Meanwhile in Germany (010)

In meiner Straße in meinem Berliner Kiez

Ich sage es schon lange. Jetzt steht es auch in der Zeitung, also in der Berliner Zeitung. Berlin ist teuer, aber angeblich immer noch sexy. Einst war Berlin dafür bekannt, “arm aber sexy” zu sein. Teuer ist Berlin schon einige Zeit. Ich beispielsweise kann mir Berlin nicht mehr leisten. Und so wie mir geht es so einigen. Warum Berlin immer noch sexy sein soll, wie die Berliner Zeitung behauptet, erschließt sich mir nicht. Für mich ist Berlin völlig unspannend und komplett unsexy. Darüber hinaus scheint Berlin die Hauptstadt der Onanisten geworden zu sein. Immerhin, das Berliner Kultur-Prekariat fordert dazu auf in den Streik zu gehen und Berlin zu verlassen. Wobei ich mich frage: Ja, was denn nun? Streiken oder Abhauen? Das ist mal wieder typisch für die vielen Als-Ob-Persönlichkeiten, die Berlin bevölkern. Vermutlich ist es einmal mehr wieder nicht ernst gemeint, sondern witzig. Das Komische ist nur: Ich kann gar nicht lachen.

Foto&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (016)

Wildgemüse Xorta bzw. Chorta 

In Griechenland ist heute Ostersonntag, genauso in Bulgarien. Ostern ist das bedeutendste Fest bei den Orthodoxen. Im Gegensatz zu Deutschland, da ist es Weihnachten. Heute endet hier die Fastenzeit. Traditionell wird dann Lamm gegessen. Fisch wird weniger gegessen. Zumindest weniger, als ich gedacht hatte. Der Grund: das Meer ist leer gefischt. Dafür ist es die Saison von obigem wilden Grünzeug. Es heißt Xorta bzw. Chorta. Es wird kurz, aber wirklich nur ganz kurz, aufgekocht. Vielleicht 30 Sekunden, ansonsten wird es braun. Dann kommt Salz, Olivenöl und etwas Zitrone ran. Und dann isst man es. Xorta bzw. Chorta ist nicht nur lecker, sondern gibt auch Kraft. Deswegen gibt es keine Muckibuden hier. Xorta bzw. Chorta ist besser als jede Muckibude. Ich kann das aus eigener Erfahrung nur jedem empfehlen, denn ich bin auch mal in eine Muckibude gegangen. In solchen Muckibuden laufen ganz komische Gestalten herum, insbesondere in Berlin, weswegen ich am Ende nur noch in die Sauna von der Muckibude gegangen bin. Da waren dann auch Frauen, die man aber nicht anschauen durfte. Ganz komisch, so eine Muckibude. Kraft hat mir auch die Sauna nicht gebracht, sondern genau das Gegenteil. Irgendwann bin ich dann einfach nicht mehr in die Muckibude gegangen, ohne dass ich gewusst hätte, wo ich das finden könnte, wonach ich gesucht hatte. Dazu musste ich Berlin erst verlassen.

Foto&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (015)

Obwohl noch Vorsaison ist, sind schon einige Touristen auf Kreta unterwegs. Für meinen Geschmack auf jeden Fall zu viele. Darunter sehr viele Deutsche. Die ausgebrannten und ausgelaugten Landsleute sind seit Corona besonders ruhebedürftig. Und so auch ich. Ich bin ja selbst nur Tourist, und zwar ein besonders lärmempfindlicher. Vielleicht fühle ich mich deswegen von den geräuschlosen Mitteilungen angesprochen, die offensichtlich für Touristen gedacht sind. Immerhin sind sie auf englisch und nicht auf griechisch. So wie es aussieht, gibt es hier Anarchisten, die etwas gegen die NATO haben. Gut, das ist nicht neu. Das gibt es auch anderswo, beispielsweise in Bulgarien. Nur Deutschland macht da mal wieder eine Ausnahme, geht den deutschen Sonderweg. In der Heimat gehören Anarchisten, so weit es sie überhaupt noch gibt, zu den Linken Linken, also zu den nützlichen Idioten der Techno-Feudalkapitalistischen-Kaste. Zumindest ist das meine Beobachtung. Doch zurück zu Kreta und Griechenland, wo Touristen direkt dazu aufgefordert werden, einen NATO Soldaten als Souvenir mit nach Hause zu nehmen. In den entsprechenden Geschäften ist Covid-19 auch garantiert tot. Also wenn das kein Grund ist, nach Griechenland zu kommen, dann weiß ich auch nicht.

