Zurück in Bulgarien (038) – “Tag der Vereinigung”

Gestern war in Bulgarien Nationalfeiertag, um genau zu sein “Tag der Vereinigung” – nicht “Wiedervereinigung”! Und das, obwohl auch bei den Bulgaren etwas vereint wurde, was zuvor zusammengehörte, durch die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich aber geteilt wurde, und zwar von den Großmächten, also nicht durch Bulgarien selbst. Schon damals, die Rede ist vom Ende des 19. Jahrhunderts, hatten die Großmächte ihre Finger im Spiel, und das überall in der Welt. Vereinigt haben sich am 6. September 1885 das Fürstentum Bulgarien und Ostrumelien. Das ganze unter dem deutschen Fürsten Alexander von Battenberg. Diese Vereinigung widersprach dem Berliner Vertrag, der eine Zweiteilung vorsah, und den die Großmächte für Bulgarien gemacht hatten. Gleichzeitig gab es noch einen Krieg gegen Serbien, den Bulgarien unter seinem Fürsten für sich entscheiden konnte. Infolge dessen wurde nicht nur der Sieg Bulgariens anerkannt, sondern auch die Vereinigung. Was lernen wir daraus? Großmächte machen Pläne für andere, kleinere Länder, die oft nicht in deren Interesse sind. Dann gibt es einen Krieg, wobei der Krieg nur Mittel zum Zweck ist, den das kleine Land selbstverständlich gewinnen muss, um seine Interessen gegenüber den Großmächten durchzusetzen. Vereinigungen und auch Wiedervereinigungen sind kein rein deutsches Phänomen. Und was später die Berliner Mauer war, waren zuvor die Berliner Verträge gewesen.

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Alles kommt wieder – auch Corona?

Ein zentraler Gedanke in Friedrich Nietzsches Philosophie ist die Ewige Wiederkunft des Gleichen, dem zufolge sich alle Ereignisse unendlich oft wiederholen. Dieses zyklische Zeitverständnis ist für Nietzsche aber kein Grund zum Pessimismus, was man denken könnte, sondern ganz im Gegenteil die Grundlage höchster Lebensbejahung. Das mag einige überraschen, allen voran die, die sich nie mit Nietzsche beschäftigt haben. Auf Nietzsches Gedanken komme ich, weil mich Nachrichten aus der Heimat erreichen, die die Wiederkehr von Corona nahelegen. Gleichzeitig bekomme ich Anfragen von Landsleuten aus dem Ausland, die mich nach meiner diesbezüglichen Prognose für Bulgarien fragen. Die Wahrheit ist, dass ich weder für Deutschland noch für Bulgarien irgendeine Prognose habe. Prognosen sind bekanntlich schwer, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Was ich weiß, ist, dass ich selbst die Wiederkehr von Lockdowns und Maßnahmen bis hin zur Impfung mit Lebensbejahung zu begegnen versuche. Oder mit anderen Worten: Es ist eine Prüfung, die das Leben uns stellt, und durch die wir zuletzt durchgefallen sind. Wie wir die Prüfung in Zukunft bestehen können, darum geht es u.a. in obigem Interview mit Raymond Unger, der in seinem früheren Leben wie ich Taxifahrer war, und mit dem ich auch schonmal ein Interview gemacht habe.
PS: In dem Gespräch wird der israelische Historiker Yuval Noah Harari erwähnt, der Zauberlehrling von Klaus Schwab. Nachdem ich gerade sein Buch “Homo Deus” gelesen habe, würde ich ihn darüber hinaus als Frankenstein von heute bezeichnen.
Video Kai Stuht
Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (037) – “Land- vs. Holzmafia”

