Bericht aus Bulgarien (32)

Eingelegter Kohl von Baba Bore

Nachdem meine Nachbarin Baba Bore mich mehrfach gebeten hatte, doch mal wieder bei ihr vorbeizuschauen, habe ich sie gestern nun endlich besucht. Dass ich mich mit Besuchen bei ihr schwer tue, liegt daran, dass sie mir immer so viele Sachen mitgibt, dass es mir danach immer peinlich war, bei ihr gewesen zu sein. Gestern hatte sie eingelegten Kohl aus ihrem Garten für mich, dazu Paprika-Pulver aus eigener Herstellung. In Bulgarien wird viel mehr Kohl gegessen als in Deutschland, beispielsweise mit Schweinefleisch, insbesondere im Winter. Eigentlich müssten die Bulgaren „The Krauts“ genannt werden und nicht die Deutschen. Damit das „swinsko s sele“, also das Schweinefleisch mit Kohl, schön rot wird, dazu braucht man Paprika, auf Bulgarisch „tsheren piper“ (Roter Pfeffer) – besser zu viel als zu wenig. Ich selbst habe auch Kohl eingelegt. Da ich aber zu viel Salz rangemacht habe, ist er zu salzig geworden. Außerdem habe ich ein verkehrtes Gefäß genommen. Ich verfüge aber auch über kein anderes. Verkehrt deswegen, weil die Öffnung zu klein ist, weswegen ich den Kohl kleinmachen musste, damit er reinpasst, was man aber nicht macht in Bulgarien. Den Kohl hat mir Baba Bore zu Sicherheit, damit nichts rausläuft, in zwei Plastiktüten gepackt, wovon eine, wie mir später aufgefallen ist, die Nationalfarben Bulgariens aufweist: Weiß, Grün und Rot. Zu Baba Bores und zu meiner Entschuldigung kann ich sagen, dass das purer Zufall ist, zumindest von unserer Seite. Wir, also Baba Bore und ich, sind weder Nazis, noch Aluhüte und auch keine Rechten, Schwurbler, Leugner, Nationalisten oder gar Ultranationalisten und was es da noch so alles gibt. Ich betone das, weil ich auf deutsch und für ein deutsches Publikum schreibe, und weil es diese Begriffe, auch das erwähnte ich bereits mehrfach, zum Glück in der bulgarischen Sprache nicht gibt, weswegen ich mir hier, schriebe ich auf bulgarisch, diesen Hinweis sparen könnte.

Paprika-Pulver aus eigener Herstellung

Fotos&Text TaxiBerlin

“Das Manuskript”

Fahrendes Taxi Höhe Taxihalte an der “Potse”
Potsdamer Ecke Lützowstraße

Nicht nur in Hamburg werde ich publiziert, sondern auch in Wien. Dort ganz legal und sogar mit einem Foto von mir. Mein Text auf der Wiener “Laienbühne” trägt den Titel “Das Manuskript” und wurde heute zusammen mit meinem Beitrag “TaxiBerlin aus SpiegelOnline” veröffentlicht. Ich selbst bin in Bulgarien und sitze gerade in der Kneipe von meinem Kmet, so heißt Bürgermeister auf Bulgarisch, wo wir gemeinsam unerfreuliche Nachrichten schauen. Den ersten Gemeinden im Land wurde der Strom abgedreht, weil sie ihn nicht bezahlen können. Unser Ort gehört nicht dazu, weswegen hier noch der Fernseher läuft. Auch warm ist ist es in der Kneipe von meinem Kmet, dem Bürgermeister, was keine Selbstverständlichkeit ist in Bulgarien. Die Gaspreise schießen durch die Decke und demnächst wird man wohl manch einem den Gashahn abdrehen. Genug Material also für einen neuen Text, für ein neues “Manuskript”.

