Zurück in Bulgarien (070) – “Sonntag in Sofia”

Am Sonntag war ich in Sofia. Diesmal habe ich im Stadtteil “Nadeshda” (Hoffnung) geparkt und bin mit der U-Bahn ins Zentrum gefahren. Die Tageskarte für ganz Sofia kostet vier Lewa (zwei Euro) mit “Sofia City Card” – ohne “Sofia City Card” 4,80 Lewa (2,40 Euro). Der Einzelfahrschein kostet 1,60 Lewa (80 Euro-Cent). Der Preis ist also heiß. Aber Vorsicht! Die U-Bahn hat der Russe gebaut. Ich schreibe trotzdem über Preise, weil mich ein aufmerksamer Leser in der Heimat darauf hingewiesen hat, dass mein neuer Häcksler von Lidl in Bulgarien nicht weniger als die Hälfte gekostet hat. Das ist bei elektrischen Geräten einer deutschen Supermarktkette auch in Bulgarien nicht möglich. Manche Geräte sollen hier sogar teurer als in der Heimat sein, wie man mir gesagt hat. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass man in Bulgarien im Schnitt mit der Hälfte des Geldes gut über die Runden kommt, wie auch der Preis des Tagestickets für Sofia beweist.

Als erstes war ich in meinem Lieblingsantiquariat “Ortograph”, wo ich obiges Buch fand. Obwohl Antiquariate die Tatorte meine Büchersucht sind, habe ich das Buch nicht gekauft. Es hat mich aber daran erinnert, dass es ein aktuelles Buch mit praktisch demselben Titel gibt, das auch ins Bulgarische übersetzt ist. Der Autor heißt David Engels, das Buch “Was tun?: Leben mit dem Niedergang Europas”.

Als nächstes war ich am Denkmal der Sowjetischen Armee gegenüber der Universität. Neulich gab es dort einen Protest, über den ich hier berichtet hatte. Das Gerüst, für das es keine Genehmigung geben soll, steht immer noch – das Denkmal auch. Die improvisierte Mauer ist leicht ramponiert. Die Beschädigungen stammen aber nicht vom Protest. Da war genug Polizei da, die am Sonntag komplett fehlte.

Auch an diesem, also den letzten Sonntag gab es einen Protest in Sofia, wie es praktisch täglich einen Protest in der bulgarischen Hauptstadt gibt – mindestens einen. Bei ihm ging es um das Thema “Frieden und Souveränität”. Dafür gibt es auch ein Referendum, für das man auf den Protest unterschreiben konnte. 

Gesprochen auf dem Protest hat eine Frau, die ich schon auf früheren Protesten gesehen und gehört habe. Überhaupt waren viele Frauen auf dem Protest am Sonntag. Die Sorge um den Frieden scheint bei Frauen besonders ausgeprägt zu sein. Möglicherweise weil sie ihre Söhne nicht verlieren wollen. Ist jetzt nur eine Vermutung von mir. Nebenbei wurde auch der Rücktritt der aktuellen bulgarischen Regierung gefordert, aber das gehört dazu, wenn man für Frieden und Neutralität ist und man darüber hinaus davon ausgeht, dass die aktuellen Regierung mit Hilfe der US-amerikanischen Botschaft in Sofia ins Amt gehievt wurde. Immerhin sind die Amerikaner die größten Waffenlieferanten der Ukraine, noch vor Deutschland.

Auch am Abend ging es weiter mit Frauen, und zwar dem “Sofia Gospel Chor”, in dem seit einiger Zeit die bulgarische Freundin meines englischen Freundes singt und tanzt. Das kostenlose Konzert war großartig, was neben dem phantastischen Chor auch daran lag, dass viele bekannte Gäste, also Sänger und Sängerinnen, in Begleitung des “Sofia Gospel Chor” an diesem Abend aufgetreten sind.