Fotos&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (014)

Seit gestern sind wir in Klima, genauer in der “Villa Klima”. Um es gleich am Anfang zu sagen: dem Klima geht es gut. Man sorgt sich in Klima nicht um das Klima. Dass das Klima sich verändert wie das Wetter, ist in Klima ein alter Hut. Niemand in Klima will also das Klima retten. Irgendwelche Klimaretter sind auch noch nicht in Klima gesichtet worden. Überhaupt scheint es ein deutsches Phänomen zu sein, ständig irgendetwas retten zu müssen. Aus eigener Erfahrung als Krankenpfleger weiß ich, dass helfende Berufe ein sicheres Anzeichen dafür sind, dass man sich selbst nicht helfen kann. Oder mit anderen Worten: Krankenpfleger respektive Krankenschwester ist kein Beruf, sondern eine Diagnose. Es wurden auch schon Bücher darüber geschrieben, beispielsweise “Hilflose Helfer”. Dass man in der Heimat immer ein Mündel braucht, um das man sich kümmern kann, sagt mehr über den Helfenden aus als über den, der vermeintlich Hilfe braucht. Der Helfende ist praktisch abhängig von seinem Mündel, besser: dem, was er dafür erklärt. Eine Zeit lang kann es ganz nett sein, wenn sich jemand um einen kümmert. Auf Dauer ist es aber nur nervig. Am Ende passiert es regelmäßig, dass sich der Helfende gegen sein Mündel auflehnt. Weil das Mündel nicht so will, wie er will. Das ist das Kommende. Wenn das Klima nicht so will, wie der Deutsche will, dann soll es doch zusehen, wo es bleibt. In Klima halt.
Foto&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (013)

Das Grab von Mikis Theodorakis in Galatas auf Kreta
Heute waren wir am Grab von Mikis Theodorakis. Wir hatten das nicht geplant, es hat sich so ergeben. Sein Grab ist in Galatas auf Kreta, von wo seine Familie kommt. Das Grab ist ganz einfach. Auf dem Grabstein steht nur sein Name, neben dem Grab ein Orangenbaum. Theodorakis ist 96 Jahre alt geworden. Als er 2021 starb, gab es in Griechenland drei Tage Staatstrauer. Theodorakis war ein großer Mensch, auch körperlich. Er war 1,95 Meter groß. Ich habe ihn 1983 in der Ost-Berliner Werner-Seelenbinder-Halle gesehen. Anfangs war es komisch, ihn eine Band von vier oder fünf Musikern dirigieren zu sehen. Erst sang Maria Farantouri, danach Petros Pandis. Später griff er selbst zum Mikrofon. Das war der Wahnsinn. Er so groß, und seine Stimme so zerbrechlich. Bis heute ist “Theodorakis Sings Theodorakis”, aufgenommen 1991 in Deutschland, eine meiner Lieblingsplatten.
Foto&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (012)