Foto&Text TaxiBerlin

TaxiBerlin auf SpiegelOnline

Mein Text auf SPON

Meine Texte sind neuerdings auch auf SpiegelOnline zu finden, was mich sehr freut, weil damit ein Traum für mich in Erfüllung geht. Jetzt im Ernst. Es gab wirklich einmal eine Zeit, da hätte ich mich geehrt gefühlt, vom Spiegel gedruckt zu werden. Gut, dass der Spiegel mich heute nicht als Urheber angibt, und ich dementsprechend auch keine Kohle bekomme, das ist nicht in Ordnung. Vor allem, weil sie in Hamburg gerade erst einiges von Uncle Bill aus Amerika rübergeschoben bekommen haben. So sind sie, die Reichen, halten ihr Geld zusammen oder investieren es nur, so wie Uncle Bill, wenn am Ende sicher etwas für sie herauskommt. Aber: „Nicht alles ist Geld!“, wie man in Bulgarien sagt. Mein Spiegel-Beitrag ist auch nicht komplett, das muss man dazu sagen, sondern nur eine Vorschau oder ein „Teaser“, wie man auf Amerikanisch sagt. Den kompletten Artikel mit dem Titel „Bulgarien – die große Freiheit“ findet man auf Multipolar, wo er besser aufgehoben ist als beim Spiegel. Ich habe keinen Grund mich zu beklagen, ganz im Gegenteil. Auch ohne Geld vom Spiegel und selbst nach Monaten im ärmsten Land Europas bin ich immer noch guter Dinge. Genau genommen geht es mir besser, als es mir in Berlin jemals ging, sieht man von einer kurzen Zeit Anfang der Neunziger ab, in der das Lebensgefühl in der Stadt „Alles ist möglich“ war, so wie jetzt in Bulgarien. Eines möchte ich im Zusammenhang mit meiner Veröffentlichung im Spiegel noch richtig stellen: Ich bin nicht bei Telegramm! Ich hab noch nicht mal ein Smartphone, und das stand sogar schon in der Berliner Zeitung! Auch der Satz ganz am Ende links unten, dass Menschen in Zeiten des Krieges immer geflohen sind, ist nicht von mir. Obwohl er natürlich stimmt, sowohl jetzt im „Krieg gegen Corona“, als auch früher. Ich vermute, es ist ein Zitat aus einer früheren Kriegszeit, ich tippe auf “Transit” von Anna Seghers. Eine schlechte Nachricht gibt es aktuell doch noch zu berichten. Der im meinen Text beinhaltenden Spiegel-Artikel, den es übrigens als Bezahl-Beitrag auch auf Deutsch gibt, vorkommende Dirk Gelbrecht ist vor wenigen Tagen in Bulgarien verstorben -, aber nicht an Corona, wie mir eine freundliche Frau vom Schwarzen Meer, die ihn persönlich kannte, gestern am Telefon, ein Handy habe ich, versichert hat. Woran er genau verstorben ist, wird man wohl nie herausfinden, denn er wurde bereits beigesetzt. Dirk Gelbrecht war in meinen Alter, Mitte Fünfzig.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (31)

 

“There’s a growing feeling of Hysteria – In Europe and in America”

Das Bulgarische Nationalradio “Christo Botew” berichtet mehrmals täglich ausführlich über die weltweiten Corona-Proteste, beispielsweise dem “March Of Freedom” in Kanada, aber auch über Demonstrationen in Deutschland. Die deutschen Demonstranten werden Protestierende genannt, deren Protest sich gegen die Corona-Maßnahmen und gegen eine mögliche allgemeine Impfpflicht richtet. Weiter erfahre ich vom Bulgarischen Nationalradio, dass von den Demonstrierenden Schilder getragen und Losungen skandiert werden wie: “Lauterbach ist gefährlicher als das Virus”.

Kein “Aluhut”, kein “Coronaleugner”, kein “Covididiot”, kein “Nazi”, kein “Rechter”, kein “Verschwörungsatheoretiker” und auch kein “Schwurbler” kommt in dem Bericht vor, noch nicht einmal „Impfgegner“, obwohl es dieser, im Gegensatz zu allen vorherigen Wörtern, auch ins Bulgarische geschafft hat. Er heißt “Antivakziner” -, das Wort wird aber nur umgangssprachlich verwendet, und ist auch hier ein Falschwort. Der richtige Begriff ist Impfpflichtgegner oder genauer: Eine einer allgemeinen Impfpflicht ablehnend gegenüberstehende Person.