Zum Schluss musste ich nur noch zurück zum Stadtteil “Nadeshda” (Hoffnung), was aber kein Problem war. Immerhin hatte ich eine Tageskarte und auf die von den Russen gebaute U-Bahn war auch Verlass. Was Bulgarien angeht, habe ich mehr Hoffnung als ich für Berlin habe, auch wenn ich neulich geschrieben hatte: “Noch ist Berlin nicht verloren”.
Fotos&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (069) – “Unterwegs”

Am Wochenende war ich unterwegs, unter anderem zu einem Fest im ersten bulgarischen Bücherdorf Chelopek. Ich erwähne Chelopek auch in der Beschreibung meines Projektes “Donkey Sanctuary & Writers Retreat”, dem ersten Rückzugsort für Autoren, an dem es auch Esel gibt. Chelopek war einst bekannt für seine vielen Esel. Das erfuhr ich im März von den drei Macherinnen des Bücherdorfes, die ich letztes Jahr auf der Kirmes in der Stadt Vraca kennenlernte, die zwischen ihrem und meinem Dorf liegt. In meinem Dorf war das Wochenende zuvor Kirmes, weswegen viele Junge angereist sind, manche von ihnen auch aus dem Ausland. Ähnlich war es beim Fest im Bücherdorf Chelopek. Den heutigen Feiertag in der Heimat nehme ich zum Anlass, einige Bilder vom Fest in Chelopek zu veröffentlichen. Einerseits, weil Bilder mehr als tausend Worte sagen. Andererseits, um zu zeigen, wie Feste bis heute in Bulgarien begangen werden.

Je oller, umso doller
Siehe oben
Vor dem Auftritt

Gleich geht es auf die Bühne

Sie kommen gerade von der Bühne
Gekocht wird für alle
Die beiden Alten aus der Muppet Show waren auch da
Fotos&Text TaxiBerlin

Noch ist Berlin nicht verloren

Bisher kannte ich nur den Spruch, dass Polen noch nicht verloren ist, der bedeutet, dass trotz einer schier aussichtslosen Lage noch Hoffnung vorhanden, noch nicht alles verloren ist. Lange war ich mir nicht sicher, ob dies für Berlin zutrifft. Das ist insofern keine Überraschung, da Deutschland sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem Irrenhaus entwickelt hat, von dem die Bundeshauptstadt leider aber logischerweise die Zentrale ist. In obigem aktuellen Video werde ich nun eines besseren belehrt. “Der Ketzer der Neuzeit”, wie sich der Macher nennt, sein richtiger Name ist Leonard Jäger, steht genau an der Ecke, an der auch ich oft mit meinem Taxi gestanden habe. Es ist die Ecke Schönhauser Allee und Eberswalder Straße, und er führt dort ähnliche Gespräche, wie ich sie in meinem Taxi geführt habe, als ich noch mit ihm auf den Straßen und Plätzen Berlins unterwegs war.
Video KetzerDerNeuzeit
Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (068) – “Der Pavillonche”

Was in Deutschland das Tiny House ist, ist in Bulgarien der Pavillon, genauer der Pavillonche. Obiger Pavillonche steht aktuell leer, ist also available, wie man auf englisch sagt. Bisher wurden Pavillonche in Bulgarien ausschließlich zum Verkauf genutzt, waren also Verkaufs-Pavillons. Dass man in einem Pavillonche auch wohnen könnte, darauf ist man in Bulgarien noch nicht gekommen. Dieser Trend ist an dem kleinen Rand am Rand bisher zum Glück vorbeigegangen. In Bulgarien haben die Menschen noch ein zu Hause, in dem sie darüber hinaus auch noch wohnen. Dass in Deutschland immer mehr Menschen in einem Tiny House wohnen wollen, ist nur auf dem ersten Blick dem Umstand geschuldet, dass sich immer weniger eine Wohnung leisten können, sondern vor allem dem, dass immer weniger Menschen noch ein richtiges zu Hause haben wie in Bulgarien. Für den, der sich in der Heimat weder ein eigenes zu Hause noch ein Tiny House leisten kann, könnte der Pavillonche in Bulgarien die Lösung sein. Obiger ist nicht nur umzäunt und hat einen Abzug, sondern hat darüber hinaus einen Deutschland-typischen Stein- genauer Beton-Garten vor der Tür, ist damit wie geschaffen für einen Deutschen. Bei Interesse frage ich gerne nach, was der abschließbare Pavillonche kosten soll.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (067) – “Rosi aus Bulgarien”

