Was mache ich hier?

Schwarzes Brett am Haus der Jugend in Montana

Dass mich eine Französin gestern beim Klassik-Konzert in Montana für den Dirigenten hielt, lag daran, dass ich mich in Schale geworfen hatte, wie man so schön sagt. In Bulgarien wird, nicht nur auf dem Dorf, ganz klar zwischen Klamotten unterschieden, die man nur zu hause trägt, und Klamotten, mit denen man sich in der Öffentlichkeit zeigt. Ja, es gibt auch hier Menschen, vor allem Männer, die draußen mit Jogginghose unterwegs sind, aber nicht so viele wie in Neukölln. Dass ich mich besonders herausputze, wenn ich raus gehe, liegt daran, dass ich auf dem Dorf wohne, und dort ganz am Rand. Wenn ich mir hier rausputze, sieht das keiner, und wenn doch, dann hält er mich für verrückt. Hinzu kommt, dass ich mich mit meinem englischen Freund Jerry im Wettbewerb um den “Best Dressed Man of Bulgarians North-West” befinde, der ärmsten Region des Landes, wenn nicht gar des Kontinents. Gestern war unser Outfit ziemlich ausgeglichen. Vielleicht war meins sogar besser, weswegen ich und nicht Jerry von der Französin für den Dirigent gehalten wurde. Es kann aber auch daran liegen, dass ich der jüngere von uns beiden bin. Der richtige Dirigent kam übrigens aus Amerika, und das Orchester aus Vidin, der Hauptstadt des bulgarischen Armenhauses. Das war auch der Grund, dass die Musiker nur Noten spielten und nicht wirklich in der Musik waren, die sie machten, und die immer wieder mal “out of tune” war, wie man im englischen sagt. Der Grund dafür hat, das meint zumindest Jerry, durchaus etwas mit der Herkunft der Musiker aus der Stadt Vidin zu tun haben. Die liegt nämlich zwei Stunden von Montana entfernt. Jerry, der selbst Musiker ist, ist sich sicher, dass die meisten Musiker des Vidin Symphonie Orchesters sich bei ihrem Auftritt im Haus der Jugend gestern vor allem eines gefragt haben: “What the f..k I’m doing here?”

Voneinander lernen

Heute fahre ich zusammen mit meinem besten Freund Jerry nach Montana zu einem Klassik-Konzert im dortigen Haus der Jugend. Da Jerry Musiker ist, werde ich wieder viel über Musik erfahren. Als ich ihm neulich von dem kostenlosen Konzert erzählt habe, hat er mir Rossinis Overture zu “Wilhelm Tell”, womit das Konzert enden wird, bereits vorgesummt. Vorher gibt es Mozarts Overture zur “Entführung aus dem Serail”, Beethovens “Fünfte” und den “Slawischen Tanz Nr. 2” von Dvojak. Der Dirigent ist ein gewisser Brent Douglas, der seinen Master an der Universität von South Florida gemacht hat, wo er mit Dr. William Wiedrich, Michael Francis (Florida Orchester) und Harold Faberman studiert hat. Douglas ist schon gemeinsam mit dem Berliner Sinfonietta, der Gwinnett Kammerphilharmonie aus Georgia und dem Bard College Sommer-Sinfonieorchester (beides USA) aufgetreten. Und jetzt das Symphonie Orchester Vidin, der Hauptstadt der ärmsten Region Bulgariens (wenn nicht der EU), das ganze für lau, zumindest für uns Zuhörer. – “Er ist den Weg gegangen, den wir alle einmal gehen werden”, fällt mir dazu ein, entnommen einer Todesanzeige aus DDR-Zeiten, die der Stasi entgangen war. Denn die Person war nicht gestorben, sondern in den Westen gegangen. Die Geschichte werde ich meinem Freund Jerry, der bereits mehr als 13 Jahre im Armenhaus Europas lebt, erzählen. Damit auch er von mir lernt, und ich nicht nur von ihm.

“Eine Gesichtserkennung findet nicht statt!” – Aber sagt man das nicht auch über Zensur?