Es gab einmal eine Zeit, es ist schon einige Jahre her, da wurden in der Heimat richtig gute Reportagen wie die obige gemacht. Sie berichtet über ein Konzert von Mikis Theodorakis in einem Athener Stadion. Ich komme auf Mikis Theodorakis, weil ich gestern an dem Ort war, wo die Abschlussszene von “Alexis Sorbas” gedreht wurde, zu der er die Musik geschrieben hat. Mikis Theodorakis hat auch Konzerte in Ost-Berlin gegeben, beispielsweise vor der Volksbühne. Ich habe ihn kurz zuvor in der Werner-Seelenbinder-Halle gesehen und gehört gehabt. Seine wunderbare Sängerin Maria Farantouri, die auch in obigem Konzertmitschnitt auftaucht, war ebenfalls dabei gewesen. Das obige Video ist mehr als nur ein Konzertmitschnitt. Es ist auch das Ende einer Diktatur in Griechenland, die sieben Jahre andauerte und erst vor 50 Jahren zu Ende ging. Es lohnt sich, den Antworten der Zuschauer des Konzerts genau zuzuhören, denn sie haben die Diktatur am eigenen Leibe miterlebt. Theodorakis war im französischen Exil, war aber zuvor mehrfach im Gefängnis, wo er auch gefoltert wurde. Hier einer Auswahl der Zuschauerstimmen: “Ich kann nichts Neues sagen. Es ist doch allen bekannt, dass die Freiheiten des Menschen unterdrückt wurden. Wir konnten nicht frei reden, uns nicht frei ausdrücken. Fast vor jedem hatten wir Angst …” (7:10). Und dies hier: “Die Diktatur ist überall gleich. Die Erniedrigung, die unser Volk in den sieben Jahren erlitten hat, …, diese Erniedrigung ist die schlimmste Erfahrung für ein Volk. Deswegen wünsche ich, dass kein anderes Volk das jemals wieder erlebt.” (7:40)
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Meanwhile in Germany (009)

Gestern hatte ich Gelegenheit mit Griechen über das zu sprechen, was gerade in Deutschland passiert. Dabei fielen Worte wie “Wahnsinn”, “irrsinnig” und “verrückt”. Eine Schriftstellerin und Lehrerin meinte, sie sei kein Anhänger von Yanis Varoufakis, den sie kürzlich persönlich kennengelernt hat, aber was die Deutschen mit ihm veranstalten, das sei “Faschismus”. Wer es nicht mitbekommen hat: Deutschland hat dem ehemaligen griechischen Finanzminister Auftritte im Internet verboten. Ein Hinweis darauf, wo man in der Heimat gelandet ist, allen voran in Berlin, der Zentrale des deutschen Irrenhauses. In dem Zusammenhang kam die Schriftstellerin und Lehrerin auf obiges aktuelle Gespräch zwischen Yanis Varoufakis und Naomi Klein zu sprechen. In ihrem Bestseller “Die Schock-Strategie” hat Naomi Klein alles beschrieben, was in den letzten Jahren geschehen ist, angefangen von der Massenmigration über Corona bis hin zu den aktuellen Kriegen. Die Schriftstellerin und Lehrerin hier in Griechenland zitierte sinngemäß genau die Aussagen von Naomi Klein, die sich auch bei mir eingeprägt hatten: Die Deutschen sind schlechte Schüler, die zwar gelernt haben Regeln zu befolgen, aber nicht gelernt haben, diese auch kritisch zu hinterfragen. Corona war das beste Beispiel dafür, deswegen will man Corona auch nicht aufarbeiten. Denn dann müsste man sich selber kritisch hinterfragen. Lieber zieht man in den nächsten totalen Krieg, selbst wenn dieser der letzte ist: “Führer befiel, wie folgen Dir!”
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Meanwhile in Germany (009)

In der Heimat will man von der Aufarbeitung der Corona-Zeit immer noch nichts wissen. SPD, Grüne und CDU sprachen sich gegen eine Enquete-Kommission aus. Die FDP immerhin dafür. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bedankte sich hingegen bei Multipolar für das Freiklagen der Protokolle. Darüber hinaus fordert das BSW eine Rehabilitierung derjenigen Bürger, die gegen Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen verstoßen hatten. Hier sei eine „Generalamnestie notwendig, besser noch: wie in Slowenien eine Rückzahlung der Bußgelder“. Das geeignete Mittel für eine Aufarbeitung ist für das BSW ein Untersuchungsausschuss. Dahingegen äußerten sich Vertreter der Gruppe Die Linke, aus der das Bündnis Sahra Wagenknecht hervorgegangen war, gar nicht zum Antrag zur Aufarbeitung der Corona-Zeit, der von der AfD eingebracht worden war.

