Ich habe ja auch einige Unis von innen gesehen, und nicht nur die Mensa, aber die Straße ist definitiv der Ort, wo ich nicht nur das meiste gelernt, sondern wo ich auch die wichtigsten Menschen in meinem Leben kennengelernt habe, unter anderem auch viele Frauen, und wo ich bis heute solche Sachen wie obige russische Ausgabe von Orwells „1984“ finde. Es stimmt wirklich, Taxifahren war meine Droge, und die Straße mein Stoff, von dem ich immer noch abhängig bin. Dass es mich auch jetzt noch täglich raus auf die Straßen treibt, obwohl ich seit März kein Taxi mehr fahre, bedeutet auch, dass ich immer noch an der Nadel hänge. Aber keine Angst, es gibt schlimmere Süchte. Auf der Straße schlage ich, und das geht besser, wenn man nicht mit dem Taxi, sondern mit dem Rad oder am besten zu Fuß unterwegs ist, sogar zwei Süchte mit einer Klappe, und zwar neben der bereits erwähnten Abhängigkeit von der Straße, meiner Universität, auch meine Büchersucht. Die Büchersucht ist eine ganz alte Sucht, der Fachbegriff ist Bibliomanie, die leider etwas in Vergessenheit geraten war. Zum Glück, auch Dank meines unermüdlichen Einsatzes, ist die Büchersucht seit einiger Zeit als offizielle Sucht anerkannt. Dazu habe ich nicht nur mein kleines Scherflein beigetragen, sondern ich bin darüber hinaus auch „Patient Nummer Eins“ der Bibliomanie der Neuzeit. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass die Büchersucht nicht wirklich heilbar ist, genausowenig wie ich jemals von der Straße loskommen werde. Das ist einfach so. Was ich machen kann, und wobei du mir helfen kannst, ist, dass ich mich von Büchern trenne. Beispielsweise von meinem heutigen Fundstück der Straße, der russischen Ausgabe von Orwells „1984“. Du fragst dich jetzt sicherlich, wie du mir helfen kannst. Das ist ganz einfach: Du kaufst einfach das Buch von mir! Du sprichst kein russisch? Dann musst du es lernen, oder wie lange willst du dich noch verarschen lassen von Schildern wie diesen?!? Und so hättest auch du etwas von der Straße gelernt. Denk mal drüber nach! Aber nicht zu lange, sonst ist das Buch weg. Orwells „1984“ verkauft sich gerade wie geschnitten Russisch-Brot.
Foto&Text TaxiBerlin
Taxifahren war für viele Jahre meine Droge, das kann ich ohne Übertreibung sagen. Meine Fahrgäste, das Herumfahren mit und ohne ihnen in meiner Stadt und das Rumstehen an den Taxihalten, das war mein Stoff, und der fehlt mir jetzt. Damit ich irgendwie über den Entzug komme, gehe ich jeden Tag zu meinen gewohnten Tatorten, den Straßen und Plätzen Berlins, solange dies noch ohne weiteres möglich ist. Wenn ich nicht mit dem Fahrrad unterwegs bin, laufe ich auch gerne. Das Laufen hat den Vorteil, dass man beim Laufen mehr sieht, und auch mehr hört. So zum Beispiel am Donnerstag das geniale Klavierspiel von Rossano Snel in der Frankfurter Allee vor der dortigen Commerzbank. Der Künstler aus Brasilien hat mich sehr an Keith Jarrett erinnert, der die Tage seine Karriere beendet hat, nein, nicht wegen Corona, sondern wegen einem Hirnschlag. Im Gespräch mit Rossano, der wenn er nicht auf der Straße spielt, auch schon mal bei der Deutschen Grammophon aufnimmt, erfuhr ich, dass neben Keith Jarrett auch Oscar Petersen ein großes Vorbild für ihn ist. Erwähnt werden muss unbedingt noch der Mann vom Ordnungsamt mit der Gelben Weste im Hintergrund. Als er wieder aus der Commerzbank herauskam, gesellte auch er sich zu den zahlreichen Zuhörern von Rossano, und man konnte, obwohl die Dämmerung bereits eingesetzt hatte, richtig sein Gehirn arbeiten sehen: Muss ich hier jetzt eingreifen oder nicht?!? Er entschied sich für letzteres, so dass die zahlreichen Zuhörer und auch ich weiter dem Künstler lauschen konnten. Vermutlich war noch Geld auf der Bank für den Ordnungshüter und sein Feierabendbier gewesen. Man weiß es nicht, ist jetzt nur ’ne Vermutung, muss nicht stimmen. Wer Rossano auch mal vor Publikum spielen hören will, dem empfehle ich diesen Clip.
Foto&Text TaxiBerlin
Einkaufen sei jetzt eine „nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe“, so unser Wirtschaftsminister, und die taz plappert es nach, erklärt es als „im Kern richtig“.: – Was für ein Trauerspiel!
Es gibt auch kritische Stimmen, man findet sie in den Kommentaren. Dort meint Ricky-13 beispielsweise: Und wieder einmal beschäftigt sich die Politik mit den wirklich wichtigen und sozialen Themen. Ein Glück, dass es Rentnerarmut, Kinderarmut, Lohnsklaverei, Hartz IV, 947 Tafeln (an denen monatlich 1,6 Millionen arme Menschen anstehen müssen, um nicht zu hungern), sowie 52.000 Obdachlose nur in anderen Ländern gibt. Und Dream Team schreibt dort: Ein Kanzleramtschef performt einen widerlichen Konsum-Nationalismus und die taz macht daraus einen Artikel, dass er ‚im Kern Recht hat‘. Kannste dir nicht ausdenken. – Dazu muss man wissen: Was früher zwischen den Zeilen stand, steht heute in den Kommentaren – noch.
Aber gut, Altmaier sagt nichts anderes als das, was George W. Bush nach Nine Eleven gesagt hat: Die Leute sollen shoppen gehen. Nur, damals hatten die Menschen in Amerika noch Geld in den Taschen. Wovon bitte sehr sollen viele Menschen heutzutage und hierzulande shoppen gehen? Deswegen richtet sich dieser Beitrag an die wenigen in unserem schönen Land, die noch Geld haben: Wenn du unbedingt einkaufen musst, dann kaufe in meinem Bauchladen ein. Dort sind ab sofort neben vielen anderen diese beiden neue Bücher im Angebot.
„Die Arbeit tun die anderen“ ist aktueller denn je. Im Falle des Taxis sind es die Uber-Lohnsklaven, die von uns allen über Transferleistungen mitbezahlt werden, während Uber ein Großteil des Umsatzes direkt nach Amerika transferiert und hier keine Steuern bezahlt, ganz legal und von ganz oben abgesegnet, also mit anderen Worten: staatlich organisierte Kriminalität. Wo war da Altmaier und seine „nationale, ja auch eine patriotische Aufgabe“ und wo die taz?
Das aktuelle Goldene Kalb heißt heute nicht Uber sondern Pharma, um das die Lobbyisten in ihrem Home-Office tanzen: „Mit ihnen ist kein Staat zu machen“, genauso wenig wie mit Herrn Altmaier. Ich bin gespannt, wann er und seinesgleichen das sinkende Schiff verlassen.
Bis dahin gilt es durchzuhalten. Du kannst mich dabei unterstützen, indem du in meinem Bauchladen einkaufst. Du musst dafür kein Patriot sein, obwohl es gerade wohl erlaubt ist. Vor dem Lesen muss aber auch gewarnt werden. Darauf wies mich neulich noch eine Fahrgästin hin, denn: „Lesen gefährdet Ihre Dummheit!“