Buchen zum Verbrennen

Gestern lag zum ersten Mal der typische Geruch des beginnenden Herbstes in der Luft. Jemand hat in seinem Ofen Holz verbrannt. Ein Hinweis auf die Heizsaison, die vor der Tür steht und im Gebirge bereits begonnen hat. Im ländlichen Bulgarien wird traditionell mit Holz geheizt. Wie viel von dem Holz legal geschlagen ist, lässt sich schwer sagen. Sicher ist, dass es eine Holzmafia gibt, die illegal Holz schlägt und verkauft. Andernorts wird Holz gar nicht erst geschlagen, sondern direkt verbrannt. Beispielsweise im Nachbarland Griechenland. Dort gibt es eine Landmafia, die Wälder abbrennt, um an Bauland zu kommen. Bei der Berichterstattung fällt die Landmafia gerne hinten runter, und das obwohl die von ihr verursachten Brände in der Tat Menschengemacht sind. Aber das ist nicht neu: Wer legt sich schon gerne mit der Mafia an? In Bulgarien werden Menschen, die der Holzmafia auf der Spur sind, auch schon mal mit dem Leben bedroht. Einen Unterschied gibt es wie gesagt zwischen der Land- und der Holzmafia. Die Landmafia lässt Holz einfach so verbrennen. Ich will die Holzmafia aber nicht besser machen, wie sie ist. Der Irrsinn der Holzmafia ist, dass in der Regel Buchen, die für ihr lange gewachsenes hartes Holz bekannt sind, zum Verfeuern geschlagen werden. Im selben Moment werden aus weichem Kiefernholz, das oft in schlechter Qualität für viel Geld auf den hiesigen Baumärkten  angeboten wird, Terrassen und Türen gebaut. Ein klein wenig wie in Kolumbien, wo die Kaffeepflücker selbst keinen echten Bohnenkaffee sondern Instant-Kaffee von NESCAFÉ® trinken.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (036) – “Freund Dieter”

Angebot bei Kaufland

Seitdem sich die Preise für Butter verdoppelt haben, ist Butter ein Luxusprodukt für mich geworden. Oder mit anderen Worten: Habe ich mal keine Butter, habe ich ein Luxusproblem. Die meisten Menschen kaufen in Bulgarien Deutsche Butter. Es gibt auch Bulgarische Butter, die aber Margarine ist. Auch Deutsche Butter schmeckt nicht immer nach Deutscher Butter. Es gibt für sie zwei Standards, den bulgarischen und den deutschen, ich hatte hier darüber geschrieben. 3,99 Lewa (zwei Euro) für ein Stück Deutsche Markenbutter ist ein Spitzenpreis, vor allem wenn man berücksichtigt, dass sie deutschem Standard entspricht. Das Angebot gab es bis Sonntag bei Kaufland. Kaufland gibt es schon länger in Bulgarien, seit einiger Zeit gibt es auch Lidl – Aldi gibt es nicht. Dass es Kaufland und Lidl gibt, dürfte damit zu tun haben, dass beide Ketten einer Familie in Deutschland gehören, und zwar der Familie Schwarz. So habe ich es neulich im Internet gehört. Ganz genau habe ich gehört, dass der Lidl-Gründer Dieter Schwarz der reichste Deutsche ist, und dass Dieter Schwarz mit Lidl und Kaufland das größte Privatunternehmen Deutschlands aufgebaut hat. Bin ich früher in Berlin zu Aldi gegangen, habe ich mich immer bei “Freund Aldi” für seine Butter-Angebote gedankt. Jetzt in Bulgarien “Freund Schwarz” zu danken, fällt mir irgendwie schwer. Gut, der Dieter ist nach Bulgarien gekommen, was nicht jeder macht – “Freund Aldi” beispielsweise nicht. Aber ist er eigentlich nicht nur wegen des Geschäfts gekommen? Und habe ich den reichsten Deutschen nicht noch reicher gemacht? Oder ist Butter für 3,99 Lewa (zwei Euro) gar kein richtiges Geschäft für den Dieter, sondern nur ein Lockmittel? Das hätte dann funktioniert, denn ich habe gleich zwei Stück gekauft.