Nach dem Bericht aus Deutschland wird eine bulgarische Professorin interviewt, die sich mit Viren auskennt. Sie geht davon aus, dass mit Omikron, das zwar ansteckender, aber kaum krankmachend ist, Corona vorbei ist. Das deckt sich mit dem, was Klaus Schwab in seinem im Winter und Frühjahr 2020 verfassten Buch „Covid-19: Der große Umbruch“ vorhergesagt hat. Der Chef des Weltwirtschaftsforums schreibt dort, „dass uns die Pandemie zwei Jahre erhalten bleibt.“ Er beruft sich dabei auf Experten, er selbst ist ja keiner. Dass das jetzt selbst von einer bulgarischen Professorin, die sich mit Viren auskennt, bestätigt wird, ist also keine Überraschung, sondern nur folgerichtig.

Warum „Es geht um Leben und Tod“ Lauterbach trotzdem weiterhin Angst und Panik verbreitet und auch an einer allgemeinen Impfpflicht festhält, das habe ich mich lange gefragt.  Ausgerechnet in Orwells “1984” glaube ich die Antwort darauf gefunden zu haben. Im zweiten Teil des Buches, das den meisten wegen seinem “Big Brother”, dem “Ministerium für Wahrheit”, der “Gedankenpolizei” und dem “Neusprech” bekannt ist, liest Winston seiner Geliebten Julia folgenden Satz aus Emmanuel Goldsteins “Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus” vor: “Soll die Gleichheit der Menschen für immer verhindert werden – sollen die Oberen ihre Stellung dauerhaft behaupten -, dann muss der vorherrschende Geisteszustand kontrollierter Wahnsinn sein.”

Die Demonstrationen in Deutschland, und dieser Hinweis fehlt beim Bulgarischen Nationalradio, deren Zahl und Teilnehmer stetig zunimmt, richten sich also nicht nur gegen die Corona-Maßnahmen und eine mögliche allgemeine Impflicht, sondern an erster Stelle gegen den “kontrollierten Wahnsinn”, wie Orwell es nennt, der jeden Tag aufs Neue von Akteuren wie Olaf Scholz und Karl Lauterbach verbreitet werden.

Offen ist weiterhin, was nach Corona kommt. Diese Frage wurde weder von Klaus Schwab, noch von der bulgarischen Professorin beantwortet. Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten, auch hier den „kontrollierten Wahnsinn“ fortzusetzen. Entweder ein neues Virus, oder zumindest eine neue Variante, oder ein neuer Krieg. Ein neuer Krieg deswegen, weil wir uns aktuell noch in dem gegen Corona befinden. Ich persönlich tippe auf einen neuen Krieg, denn Corona ist schon zu ausgelutscht. Selbst die überzeugtesten unter den Zeugen Coronas können Corona nicht mehr hören.

Ohne mich zu sehr aus dem Fenster lehnen zu wollen, halte ich einen Krieg gegen Russland gegenwärtig für das wahrscheinlichste Szenario. Nach dem Krieg gegen ein winzig kleines Virus nun also der gegen das größte Land auf dem Planeten. Im Moment will mir Stings Song “Russians” nicht mehr aus dem Kopf gehen. Der “kontrollierte Wahnsinn” wird dort “a growing feeling of Hysteria” genannt. Die wichtigste Zeile in dem Lied lautet: “What might save us me and you is that the Russians love their children too”.

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Bericht aus Bulgarien (30)

Seltener Anblick vor allgegenwärtigem Rost

Gestern Abend habe ich mir den Film „Wonderland“ angesehen. Die DVD war im besten Buchladen Montanas, der gleichzeitig der beste der gesamten Region ist, für 1,99 Lewa (ein Euro) im Angebot. In dem Film aus Hollywood spielt Val Kilmer einen Pornostar, der mit 14.000 Frauen geschlafen hat. Da der Film auf einer wahren Begebenheit beruht, gehe ich davon aus, dass die Angabe stimmt.

In Bulgarien hätte John Holms alias Val Kilmer schlechte Karten, aber nicht nur er. Auch für Boris Pasternak wäre das kleine Land sehr am Rand ein schlechtes Pflaster, um seine „Lolita“ zu schreiben. Und selbst mein Freund, der mir neulich schrieb, weil er es wegen Corona gerade schwer hat fremd zu gehen, ist hier nicht gut aufgehoben.

