Zurück in Bulgarien (113) – “Bernhard auf bulgarisch”

Das ist der berühmte Ohrensessel aus Thomas Bernhards Stück “Holzfällen”. Nachdem ich beim letzten Mal nicht reingekommen bin, weil ich zehn Minuten zu spät war, bin ich gestern extra noch einmal nach Sofia gefahren, um es mir anzusehen, und ich muss sagen: es hat sich gelohnt! In der bulgarischen Hauptstadt ist man so Theaterverrückt, wie man es in Berlin in den Neunzigern war, als die Volksbühne unter Frank Castorf Theater des Jahres in Deutschland war. Das ist lange her, die Volksbühne heute ist – so wie die ganze Stadt – nur noch ein Schatten seiner selbst. Das im Sofioter Theater “Toplozentrala” (“Heizungszentrale”) aufgeführte Stück “Holzfällen” nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Bernhard, der ähnlich wie Klaus Manns “Mephisto” einige Zeit verboten war, ist ein “Monospektakel”, also ein “Ein-Mann-Stück”. Mit einem Spektakel hat es aber nichts zu tun. Das bestätigte der Schauspieler auch nach dem Stück, das zwei Stunden dauerte und praktisch ausverkauft war. Da nahm sich der Schauspieler, der nun ganz anders aussah, eine Stunde Zeit, um Fragen seines Publikums zu beantworten. Er sagte dort unter anderem, dass “Holzfällen” von Thomas Bernhard “etwas sehr Ernstes” sei. Im Stück selbst hatte er gesagt: “Die Kunst ist eigentlich tot” – und das auf deutsch. Die neben mir sitzende Ukrainerin, die mit ihrem Mann seit fünf Jahren in Bulgarien lebt, fand das Stück “unexpected – but in a good way”. Dass ich beim ersten Mal nicht reingekommen bin, weil ich zehn Minuten zu spät war, lag übrigens daran, dass man, wenn man den Saal Nummer Zwei im Keller der “Heizungszentrale” (“Toplozentrala”) betritt, direkt auf der Bühne steht. Und da saß ja schon der Schauspieler in seinem Ohrensessel. Später ist er auch aufgestanden, hat rumgebrüllt und andere verrückte Sache gemacht. Mit Mehl wie in der späten Volksbühne musst er übrigens nicht um sich werfen. Ausgezogen hat er sich auch nur das T-Shirt. Und das Jacket hat er gleich wieder angezogen, also über seinen nackten Oberkörper. Bernhard auf bulgarisch ist zugegeben gewöhnungsbedürftig. Ich empfehle das deutsche Original. Ein Buch in einer anderen Sprache ist ein anderes Buch, und so auch ein Stück – “Naturgemäß”, wie Bernhard sagen würde.

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Zurück in Bulgarien (112) – “Avtorka i et cetera”

“Glückliche Zeiten” von Autorin (in Bulgarien Autor) Maria Doneva

Eine weitere Sache, die umgedreht ist in Bulgarien, und über die ich komischerweise noch nie geschrieben habe, ist das Ding mit der Sprache. Nicht nur die Gendersprache mit ihren Sternchen, Doppelpunkten und Binnen-Is ist in Bulgarien unbekannt, sondern auch die weibliche Form beispielsweise von Berufsbezeichnungen. Es gibt sie zwar, die Autorin (avtorka), die Ärztin (lekarka), die Professorin (professorka) und auch die Lehrerin (utshitelka), sie möchte aber nicht mit der weiblichen sondern mit der männlichen Form angesprochen werden. Die Anrede in der weiblichen Form wird in Bulgarien als diskriminierend empfunden. – “Glückliche Zeiten” also auch in Sachen Sprache in Bulgarien.
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Betr.: bevorstehende Abreise ins Herz der Finsternis

Das Wichtigste im Leben ist die Veränderung. Deswegen werde ich demnächst in die Zentrale des deutschen Irrenhauses reisen. Zu meinen Abreisevorbereitungen gehört obiges Video einer jungen Frau Namens Michele. Lange habe ich gedacht, ich würde mich nur aus einem Grund von Frauen angezogen fühlen, was an sich stimmt. Aber, und das soll bei aller Eile nicht verschwiegen werden, kommt da das Abgestoßensein von Männern ohne Eier dazu, von denen Berlin die Hauptstadt ist.
Video Michelle
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Zurück in Bulgarien (111) – “Was ist schon normal?”

So wie sich die Sonne zuerst auf den Berggipfeln zeigt, so ist es auch mit dem ersten Schnee auf den Gipfeln des Pirin-Gebirges im Hintergrund in der Mitte. Der Winter ist nun auch in den Schluchten des Balkans angekommen, zumindest auf den Berggipfeln, während im Tal gerade der Herbst begonnen hat. Freunde und Bekannte sind immer ganz überrascht, wenn ich ihnen Bilder schicke, dass es immer noch so grün ist in Bulgarien. Mir selbst fällt das nicht auf, für mich ist es normal. Vermutlich so normal, wie die meisten in der Heimat das für normal halten, was sie dort Tag für Tag umgibt, auch wenn es alles andere als normal ist.