Auch in Bulgarien wird mittels Kameras überwacht, beispielsweise Straßen wie oben auf dem Foto. Das Neueste, was ich gehört habe, ist, dass man Strafen bekommen soll aufgrund von Videoaufzeichnungen. Dies führt dazu, dass auf bulgarischen Straßen regelkonformer gefahren wird. Was Ordnung und Regeln angeht, war Deutschland in der Vergangenheit für viele Bulgaren ein Vorbild. Dies hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Heute lacht man eher über Deutschland oder hat Mitleid mit den Deutschen. Auch ich wusste bei meiner Recherche bezüglich der Videoüberwachung auf Berliner S-Bahnhöfen oft nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Vor der Fussball-Europameisterschaft wurden einige neue Kameras auf Berliner S-Bahnhöfen angebracht. Ich wollte wissen, wie viele genau. Weder die Deutsche Bahn, noch die Berliner S-Bahn hat Informationen darüber. Man weiß auch nicht, wie viele es 2010, 2015 und 2020 waren. Auch dem Berliner Datenschutzbeauftragten liegen keine Zahlen vor. Was die Aufzeichnungsdauer angeht, bis von Videokameras aufgezeichnetes Materiel gelöscht oder überschrieben wird, die variiert zwischen 72 Stunden und 30 Tagen. Was man immerhin sicher zu glauben wissen will, ist, dass keine Gesichtserkennung stattfinden soll. Oder vielleicht sollte man besser noch nicht sagen. Aber kann man den Aussagen auch wirklich trauen, wenn der Berliner S-Bahn selbst nicht einmal die Anzahl ihrer Videokameras bekannt ist? Das muss, wie so vieles in diesen Tagen, jeder für sich entscheiden. Meine heute in der Berliner Zeitung erschienene Recherche-Odyssee kann als Entscheidungshilfe dienen.

Im Antiquariat “Ortograph” in Sofia

Der nächste Krieg in Europa wird zwischen Russland und dem Faschismus stattfinden, nur dass der Faschismus Demokratie genannt wird. (Fidel Castro, 1992)

Auf meiner Rückreise vom Meer bin ich am Samstag kurz in Sofia rangefahren. Eigentlich wegen der dort gerade stattfindenden Buchmesse. Am Ende war mein Besuch bei Konstantin im Antiquariat “Ortograph” wichtiger. Und das nicht nur, weil mein Freund Konstantin mir wieder ein paar der von mir herausgegebenen Bücher abgenommen hat. Überhaupt war Konstantin, der Inhaber des Antiquariats, gar nicht da. Er hat Urlaub. Den Deal hat seine Vertretung abgewickelt. Nachdem Konstantin in den Neunzigern als Erntehelfer in Spanien war, spricht er spanisch. So erklärt sich seine Spanophilie und sein Interesse an Kuba. Von Konstantin weiß ich, dass immer mehr junge Menschen in Bulgarien kommunistische Literatur suchen. Das hat er mir vorletztes Jahr mal erzählt. Zu dem Zeitpunkt hat mich das ein wenig überrascht. Heute verstehe ich es besser. In der Heimat wählen jungen Menschen die AfD, in Bulgarien suchen sie Antworten in alten Ideen. Beiden gleich ist, dass sie mit der aktuellen Situation sehr unzufrieden sind. Der Unterschied: in Deutschland hofft man immer noch auf Lösungen im bestehenden System, in Bulgarien hofft man auf einen Systemwechsel. Der Grund dafür sehe ich darin, dass man in Bulgarien der “Demokratie” von Anfang misstraut hat. Bis heute wird die Wende hier “Demokratisierung” genannt, ganz bewusst in Anführungszeichen. Den ein oder anderen wird diese Hinwendung zu alten Ideen überraschen. Mich nicht. Nach dem Extrem-Individualismus ist dies nur folgerichtig. Den Extrem-Individualismus hat Rainald Grebe in seinem Lied vom Prenzlauer Berg so beschrieben: Sie sehen alle gleich aus – irgendwie individuell. Und damit das Kommende, die Wende zum uniformen Kollektivismus vorweggenommen.