Mit den bulgarischen Mädels verhält es sich nämlich wie mit den bulgarischen Maistors. Sie sind in aller Regel im Ausland, die meisten von ihnen in Deutschland. Die wenigen im Land verbliebenen Profis weisen in ihrem Angebot im Normalfall explizit darauf hin, dass sie Profis sind. Dementsprechend ist ihr Preis, der sich kaum von dem südosteuropäischer Arbeiter in Berlin unterscheidet.

Aber nicht nur Profis und Maistors haben Bulgarien verlassen, sondern an erster Stelle junge und schöne Menschen. Im Land verblieben sind vor allem Frustrierte und Hoffnungslose, ewig Rauchende und dauernd Trinkende, also Menschen, die alles andere als schön sind, weder innerlich, noch äußerlich, zumindest nicht auf den ersten Blick. Bei den Frauen sind das die verbrauchten, vom Leben gezeichneten. Von den Männern gar nicht zu reden. Nirgendwo sieht man mehr schlecht gekleidete und sich selbst vernachlässigende männliche Exemplare der menschlichen Spezies als in Bulgarien.

Etwas, was man über John Holms alias Val Kilmer und Boris Pasternak nicht sagen kann, und auch nicht über meinen Freund. Der scheint meinen Rat, mit seiner Frau über sein Bedürfnis zu sprechen, befolgt zu haben. Immerhin schreibt er, dass er „sehr viel über alles mögliche“ mit ihr redet. Das ist jetzt zwei Wochen her, seitdem hat er sich nicht mehr gemeldet. Offenbar ist bei ihm, im Gegensatz zu hier, alles in Ordnung.

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Bericht aus Bulgarien (29)

DM: Notausgang zur Gesundheit

Den deutschen Drogeriemarkt DM gibt es auch in Bulgarien. Ich gehe gerne in eine DM-Filiale, denn hier ist die Welt noch in Ordnung, im Gegensatz zum Rest des Landes. In ihnen ist es sauber, die Gänge sind breit, sonst eher unüblich im Land, und es gibt genug Personal, so weit ich das beurteilen kann. Auch in Bulgarien wirbt man mit dem aus Goethes “Faust” geklautem Zitat “Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein”, auf Bulgarisch “Tuk sym tshovek, tuk pasaruvam”. Ich kaufe nichts bei DM, verlasse den Laden dafür aber regelmäßig über den Notausgang, denn der führt laut Eigenwerbung direkt zur Gesundheit.

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Bericht aus Bulgarien (28)

Bulgarisches Abendbrot
Gestern war ich wieder bei meinem Bürgermeister zum Abendbrot eingeladen. Brot spielt auch beim Bulgaren eine große Rolle, allerdings Weißbrot, und das nicht nur zum Abendbrot. Dazu gab es hartgekochte Eier, eingelegte Paprika und Käse aus der Käserei im Nachbarstädtchen, dessen Eigentümer mein Bürger natürlich (auch) kennt. Dass ich in seiner Kneipe einmal mehr zu Abend gegessen habe, diesmal mit ihm zusammen, das auf dem Foto ist seine Hand, war purer Zufall. Ich hatte erneut etwas im Internet zu erledigen, das es in der Kneipe von meinem Bürgermeister gibt. Außerdem wollte ich mal wieder Nachrichten sehen. Dazu muss man wissen, dass es in der Kneipe von meinem Bürgermeister neben dem Internet auch einen Fernseher gibt, der permanent läuft. Aus diesem mussten wir gestern nun erfahren, dass in den Elektro-Bussen der bulgarischen Hauptstadt Sofia Temperaturen von sechs Grad herrschen – immerhin Plus.  Dass es in den Bussen der Hauptstadt teilweise kälter ist als draußen, liegt daran, dass man hierzulande auch bei den Verkehrsbetrieben Strom sparen muss. Einige Ortschaften im Südosten des Landes bekommen nur noch temporär Strom, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können. Die Strom-Preise haben sich in den letzten Wochen verdreifacht, auch Gas ist um einiges teurer geworden. Trotzdem ist meinem Bürgermeister und mir (noch) nicht das Brot im Hals stecken geblieben, denn seine Kneipe, in der es wieder angenehm warm war, wird mit Holz beheizt, so wie mein Wohnzimmer, dem einzigen warm Raum in meiner Hütte. Verlasse ich mein Wohnzimmer, ist es bei mir genauso kalt wie in einem Elektro-Bus der bulgarischen Hauptstadt.
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Bericht aus Bulgarien (27)