Foto&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (035) – “Höhenluft”

Höhenluft tut gut

Die Luft, diesmal nicht in den Schluchten sondern in den Höhen des Balkangebirges, bekommt mir gut, wie man sieht. Mir geht es da wie Nietzsche, den wahnsinnige Kopfschmerzen in die Höhen der Schweizer Alpen getrieben haben, wo er seine wichtigsten Werke verfasste, allen voran den Zarathustra. Mich hat ein Interview mit dem Munich Globe Bloggers in die Höhe getrieben, dessen ersten Teil man ab sofort hier nachlesen kann. Weitere Teile mit Fotos von mir werden folgen, insgesamt sind es wohl vier oder fünf. Die Themen sind, wie könnte es anders sein: Auswandern, Bulgarien und Esel. Und nicht zu vergessen: mein Projekt eines Donkey Sanctuary & Writers Retreat, dem ersten Rückzugsort für Autoren und Autorinnen, an dem es Esel gibt, für das auch Du weiterhin spenden kannst. Danke!

Foto&Text Rumen Milkow

Zurück in Bulgarien (034) – “Der Verfall, der Verfall”

Viel habe ich über den allgegenwärtigen Verfall in Bulgarien geschrieben, und dass er etwas mit dem Menschen macht. Was genau, das konnte ich dabei nicht genau sagen. Jetzt ist mir ein guter Vergleich eingefallen. Ausgerechnet in dem Film “Apocalypse Now” habe ich ihn gefunden. In dem Film mit Marlon Brando und Martin Sheen, der während den Dreharbeiten im Jungle einen Herzinfarkt erlitt, geht es um einen Krieg. Nicht den Krieg in der Ukraine, auch nicht den nicht stattgefundenen in Bulgarien, sondern den der USA in Vietnam. Marlon Brando spricht in dem Zusammenhang von “Grauen”, was auf amerikanisch “Horror” heißt. “The Horror, the horror” hat aus dem hochdekorierten Colonel Kurtz alias Marlon Brando im vietnamesischen Jungle einen anderen Mann gemacht. Was für einen anderen Mann genau, dazu empfehle ich, sich den Film anzusehen. Auch weil man damals als Journalist noch frei über einen Krieg berichten durfte und kein eingebetteter Journalist wie heute war. Wer heute als nicht eingebetteter Journalist aus einem Krieg berichtet, dem kann schon mal der Lehrauftrag entzogen werden, was aber schon wieder ein anderes Thema ist. Zurück zum Verfall in Bulgarien, mit dem es sich ähnlich verhält wie mit dem Grauen, egal ob Vietnam oder Ukraine, und der etwas mit einem macht. Um herauszufinden, was, sage ab sofort auch ich Mantraartig “Der Verfall, der Verfall” vor mir her. – Mal sehen, was passiert.

 Fotos&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (033) – “Musik hilft”

Man muss in Bulgarien wirklich aufpassen, sich nicht zu sehr runterziehen zu lassen, insbesondere nicht im Nordwesten, der ärmsten Region nicht nur des Landes, sondern des gesamten Kontinents. Zweifellos macht es etwas mit einem, wenn man praktisch nur von Tod und Verfall umgeben ist. Anderseits ist man aber auch eine Art Vorhut, denn der Niedergang hat nun auch in der Heimat begonnen und scheint kaum noch aufzuhalten zu sein. Mir hilft in solchen Momenten Musik, die der von der Sonne gesungen wird, auch wenn es die in Kalifornien ist, das sich auch im Abstieg befindet. Geschrieben wurde das Lied übrigens in New York als Antwort auf das, was einen in Big Appel runterziehen kann: Braune Blätter und grauer Himmel. – Ein Klacks, wenn man berücksichtigt, was aktuell bevorsteht.
Video TheMamas&ThePapas
Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (032) – “Auf dem Friedhof”