Foto&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (011)

Es ist sehr windig auf Kreta. Nicht nur jetzt in der Vorsaison soll es windig sein, sondern generell. So wurde es uns gesagt. Der Wind kann nicht nur Ziegen die Haare zu Berge stehen lassen, sondern Frauen auch den Rock hoch wehen. Gestern hat der Wind einer jungen Frau den Rock so weit nach oben geweht, dass man alles darunter sehen konnte. Das war so mit das aufregendste, was passiert ist gestern. So viel war wiederum auch nicht zu sehen, denn die Frau trug einen Badeanzug. Ob sie auch baden war mit ihm, kann ich nicht sagen. Nur wenige Menschen gehen baden. Ist wie gesagt Vorsaison. Ich war trotzdem gestern im Wasser. Jetzt, wo ich darüber schreibe, würde ich sagen, dass das Anbaden das aufregendste am gestrigen Tag war. Einen kompletten Strand und das Meer dazu für sich alleine zu haben, ist schon was besonderes. So weit kann der Rock einer Frau gar nicht vom Wind hoch geweht werden, um das zu toppen. Von der Ziege ganz zu schweigen.

Fotos&Text TaxiBerlin

Leaving Berlin (010)

But hey, I’m OK!

Obwohl noch Vorsaison, sind schon einige Touristen auf Kreta. Die meisten von ihnen sind Deutsche. Deutsche sind dafür bekannt, die Vor- und Nachsaison zu lieben. Man kann es auch so sehen: Deutsche sind besonders Ruhe bedürftig. Und ich auch, immerhin bin ich halber Deutscher. Manchmal kommt aber dann doch der Bulgare in mir durch, und dann mache ich ganz verrückte Sachen, beispielsweise Off-Road fahren. Dazu muss man wissen, dass ich mit einem Auto hier bin. Alleine dieser Umstand unterscheidet mich von den meisten Touristen-Terroristen, zu denen natürlich auch ich gehöre. Immer öfter habe ich das Gefühl, dass uns die Einheimischen bemitleiden. Warum das so ist, kann ich nur vermuten. Ich glaube, sie bedauern uns, weil wir immer so weit reisen müssen, um am Ende nur bei uns selber anzukommen. Deswegen muss der Grieche nicht verreisen. Der ist bei sich zuhause schon bei sich selbst angekommen. Es liegt also nicht am Geld, das der Grieche nicht hat. Doch zurück zu mir und meinem Auto, das bulgarische Kennzeichen hat. Bulgarische Kennzeichen hat es deswegen, weil mir das billiger kommt. Ich kann mir nicht nur Berlin nicht mehr leisten, sondern auch deutsche Autokennzeichen. Ist alles eine Frage des Geldes. Da kommst Du auch noch hin, Du wirst schon sehen. Jedenfalls bin ich der einzige Deutsche mit bulgarischen Kennzeichen auf der Insel. Alle anderen sind geflogen und haben sich hier einen Mietwagen mit griechischen Kennzeichen genommen. Gestern fragte mich eine Landsmännin aus Berlin, wie lange man mit dem Auto nach Kreta fährt, worauf ich ihr geantwortet habe: Bis man ankommt. Die Deutschen, ich sag’s Euch, sind oft sehr wunderlich im Sinne von weltfremd. Nimm ihnen ihr Geld weg, und sie sind völlig hilflos. Ich war gestern auch etwas hilflos, und zwar als ich, kaum war ich Off-Road, mit meinem Wagen mit den bulgarischen Kennzeichen plötzlich auf der Seite lag. Aber hey, I’m OK! Es haben auch gleich ein paar Griechen angehalten, die mir halfen, das Auto umzudrehen. Die haben das Nummernschild gesehen und gedacht: Der armen Bulgarensau müssen wir helfen. Hätte ich deutsche Nummernschilder gehabt, hätten sie mich, wie in Deutschland üblich, ganz korrekt zur nächsten Werkstatt geschleppt, wo man den Wagen ordnungsgemäß untersucht hätte, was wieder einen Haufen Geld gekostet hätte, das ich nicht habe. So bin ich irgendwann am Abend angekommen. Bei meiner bescheidenen Hütte am Meer und bei mir.

Foto&Text TaxiBerlin