Das Material ist schon da, aber noch nicht bezahlt

Immer wenn ich meinen Bürgermeister sehe, und ich sehe ihn praktisch jeden Tag, überlegt er, wann er kommt, um eine Überdachung für die Eingangstür zu meiner Hütte zu bauen. Im Moment ist es zwar zu kalt dafür, aber wenn es demnächst ein paar wärmere Tage geben sollte, würde er wohl anfangen mit den Arbeiten. Dass ausgerechnet mein Bürgermeister für mich arbeiten will und auch muss, liegt daran, dass alle anderen Maistors aus unserem Dorf in Deutschland sind. Außerdem habe ich meinem Bürgermeister im letzten Jahr geholfen, eine Überdachung für seinen neuen Balkon zu bauen. Bei seinem Balkon habe ich ihm auch geholfen, fällt mir gerade ein. Unser Deal ist deswegen, dass ich ihm nur das Material bezahle, das er bereits für mich gekauft und auch bezahlt hat. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass er praktisch jeden Tag an meine Überdachung denkt, wofür ich ihm noch das Material bezahlen muss. Mein Bürgermeister hat im vorletzten Jahr schon viel für mich gearbeitet. Bezahlt habe ich ihn immer am Ende, wenn alles erledigt war, was in Bulgarien eher ungewöhnlich ist. Aber da mein Bürgermeister und ich auch Freunde sind, vertrauen wir einander. Dazu muss man wissen, dass ich ihn seit 20 Jahren kenne, damals war er noch kein Bürgermeister.  Mein Bürgermeister vertraut mir, auch wenn er manchmal ein bisschen genervt ist von mir, weil ich von ihm erwarte, dass er wie in Deutschland, also „Made in Germany“, arbeitet, wo er noch nie war. Mein Bürgermeister hat mich deswegen sogar schon mal „prätentiös“ genannt. Daraufhin habe ich ihm erklärt, dass ich nicht „prätentiös“ sondern „sensitiv“ bin, so wie er, denn sein Sternzeichen ist der Krebs, der bei mir im Aszendent ist. Seither ist meinem Bürgermeister der Unterschied zwischen „prätentiös“ und „sensitiv“ klar. Auch wenn mein Bürgermeister diesmal kein Geld für seine Arbeit haben will, weil ich wie erwähnt für ihn gearbeitet habe, wird er am Ende mehr Geld von mir bekommen als in der Vergangenheit. Das steht jetzt schon fest. Der Grund dafür ist, dass die Preise fürs Material sich seither verdoppelt haben, auch in Bulgarien. Möglicherweise ärgert sich mein Bürgermeister, aber nicht, dass er praktisch umsonst für mich arbeiten soll, sondern dass er nicht schon im vorletzten Jahr seinen Balkon gebaut hat, als er mir meinen samt Überdachung gebaut hat. Andererseits wäre er ohne meinen Balkon möglicherweise gar nicht auf die Idee gekommen, sich selbst einen bauen zu wollen. Die Wahrheit ist nämlich, dass sich mein Bürgermeister in meinen Balkon verliebt hat und erst deswegen überhaupt auf die Idee gekommen ist, auch für sich einen Balkon zu bauen. Wahr ist auch, dass mein Bürgermeister nicht nachtragend ist. Und wie sollte er auch, ausgerechnet auf mich, seinem Arbeit- und Ideengeber.

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Bericht aus Bulgarien (26)

Kohl mit scharfer Paprika und Brot

Es ist sechs Uhr morgens. Die Kälte treibt mich aus dem Bett, aber nicht nur sie. Ich bin auch ausgeschlafen. In der Hütte sind acht Grad oder so. Ich mache erstmal Feuer. Dabei höre ich Nachrichten. Das übliche: Eine neuer Krieg steht vor der Tür, diesmal nicht gegen einen Virus, sondern gegen Russland. Ich mache Kaffee, um wach zu werden. Irgendwie geht mir der Song: „Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ nicht aus dem Kopf. War glaube in den Achtzigern von Billy Joel, wenn ich mich recht erinnere.