Eingang zum Friedhof

Gestern war ich in dem Heimatdorf meines Vaters auf dem Friedhof. Das Heimatdorf meines Vaters liegt etwa 80 km entfernt von mir auf dem platten Land. Das Dorf, aus dem mein Vater einst erst nach Sofia zum Studium und später nach Deutschland zum Leben und Arbeiten aufbrach, hatte einmal ein eigenes Gymnasium und über 3.000 Einwohner, von denen die meisten die heimische Scholle verlassen haben. Auch meine Verwandten, sieht man von den Toten ab, sind weggegangen. Sie kommen auch nicht mehr zurück, nicht mal zum Friedhof. Dementsprechend sieht es auf ihm aus. Er gleicht eher einem Jungle, weswegen ich neben Hacke und Spaten auch wieder meine Machete dabei hatte. Gestern ist mir zum ersten Mal klar geworden, dass dies das Kommende ist. Das hat auch mit meiner Amerika-Reise im Juni/Juli zu tun. In den USA haben immer mehr Menschen kein Grab auf dem Friedhof. Ihre Asche haben die Angehörigen bei sich zu Hause oder sie verstreuen sie, wenn dies der letzte Wunsch des Verstorbenen war. Nicht wenige Amerikaner habe immer etwas Asche ihrer Vorfahren dabei, auch auf Reisen. In Zukunft werden wohl immer weniger Menschen wissen, was ein Friedhof ist. Dieser Gedanke hat gestern beim Kampf mit dem Jungle in mir eine tiefe Verbundenheit mit der Erde ausgelöst, unter der meine Vorfahren liegen. Und das, obwohl Bulgarien nur meine zweite Heimat ist. – Vielleicht gerade deswegen.
Im Friedhofs-Jungle

Fotos&Text TaxiBerlin

Zurück in Bulgarien (031) – “Besser als Nutella”

Nutella aus eigener Herstellung – lecker!

Nutella hat wie viel Prozent Haselnüsse? Genau – 13 Prozent. Mein Nutella aus eigener Produktion dürfte mindestens 60 Prozent haben, wenn nicht gar 70, und ist garantiert frei von Palmöl. Deutsche Technologie stieß auf bulgarische Kreativität, als ich gestern Haselnusspaste mit Honig und Kakao mischte. Preislich liege ich auch unter dem bekannten Nestle-Produkt, das es auch in Bulgarien gibt. Obwohl Nutella hier nur halb so teuer ist wie in Deutschland, ist mein selbsthergestelltes, das fünfmal soviel Haselnüsse enthält, immer noch billiger. 300 Gramm Haselnusscreme mit Haselnussstücken kosten sechs Lewa (drei Euro), 900 Gramm bulgarischer Natur-Honig zehn (fünf Euro) und 100 Gramm Premium-Kakao von Dr. Oetger 3,60 (1,80 Euro). Nachdem 50 Prozent der Deutschen den Absturz der eigenen Wirtschaft befürchten, gilt Nestle jetzt auch beim Spiegel als “umstrittener Lebenmittelmulti, bei dem die Angst umgeht”. Vielleicht musst auch du bald dein eigenes Nutella herstellen, weswegen du dir aber keine Sorgen machen musst. Selbstgemachtes Nutella mit fünfmal soviel Haselnüssen schmeckt zehnmal besser als das Original. Es ist wie in dem Film “Schwarze Karte Weisser Kater”, in dem ein bekannter Whiskey nachgemacht wird. Die Kopie war auch besser als das Original.
Diese drei Zutaten brauchst du

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Zurück in Bulgarien (030) – “Mein Tag im Bett”

“Die Katastrophe fängt damit an, dass man aus dem Bett steigt.” Als mir dieser Satz von Thomas Bernhard heute morgen einfiel, war ich mir nicht mehr sicher, ob ich wirklich aufstehen, mir das Beil nehmen soll, um damit Holz zu machen. Ich bin dann besser im Bett geblieben. Erst habe ich mir bestimmt tausendmal den Song “Spent the Day in Bed” von Morrissey angehört und danach noch “Holzfällen” von Thomas Bernhard. Da es zum Holzmachen nun zu spät ist, bleibe ich einfach liegen.
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