieht es aus mit der Forderung Null Nebenwirkungen?

Fotos&Text TaxiBerlin