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Zurück in Bulgarien (110) – “Annalena Affairs”

Deutsche Politiker sind, sieht man von Angela Merkel ab, in Bulgarien unbekannt. Namen wie Scholz, Lauterbach, Habeck, Lindner & Co sagen dem Bulgaren nichts. Annalena kennt er nur als Pornodarstellerin bei “Annalena Affairs”, aber nicht im Aussenministerium. Das mag man in der Heimat nicht gerne hören, ist aber die Wahrheit. Immerhin, Pornodarstellerin ist in Bulgarien nicht nur ein anerkannter Beruf, genauso wie Prostituierte, sondern hier sogar immer noch systemrelevant.
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Zurück in Bulgarien (109) – “Wir tun nur so …”

Es gibt eine Sache, die in Bulgarien ebenfalls anders ist, die ich noch nicht erwähnt habe. Das ist das Vertrauen in die Regierung. In Bulgarien vertraut praktisch niemand der Regierung, weder Akademiker, noch einfache Arbeiter. Dieses Nichtvertrauen hat in Bulgarien, das lange von den Osmanen regiert wurde, Tradition. Die Tradition musste nach dem Untergang des Kommunismus nach 1989 nicht erfunden sondern nur fortgesetzt werden. Das Vertrauen der Deutschen in ihre Regierung verstehen die Bulgaren nicht, und zwar weder Akademiker, noch Intellektuelle oder Künstler und schon gar nicht einfache Arbeiter oder Rentner, obwohl sie alle sonst großen Respekt vor Deutschland und den Deutschen haben. Dieses Misstrauen in die Regierenden, das es in Bulgarien schon immer gab, ist nun auch in der Heimat angekommen. Die aktuelle Ampel-Regierung hat keine Mehrheit mehr. Warum jetzt erst, fragt sich der Bulgare und schüttelt den Kopf. In Bulgarien hat die Regierung noch nie eine Mehrheit gehabt. Wie auch? – Bei 60 Prozent Nichtwähler! Überhaupt hat man in Bulgarien wichtigeres zu tun als sich um die Regierung zu kümmern. Gerade ist Erntezeit und dieses Jahr ist ein Kürbisjahr. Mit der Regierung halten es die Bulgaren wie mit dem Arbeitgeber. Da gilt das Sprichwort: Sie tun so, als würden sie uns bezahlen, und wir tun so, als würden wir arbeiten. Also: Sie tun so, als würden sie uns regieren, und wir tun so, als würden wir uns von ihnen regieren lassen. In der Plandemie hat das prima funktioniert. Offiziell haben sich hier nur 30 Prozent impfen lassen, in Wahrheit dürften es wohl gerade mal 20 Prozent gewesen sein, denn viele haben sich die Impfung gekauft. Heute hat Bulgarien mit die geringste Übersterblichkeit in Europa. Galt drei Jahre lang Gesundheit aller als höchstes Gut, ist sie heute egal. Vor allem für Deutschland ist das fatal. Dort ist die Übersterblichkeit am höchsten.

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Zurück in Bulgarien (108) – “Schuchtensaunieren”

Gleich geht’s ab in die Sauna. Komme gerade von draußen rein, wo ich dafür die Vorbereitungen getroffen habe. Zuerst habe ich das Tauchbecken gestaut, indem ich den Abfluss abgeriegelt habe (oben links). Danach habe ich in der Sauna im Hintergrund Feuer gemacht. Jetzt muss ich nur noch eine Stunde warten, bis die Sauna wohltemperiert ist für den ersten Saunagang. Diese Zeit nutze ich, um darüber zu berichten. Obwohl die Temperaturen keine 70 Grad erreichen, reichen sie hier für die Sauna vollkommen aus. In den Schluchten des Balkans wird nicht nur Nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird, sondern es wird auch nicht so heiß sauniert wie in der Heimat. Qualmen tut es aber auch hier mächtig, wenn man den Saunaofen anschmeißt. Ich weiß nicht, wie es zuhause aussieht, aber hier geht das noch. Obwohl auch ich ein alter Grüner bin, halte ich es in dem Punkt mit der Doppelmoral der Klimabewegten Klebekinder in Deutschland. Gut, ich fliege nicht nach Thailand oder so, sondern heize nur meine Sauna ein. Aber wenn mich einer fragen würde, was hier keiner tut, würde ich auch antworten: Lieber Doppelmoral als gar keine Moral. – “Petri Heil und immer eine blaue Brise über der Sauna!”