Die wahre letzte Generation lebt, wie sollte es anders sein, nicht in Deutschland, sondern in Bulgarien. Auch in Sachen letzte Generation steht die Wahrheit mal wieder auf dem Kopf, ist es in Wahrheit umgedreht. Dass die Wahrheit umgedreht ist, dafür ist Rosi aus Bulgarien ein Beispiel, die laut steuerfinanziertem Kinderbuch in der Berliner Kurfürstenstraße nach Geld sucht. So auch der Titel des “Aufklärungsbuches” für die angeblich letzte Generation in der Heimat: “Rosi sucht Geld”. Warum Rosi in Berlin nach Geld sucht und nicht einfach in Bulgarien ein normales Leben führt, darüber klärt die EU, die Senatsverwaltung und das Verkehrsministerium leider nicht auf. Lieber erklärt man Sechsjährigen: “Die Männer wollen ihren Penis in meine Vagina stecken. Ein paar Mal rein und ein paar Mal raus – und fertig.” Gemeint ist die Vagina von Rosi, die eigentlich aus Bulgarien kommt. Weil Rosi jetzt aber in Berlin nach Geld suchen muss, leben in Bulgarien nur noch Alte – die wahre Letzte Generation. Damit diese Alten noch ein wenig überleben können, muss Rosi in Berlin auf der Kurfürstenstraße nach Geld suchen.
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (066) – “Vorsicht, Häcksler!”

Das ist nicht die Sonne in der Mitte des Fotos, sondern der Mond und zwar von letzter Nacht, denn da war schon wieder Vollmond. Über den letzten hatte ich hier geschrieben. Im Mittelpunkt – zumindest für mich – steht aber nicht der Mond, sondern die Straßenbeleuchtung links unterhalb davon. Die hat mein Bürgermeister aufstellen lassen, obwohl unsere Straße gar keine richtige Straße sondern nur ein unbefestigter Weg ist (auf englisch “dirt road”) und wir darüber hinaus “außerhalb der Regulierung” (“извън регулация” – isvin regulazija) sind. “Außerhalb der Regulierung” heißt, dass wir machen können, was wir wollen, zum Beispiel irgendwas an unsere Hütten anbauen oder gar eine neue Etage draufsetzen. Die Schattenseite von “außerhalb der Regulierung” ist, dass sich die Gemeinde nicht um einen kümmert. Trotzdem hat mein Bürgermeister eine Straßenbeleuchtung anbringen lassen, die wir bei Vollmond aber nicht brauchen. Nun ist nicht jeden Tag Vollmond. Aber vielleicht werden bald jeden Tag Flüchtlinge kommen, die sich – so wie ich – Deutschland nicht mehr leisten können. Gestern habe ich, fällt mir gerade ein, endlich meinen neuen Häcksler von Lidl ausgepackt und mit ihm gearbeitet, der in Bulgarien weniger als die Hälfte kostet. Der Preis in Deutschland ist ursprünglich 179 €, im Angebot sind es immerhin noch 149 €. In Bulgarien sollte er 260,- Lewa (130 €) kosten, ich habe ihn im Angebot für 220 Lewa (110 €) bekommen. Es ist der erste Häcksler in meinem Leben und einmal angefangen, konnte ich fast nicht aufhören mit ihm zu arbeiten, so geil ist das Gerät. Also Vorsicht: Häcksler können süchtig machen! Wer ihn sich in der Heimat nicht leisten kann, muss nicht traurig sein. Es gibt einen Ort auf dieser Welt, auf unserem Kontinent gar, wo auch schon der Weg ausgeleuchtet ist für ihn.