Sie sehe alle gleich aus – irgendwie individuell (im Antiquariat “Ortograph”)

Nix Ballermann

Ein Freund in der Heimat hat neulich den Sonnenstrand an der bulgarischen Schwarzmeerküste als Ballermann bezeichnet. Mein Freund der Dudelsackspieler, der seit über 30 Jahren jeden Sommer am Eingang zu Altstadt von Nessebar spielt, wozu der nahe Sonnenstrand gehört, kann das so nicht bestätigen. Er, der nicht nur von den Besuchern des Sonnenstrands lebt, sondern sich mit ihnen auch austauscht, sagte mir, dass die allermeisten Touristen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken sind, allen voran aus der Ukraine, aber auch aus Moldawien. Russen findet man natürlich auch viele, dazu ein paar Polen, aber nur wenige Deutsche. Diese Touristen aus dem Osten kommen an den Sonnenstrand, weil er vor allem eines ist: preiswert. Aber auch, weil hier Frieden herrscht – zumindest noch. Es sind meist ältere Herrschaften wie auf obigem Foto, die mit einem Ballermann nichts am Hut haben. Eher ist es so, dass sie, obwohl Bulgarien wie gesagt preiswert ist, selbst hier jeden Lew noch zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Das wirkt sich natürlich auch auf die Einnahmen meines Freundes des Dudelsackspielers aus. Die Münzen in seinem Hut werden mit jedem Jahr kleiner und die Einnahmen dementsprechend geringer. Dass er sich trotzdem Tag für Tag aus dem knapp 40 Kilometer entfernten Burgas auf den Weg nach Nessebar macht, liegt vor allem daran, dass er hier seit über 30 Jahren jeden Sommer und bei jedem Wetter spielt. Ohne ihn und seinem unverwechselbaren Spiel auf seiner Gaida (гайда), wie der Dudelsack auf bulgarische heißt, wäre Nessebar nicht Nessebar. Hier ist er in Stein gemeißelt – nicht auf Sand gebaut.

Awtomagistrala Trakija

Unterwegs auf der Awtomagistrala Trakija, das ist die Autobahn von Burgas am Schwarzen Meer nach Sofia, muss ich feststellen, dass es hier zwar Haltemöglichkeiten gibt, von “Rastplätzen” will ich aber nicht sprechen, weil sie allesamt ohne sanitäre Einrichtungen sind. Aber gut, ich habe ja schon immer gesagt, dass man nicht wegen den Toiletten nach Bulgarien kommt. Andererseits beklage ich mich aber auch immer und gerne über die Toiletten an Autobahnen in der Heimat. Das sind oft stinkende Kloaken mit viel Edelstahl, der an Schlachthöfe erinnert. Das gibt es hier nicht. Hier an der bulgarischen Autobahn gibt es gar nichts, außer ein paar Riesen Beton-Mülleimern, die so groß sind, dass man darin seine alten Reifen entsorgen kann. Und natürlich – vielleicht das wichtigste – einen schön ausbetonierten Graben am Rand des “Rastplatzes”, in dem alles abfließt, was fließen kann, und der mich an den neu ausgehobenen Graben rings um den Reichstag – unserem Parlament – in Berlin erinnert.

Ami Go Home in Bulgaria

Wo immer die USA in der Welt auftreten, überall lassen sie Tod und Verwüstung zurück. Auch in Deutschland hatten Menschen das schon einmal begriffen. “Ami Go Home!” war nicht gegen die Menschen in den Vereinigten Staaten gerichtet, sondern gegen die aggressive Außenpolitik der USA. Egal, wie der Präsident hieß, das Motto der Regierenden war immer: “America first!”. Aktuell ist es ganz genauso. Amerika führt mal wieder Krieg, die Rede ist von dem in der Ukraine, den andere bezahlen sollen, in dem Fall Europa, an erster Stelle aber Deutschland. Immerhin, und das ist die gute Nachricht, man scheint in Amerika begriffen zu haben, dass man den Krieg gegen Russland nicht gewinnen kann. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass es ein wahltaktisches Manöver der Biden-Administration ist, jetzt plötzlich mit Russland über Frieden zu verhandeln. Denn auch in Amerika hält sich die Kriegsbegeisterung in Grenzen. Viele Amerikaner interessiert dieser Krieg nicht. Nicht wenige wissen gar nicht, wo die Ukraine liegt. Egal, wer die nächste Wahl gewinnt, eins ist sicher: Es geht den Vereinigten Staaten nicht um Frieden, sondern darum, wer den Krieg bezahlt. In Bulgarien weiß man das. Vielleicht nicht alle, aber doch sehr viele. Das liegt daran, so denke ich, dass man in Bulgarien rechnen kann, was man in der Heimat ganz offensichtlich verlernt hat. Aber gut, so überraschend ist das nun auch wieder nicht. Für den Deutschen findet Geschichte ja auch nur noch in Form von Geschichten statt. Die aktuelle ist das alte Märchen vom russischen Untermenschen, mit dem man jetzt aber merkwürdigerweise über Frieden reden möchte. Wie das zusammen passt? Amerika ist dafür bekannt, nichts umsonst zu tun. Man sucht gerade einen Dummen, der die Rechnung bezahlt. Dieser Dumme könnte, wie es aussieht, der dumme Deutsche sein. Der Bulgare mit Sicherheit nicht. Aber nicht etwa, weil es bei ihm nichts zu holen gibt. So ist es nicht. Sondern weil der Bulgare den Amerikaner durchschaut hat. Obiges “Ami Go Home”, das ich gestern in Burgas am Schwarzen Meer gesehen habe, ist wie früher auch in Deutschland nicht gegen US-Amerikaner als Menschen gerichtet. Es richtet sich gegen eine Regierung, die überall in der Welt Kriege anzettelt, die andere bezahlen sollen.