Nachdem ich einige Seiten von Kafkas „Prozess“ gelesen und auch was geschrieben habe, fahre ich runter ins Dorf. Der unbefestigte Weg ist geräumt, so dass es sich auf ihm jetzt, wo der Schnee alle Löcher gefüllt hat, besser fährt als zuvor. Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu schnell werde auf dieser Sprungschanze runter ins Dorf. Irgendetwas quietscht vorne unter der Motorhaube. Der Keilriemen ist es aber nicht. Vermutlich die Hydraulik von der Lenkung. Das muss jetzt warten. Zu kalt.

In der Dorfkneipe mache ich Internet und trinke einen „Dylgo“ dazu, einen „Verlängerten Kaffee“. Mein Bürgermeister, dem die Kneipe gehört, kommt und fragt, ob ich genug Holz zum Heizen habe, was ich bejahe. Er hat mich das schon tausendmal gefragt. Er kümmert sich um seine Leute und macht sich offensichtlich Sorgen um seinen Einwohner „Rumen Germanetz“. Vor allem will er nicht, dass ich was schlechtes über ihn und sein Dorf sage oder schreibe, weil es für ihn „Das Paradies auf Erden“ ist. Das sagt er wirklich – und ich auch. Bei einem solchen Bürgermeister.

Kaum ist der Kmet weg, so heißt Bürgermeister auf Bulgarisch, ist auch das Internet weg. Stromausfall. Ich kaufe noch zwei Liter frische Milch, die ich vor dem Verzehr abkochen muss, für drei Lewa (1,50 Euro) in der Kneipe vom Kmet und fahre ins fünf Kilometer entfernte Nachbarstädtchen, um weiter im Internet zu arbeiten. Ins Café „Vegas“, mein Stamm-Café, komme ich ohne auch Grünen Pass rein. Ich bestelle wieder einen „Dylgo“. Heute bedient nicht die dralle Blonde, sondern ihre Mutter. Ist auch OK.

Nach dem „Vegas“ muss ich zum „Bjuro po truda“, dem hiesigen Arbeitsamt, um mich abzumelden. Auf dem Weg dahin komme ich am Basar vorbei, wo es heute wegen der Kälte nur einen einzigen Stand gibt, und der hat jetzt einen Kunden: mich! Der Ledergürtel würde 100 Jahre halten, so der Verkäufer. Das ist mir zu lange. Die großen Glocken für die Schafe sind schön und hören sich auch toll an, sind aber nicht ganz billig: 60 bzw. 80 Lewa (30 bzw. 40 Euro). Für mich gäbe es Rabatt. Leide habe ich kein Schafe. Woher ich komme? Von hier! Der Mann versteht Spaß. Muss er auch.

Jetzt weiter zum Arbeitsamt, ohne Gürtel und ohne Glocken. Die Tür des Büros lässt sich nicht verschließen, weil die Tür kein Schloss hat. Tolles Arbeitsamt! Ich melde mich besser ab. Arbeit haben sie eh keine und Geld auch nicht. Ich hatte mich auch nur angemeldet, weil das Amt in Berlin das so wollte. Seit November bin ich da raus, also kann ich mich auch hier abmelden. Zweimal unterschreiben – fertig.

Zurück in meiner Hütte lege ich mich erstmal hin. Die Kälte draußen zerrt an den Kräften. Trotzdem mache ich kein Feuer, denn die Sonne scheint, und immer wenn die Sonne scheint, brauche ich kein Feuer machen, weil meine Hütte extra große Fenster für die Sonne hat. Ich liege im Bett und lese Kafka, der irgendwie nervt. Ich meine, der Mann ist gut, aber irgendwie nervt er mich auch. Vermutlich weil er so gut ist.