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Zurück in Bulgarien (107) – “Im Tal der Esel” (5)

Die langen Ohren sind, wenn man so will, ein Markenzeichen der Esel. Es ist aber nicht ihr einziges. Nicht vor Problemen wegzurennen, sondern vieles auszuhalten, sind weitere. Der Mensch hat keine so großen Ohren wie der Esel. Vielleicht fällt es ihm deswegen so schwer, anderen Menschen einfach mal zuzuhören. Ist jetzt nur eine Vermutung von mir, die sich allerdings mit meiner Erfahrung im Taxi deckt. Ich habe Jahre gebraucht, um anderen Menschen einfach mal zuzuhören. Zuhören hört sich leichter an als getan. Es ist das Einfache, das so schwer zu machen ist.

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Zurück in Bulgarien (106) – “Im Tal der Esel” (4)

Das ist der Esel Philip, der Anfang das Jahres aus dem Dorf Gaytaninovo an der Grenze zu Griechenland ins Tal der Esel gekommen ist. Philip ist 20 Jahre alt, und er ist das, was man einen Einzelgänger nennt. Philip hieß nicht immer Philip. Die meisten Esel in Bulgarien werden von ihren Besitzern Marko genannt. Ein bekannter bulgarischer Witz besagt, dass nicht alle Esel Marko heißen würden. Philip ist der lebende Beweis dafür. Philip ist ein Wunschname. Die Frau eines Berliner Bekannten von meiner Frau und mir, er ist mittlerweile verstorben, hat sich gewünscht, dass ein Esel im Tal der Esel nach ihm benannt wird. Ich nutze die Gelegenheit auch noch etwas über das Dorf zu berichten, aus dem Philip ursprünglich kam. Es heißt wie gesagt Gaytaninovo. Der Name leitet sich vom Wort Gaida ab, dem bulgarischen Dudelsack. Glaubt man Wikipedia, hat sich die Einwohnerzahl im Dorf Gaytaninovo in den vergangenen 90 Jahren so entwickelt:
1934 – 810
1946 – 900
1956 – 623
1965 – 546
1975 – 349
1985 – 214
1992 – 216
2001 – 124
2011 – 75
2018 – 46
Der von mir öfters erwähnte Exodus sowohl der Menschen, als auch der Esel, findet also nicht nur in meiner Region, dem Nordwesten Bulgariens und ärmsten Region des Landes und der EU, statt. Denn das Dorf Gaytaninovo befindet sich im Süden, der, auch das erwähnte ich bereits, bekanntlich eine andere Energie hat. Seit 2018 dürften noch einmal Menschen und auch Esel das Dorf Gaytaninovo verlassen haben oder verstorben sein. So wie Philip verstorben ist, der Bekannte aus Berlin, nach dem der Esel aus dem Dorf Gaytaninovo benannt ist. Auch Du kannst einen Esel im Tal der Esel nach Dir benennen lassen. Du musst dazu nicht verstorben sein. Nach mir wurde auch schon einmal ein Esel im Tal der Esel benannt, der allerdings bereits verstorben ist. Das kann natürlich auch passieren. Wenn Du trotzdem möchtest, dass ein Esel im Tal der Esel nach Dir benannt wird, kannst du mir gerne eine e-mail an rumen(ät)milkow.info schreiben. Du kannst das Tal der Esel auch mit einer Spende unterstützen oder eine Patenschaft übernehmen.
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Zurück in Bulgarien (105) – “Im Tal der Esel” (3)

Das ist meine Freundin und Fotografin Miroljuba. Miroljuba kommt aus Sofia und kennt das Tal der Esel länger als ich. Das Tal der Esel wurde von einem Deutschen oder Schweizer, ich vergesse das immer, namens Stephan ins Leben gerufen. Das ist jetzt einige Jahre her. Auch die genauen Daten behalte ich nicht. Was ich weiß, ist, dass Stephan vor einiger Zeit verstorben ist. Und außerdem, dass das Tal der Esel bis heute mit Spenden aus der Schweiz finanziert wird. Eigentlich, ich erwähnte das schon mal, wollte man gar nichts stationäres aufbauen, sondern die Menschen vor Ort schulen, wie sie ihre Esel behandeln sollen. Dieses Wissen war mit den Jahren verloren gegangen. Früher, zu sozialistischen Zeiten, als jede Familie einen Esel hatte, wurde das Wissen von Generation zu Generation weiter gegeben. Heute wird kaum noch etwas auf diesem Wege vermittelt, gibt es dieses Wissen praktisch nicht mehr, sowohl in Deutschland als auch in Bulgarien. Genauso wie Esel. Die gibt es auch kaum noch, selbst in Bulgarien. Aber auch hier spielt die bereits erwähnte andere Energie, die der Süden Bulgariens hat, eine Rolle. Während der Norden Bulgariens mehr oder weniger entvölkert ist, sowohl von Menschen als auch von Tieren, treiben sich im Süden noch ein paar Exemplare von ihnen herum, inklusive Eseln. Miroljuba und ich dokumentieren, wenn man so will, die letzten von ihnen.

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