Straßenmusik mit Schafkäse und Melone am Ballermann

Gestern war ich zum Abendessen bei einem Freund eingeladen, den ich seit 30 Jahren kenne, und den ich in Sofia auf der Straße kennengelernt habe. Abendessen ist eigentlich der verkehrte Begriff, denn es war fast Mitternacht, dass wir bei ihm am Tisch saßen. Wir aßen Schafkäse mit Melone, eine in Bulgarien sehr beliebte Kombination, die aber nicht unbedingt meine ist. Schafkäse ist in Bulgarien meist aus Kuhmilch, denn Schafkäse aus richtiger Schafsmilch können sich die meisten nicht leisten. Aus was sein Schafkäse gemacht ist, habe ich nicht gefragt. Ich wollte meinen Gastgeber nicht in Verlegenheit bringen. Er war auf jeden Fall nicht im Laden gekauft sondern selbstgemacht, und das schmeckte man. Zurück zu meinem Gastgeber und Freund, den ich wie gesagt seit 30 Jahren kenne. Dass ich ihn auf der Straße kennengelernt habe, liegt daran, dass er Straßenmusiker ist. Als solcher spielt er seit der Wende, die in Bulgarien “Demokratisierung” heißt (auch gesprochen ganz bewusst in “Anführungszeichen”), auf der Straße, ist er “on the road”, wie man in Amerika sagt. Dafür ist er gut gealtert, auch musikalisch. Vor unserem gemeinsamen Abendessen habe ich mir seine mehrstündige Performance angehört. Er spielt übrigens am Eingang zur Altstadt von Nessebar am Schwarzen Meer. Ich bin einmal quer durchs Land gefahren, um meinem Freund und Dudelsackspieler zuzuhören, aber vor allem um danach mit ihm zu Abend zu essen. Einem Freund in der Heimat, dem ich davon schrieb, fragte daraufhin, wie es am bulgarischen Ballermann sei, womit er gar nicht so unrecht hat. Meine Antwort: Es ist auszuhalten. Menschen sind Menschen. Ob am Ballermann oder in Berlin. Berlin ist ja auch nur ein großer Ballermann. Aber ich will nicht vom Thema abkommen. Dass wir erst um Mitternacht zu Abend aßen, lag nicht nur an den bulgarischen Sitten, oder anders gesagt, dass in Bulgarien traditionell spät zu Abend gegessen wird, insbesondere im Sommer. (Fast hätte ich es vergessen zu erwähnen: Am bulgarischen Ballermann, womit genau der Sonnenstrand und nicht Nessebar gemeint ist, das direkt neben Sunny Beach liegt, wie der Sonnestrand auch genannt wird, ist es noch schön sonnig und angenehm warm.) Dass wir so spät zu Abend aßen, lag vor allem daran, dass der Freiluft-Auftritt meines Freundes am Eingang zur Altstadt von Nessebar immer bis spät in die Nacht geht. Ich schreibe das auch, falls jemand sich mit der Absicht trägt Straßenmusiker am Ballermann zu werden, beispielsweise in Berlin.