Vorsicht! – Kann süchtig machen

Fotos&Text TaxiBerlin

Der Eselflüsterer spricht auf Veggieradio

Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich in Bulgarien praktisch Vegetarier geworden bin. Von daher ist es keine Überraschung, dass ich Veggieradio ein Interview gebe. In dem Interview geht es aber nicht um die Schweinehälften, die aus Deutschland rangekarrt werden, auch wenn sie der Grund sind, weswegen ich mich hier vorzugsweise von Gemüse ernähre. Der Veggieradio-Macher und Radio-Profi Michael Kiesewetter hat mich als Eselflüsterer interviewt. In dem Interview geht es auch um die kleine Eselin, die Ende März geboren wurde und die ich gestern besucht habe, wo obiges Foto von ihr und ihrer Mutter entstanden ist. Im Mittelpunkt steht aber mein Projekt “Donkey Sanctuary & Writers Retreat”, dem ersten Rückzugsort für Schreibende, an dem es auch Esel gibt. Dadurch, dass ich im Sommer viel unterwegs war (erst war ich in Berlin, dann in Kalifornien), ist es etwas ruhig um mein Projekt geworden. Jetzt starte ich wieder durch, und du kannst mich dabei unterstützen. Entweder durch Geld, oder du kommst vorbei wie die beiden Helfer aus dem Allgäu, die mir im Oktober unter die Arme greifen wollen. Oder auch nur, indem du andere auf das Interview aufmerksam machst.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (065) – “Über Anrufe und Besuche aus der Heimat”

Vor einer Woche habe ich mit einer guten Bekannten aus Berlin telefoniert, die sich gerade eine Wohnung am Schwarzen Meer gekauft hat. Vorgestern hat mich jemand aus Norddeutschland angerufen, der sich mit dem Gedanken trägt, die Heimat zu verlassen. Dass diese Person, die ich bis zu dem Zeitpunkt nicht kannte, gerade mich angerufen hat, liegt daran, dass sie ernsthaft überlegt, nach Bulgarien auszuwandern. Sie hat viel Positives über das kleine Land am Rand gehört, angefangen von der Impfquote, die offiziell bei 30 Prozent liegt (da sich nicht wenige die Impfung gekauft haben, dürfte sie in Wirklichkeit bei 20, maximal 25 Prozent liegen), bis hin zu den fruchtbaren Böden, über die Bulgarien verfügt. Das ist wichtig, denn die Person kommt aus der Landwirtschaft. Deswegen habe ich auch sogleich meinen Bürgermeister ins Spiel gebracht, der ihr beim Finden einer Immobilie mit dementsprechendem Land behilflich sein könnte. Sie, also die Person aus Norddeutschland, will wirklich vorbeikommen. Wenn du ähnliche Überlegungen hast, kannst auch du dich an mich wenden. Im Oktober, ich erwähnte das schon einmal, wollen mich bereits Leute aus der Heimat besuchen. Und zwar zwei Handwerker aus Süddeutschland, die bei meinem Projekt “Donkey Sanctuary & Writers Retreat” mit anpacken wollen, und ein Kollege von der schreibenden Zunft. Mein Bürgermeister hat dafür, dass mich die Leute auch finden, extra Straßenschilder anbringen lassen. Und das, obwohl unser Weg, der unbefestigt ist, offiziell “außerhalb der Regulierung” (“извън регулация” – isvin regulazija) ist und er sich eigentlich nicht um uns kümmern müsste, so wie er sich um das Dorf kümmern muss. “Außerhalb der Regulierung” (isvin regulazija) heißt, dass wir tun und lassen können, was wir wollen, was in Bulgarien aber nichts besonderes ist. Hier macht ein jeder, was er will – oder zumindest versucht er es.

Foto&Text TaxiBerlin

Wahrlich, wir leben in aufregenden Zeiten

Es ist ziemlich genau 30 Jahre her, dass ich ein Konzert von Karsten Troyke in den damals noch unsanierten Hackeschen Höfen besuchte. Karsten Troyke präsentierte im ehemaligen jüdischen Viertel Berlins Jiddische Lieder. Obwohl die historische Kulisse, in der das Konzert seinerzeit stattfand, einen “maroden Charme” besaß, hatten damals noch alle ein Dach über dem Kopf. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Doch zurück zu Karsten Troyke, dessen Vortrag mir damals sehr gut gefallen hat. Dass er einmal einen Text von mir einsprechen würde, hätte ich mir nicht träumen lassen. Genau dies ist nun mit meinem Text über San Francisco passiert, der neulich in der Berliner Zeitung erschienen ist. – Wir leben wahrlich in aufregenden Zeiten. Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es weiter geht.
Podcast RadioMünchen
Text TaxiBerlin