Nach einem kurzen Nickerchen und einem Telefonat mit der Heimat gehe ich nochmal runter ins Dorf, diesmal zu Fuß. Dazu nehme ich mein Sitzkissen und die Taschenlampe mit, weil es später, wenn ich zurück komme, dunkel ist. Das Sitzkissen brauche für den Fall, dass mein Bürgermeister nicht da ist, so wie jetzt, aber seine Kneipe ist trotzdem offen, so dass das Sitzkissen doch nicht zum Einsatz kommt. Die Frau, die nebenan ihren kleinen Laden hat, kümmert sich auch um die Lokalität vom Bürgermeister. Ich bin ganz alleine in seiner Kneipe, in der es schön warm ist, wo aber auch der Fernseher läuft, irgendeine nicht enden wollende türkische Familien-Soap, in der alle irgendwelche Luxusprobleme haben. Danach geht’s mit Nachrichten voller Nicht-Informationen weiter.

Ich bin nochmal im Internet, was ich sonst nicht mache, aber heute warte auf eine e-mail. Ich habe im Internet ein Buch gekauft, und während ich dieses online „in Echtzeit“ bezahle, kommt mein Bürgermeister und fragt, ob ich schon etwas gegessen habe, er hat „Sele“ (Kohl) übrig, den ihm eine Alte aus dem Dorf gebracht hat. Er hat schon gegessen, und so esse ich alleine den Rest „Sele“, der sehr lecker ist. So wie früher bei meiner Tante auf ihrem Dorf irgendwo in der Pampa. Die scharfe Paprika, die mein Bürgermeister dazugelegt hat zum „Sele“, ist so scharf, dass ich erstmal eine Cola von ihm trinken muss, und dann noch eine. Am Ende hilft nur das Brot aus Mais gegen das Brennen in der Magengrube. Was mich nicht umbringt, macht mich … weise – genau!

Ich sage meinem Bürgermeister, dass ich mich beim hiesigen Arbeitsamt abgemeldet habe. Er hatte mich damals, Ende Mai letzten Jahres, hinbegleitet und mich den Damen dort als „DEN jungen Mann“ aus seinem Dorf vorgestellt, mich regelrecht eingeführt. Arbeit hatten die aber trotzdem nicht für mich. Jetzt, nachdem ich mich offiziell bei den Damen abgemeldet habe, überlegt mein Bürgermeister, ob ich nicht eine Art Dorf-Taxi machen kann, was ich gerne machen würde. Aber die Alten im Dorf haben kaum Geld, ihre Arzneimittel zu bezahlen, geschweige denn ein Taxi. Immerhin, mein Bürgermeister sorgt sich um mich. Ich kann also nichts schlechtes über ihn sagen, im Gegenteil, und auch nicht über sein Dorf. Wie sollte ich auch? Ist ja jetzt auch mein Dorf!

PS: Mein Freund „Jerry, the German“ sagt immer: „Don’t trust the major!“ – Jerry wohnt aber in einem anderen Dorf.

PPS: Bisher bester Satz aus Kafka seinen „Prozeß“: „K. lebte doch in einem Rechtsstaat, überall herrschte Friede, alle Gesetze bestanden aufrecht, wer wagte ihn in seiner Wohnung zu überfallen?“

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (25)

In den Schluchten des Balkans

Es ist kalt geworden in Bulgarien. In meinem Dorf ist kaum noch jemand auf der Straße. Sitzen alle zu hause an ihrem Ofen. Sind ja alles alte Leute hier. Auch ich sitze viel vor meinem Ofen. Bin ja auch nicht mehr der jüngste. Wenn ich nicht vor meinem Ofen sitze, schippe ich Schnee, bringe Holz in die Hütte und schaue im Keller nach, ob mir die Leitungen schon eingefroren sind. Vor allem deswegen, damit das nicht passiert, heize ich. Ich entwickle mich immer mehr zu einem wechselwarmen Tier, dem die Kälte nichts ausmacht. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich, auch nicht in Bulgarien. Es kommt hier aber öfters vor, als man denkt. Und zwar bei denen, die kein Holz mehr zum Heizen haben. So schlimm ist es bei mir noch nicht. Noch habe ich etwas Holz vor der Hütte, aber es ist schon viel weniger geworden, weswegen ich wie gesagt eigentlich nur noch wegen den Leitungen heize, damit sie mir nicht einfrieren.

Foto&Text TaxiBerlin