Human: People To People

“People To People” ist das Motto von Humana Bulgaria, also von dem deutschen Second Hand Geschäft für Klamotten. In der Heimat wirbt Humana nur mit “Secondhand & Vintage Fashion”. Möglicherweise ist das der Grund, dass obiges T-Shirt nicht in Berlin, sondern in Sofia zu finden ist. Vielleicht ist es aber auch ganz anders.

Das ist übrigens die Rückseite von dem T-Shirt. Ein Freund in Berlin, dem ich gerade die Bilder geschickt habe, meinte, dass man in der Bundeshauptstadt gesteinigt wird, wenn man so ein T-Shirt trägt. Keine Ahnung, ob das stimmt. Ausschließen würde ich es nicht. Überhaupt schließe ich mittlerweile nichts mehr aus. Das T-Shirt ist übrigens Neu! Deswegen will Humana Bulgaria “People To People” 13 Lewa (6,50€) dafür haben. Ich habe kurz überlegt, mich dann aber dagegen entschieden, was an dem Friedhof mit Grabsteinen vorne auf dem T-Shirt liegt. Ich meine, wer möchte einT-Shirt tragen, auf dem vorne ein Friedhof mit Grabsteinen drauf ist?

Kryptisch Einkochen

Meinem Besuch aus der Heimat neulich, ich erwähnte ihn bereits, fiel auf, dass die Eigenversorgung in Bulgarien bis heute ein “Big Deal” ist, wie man in Amerika sagt. Auch ich mache mit. Nicht so sehr, weil ich halber Bulgare bin, sondern eher, weil ich mir “Rich Poor”, den hiesigen Supermarkt, nicht immer leisten kann. Immerhin, dort habe ich mir Zucker, Zitronen und Zimt besorgt. Den Rest hat mir die Natur geschenkt: Äpfel, Birnen und Feigen.

Zucker brauche ich fast gar nicht, weil die Früchte in Bulgarien von sich aus sehr süß sind. Das ist aber nicht der Grund, dass sie kaum Flüssigkeit abgeben, selbst bei der Hinzugabe von Zucker, wie dies Früchte üblicherweise tun. Der Grund ist, dass der Sommer sehr heiß war hier, und insbesondere die Feigen sehr trocken sind. Es wäre einfacher gewesen, sie zu trocknen, aber ich hatte bereits beschlossen, sie zu Konfitüre zu verarbeiten.

Zum ersten Mal habe ich Äpfel und Birnen gemeinsam zu Mus verarbeitet. Das soll sehr lecker schmecken, habe ich mir sagen lassen. Man hat mir auch empfohlen, neben dem Zucker auch etwas Zimt und ein par Nelken hinzuzugeben. Wenn man das Mus heiß in die Gläser füllt und die Gläser dann umdreht, muss man es nicht extra einwecken. Eigentlich soll man die Gläser vorher sterilisieren. Das mache ich nicht. Was soll schon passieren. Nur ich bin hier. Also woher sollen die Keime kommen. Bisher ist mir auch noch nie auch nur ein Glas schlecht geworden. Die umgedrehten Gläser verschließen sich übrigens von ganz alleine, wenn das Mus abkühlt.

Ich bin jetzt auch so einer geworden, der Etiketten auf seine Gläser klebt. Als ich anfing einzuwecken, habe ich mich über die deutschen Seiten im Internet lustig gemacht, die regelmäßig meinten, dass man ohne Etiketten nicht einwecken kann. Ich wusste ja, dass das geht. Bulgaren verwenden generell und traditionell keine Etiketten. Bulgaren sind Etiketten-Rebellen. Anfangs war ich auch einer. Aber irgendwann kam der Deutsche in mir durch. Immerhin, es sind keine eigens gekauften Etiketten. Die sind mir selbst hier in Bulgarien zu teuer. Ich verwende so genanntes Tixo-Klebeband, was Handwerker verwenden. Beispielsweise Maler, um einen graden Strich zu ziehen. Auch meine Beschriftungen sind etwas speziell, eher kryptisch. So wie auch mein Blog.

Das Mus passt super zum bulgarischen Joghurt. Für deutsche Gaumen ist es erstmal ungewohnt, denn das Mus ist nicht süß, dafür ist der Joghurt sauer. Als Kinder mussten wir hin und wieder Zucker an den Joghurt machen, weil er für uns zu sauer war. Jetzt als Erwachsener muss nichts mehr so süß sein, und Saures darf sauer sein.