Zurück in Bulgarien (029) – “Vor dem Krieg ist nach dem Krieg – So you better start swimming”

Hatte ich neulich noch von den Preisen vor dem Krieg geschrieben, Eier waren da nur halb so teuer, ist die Situation selbst in Bulgarien eher die nach einem Krieg. Hielten früher die Busse noch hinter dem Busbahnhof, wo es dafür sogar eine Art Bahnsteige gab (unten), hält der eine Bus, der noch fährt – es ist der orange Schulbus, jetzt vor dem durch fast 40 Jahre Nichtstun zerstörten Gebäude (oben). Ich komme drauf, weil in der Heimat jetzt schon die Hälfte einen Absturz der Wirtschaft befürchtet. Welche Wirtschaft?, fragt sich der Bulgare. – Nur wer hoch fliegt, kann tief fallen. Was auf Englisch heißt: What goes up, must come down. 

 

PS: Dem Spiegel geht es nur um die nächste Horrormeldung. Horrormeldungen verkaufen sich. So denkt man beim Spiegel. Dass die nächste Meldung lauten könnte: “Spiegel abgestürzt/untergegangen” – daran denkt man in Hamburg nicht.
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Zurück in Bulgarien (028) – “Vollmondfieber”

So sah es bei mir letzte Nacht aus. Es ist der volle Mond, der mir da in den Apfelbaum scheint. Im Hintergrund wie gehabt das Balkangebirge mit ihren Twin Peaks. Der Vollmond letzte Nacht war ein besonderer. Die Nasa spricht von einem “Supermoon”, einem “Blue Moon” und von “Rakhi Purnima”. Die Nasa hat’s echt drauf. Nur, was weiß die Nasa von Bulgarien? Können bestimmt auch nicht Bulgarien und Rumänien auseinanderhalten. Aber zum Mond fliegen … Einen Amerikaner gab es, der sich mit dem Vollmondfieber auskannte, das auch mich letzte Nacht befiel: Tom Petty. Sein Album “Full Moon Fever”, das ich früher oft beim Autofahren gehört habe, beginnt mit “Free Fallin'” – ein Gefühl, das ich in den letzten dreieinhalb Jahren ganz oft hatte. Der zweite Song “I Won’t Back Down” ist sozusagen die Antwort: “Ich werde nicht nachgeben”. Schön auch das letzte Lied “Zombie Zoo”. Noch so ein Gefühl, das ich seit dreieinhalb Jahren nicht loswerde …

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Zurück in Bulgarien (027) – “Auf dem Weg zur Hölle”

Liebesgrüße aus Washington

Heute wurde in Bulgarien der Oberste Polizeichef Petar Todorov zurückgetreten. Dass dies auf Betreiben der US-amerikanischen Botschaft geschehen wird, habe ich Anfang Juni hier und hier vorhergesagt. Der gegangene Oberste Polizeichef fand klare Worte für den Vorgang. Er habe “Ehre und Würde”, im Gegensatz zu den “Konjunkturpolitikern”, die ihn beleidigt haben. Präsident Rumen Radev, der sich heute früh noch weigerte, seinen Oberst Polizeichef zu entlassen, sprach von einer “vollständigen Säuberung” im Innenministerium, die “ausschließlich politischer Natur” sei. Auf die Weigerung des Staatsoberhauptes, den Obersten Polizeichef zu entlassen, reagierte Innenminister Petar Todorov, vermutlich der verlängerte Arm Washingtons in Bulgarien, mit der Drohung: “Wir werden weiterhin hart arbeiten!”

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Zurück in Bulgarien (026) – “Auf dem Basar”

Gestern war ich auf dem Markt, der in Bulgarien Basar genannt wird. Das sind meine Einkäufe. Alles zusammen hat weniger als 20 Lewa (10 Euro) gekostet. Am teuersten waren die Eier. Zehn Eier kosten jetzt vier Lewa (zwei Euro) – doppelt so viel wie vor dem Krieg. Danach kommt schon die Zuckermelone, die drei Lewa (1,50 Euro) gekostet hat. Der Rest war praktisch umsonst. Nach dem Basar war ich noch im Supermarkt, der “Reich Arm” (“богат бедeн” – “bogat beden”) heißt. In Deutschland als Name für eine Supermarktkette unvorstellbar, oder? Bei “Reich Arm” habe ich vor allem Joghurt gekauft, der jetzt mit 1,80 Lewa (90 Cent) auch doppelt so teuer ist wie vor dem Krieg. Dazu ein “Irisches Brot”, das mit Irland so viel zu tun hat, wie das heutige Brot aus der Fabrik mit dem wohlschmeckenden bulgarischen Weißbrot von früher. Es ist schwer geworden, Lebensmittel mit Geschmack zu finden, und das nicht nur in Bulgarien. Fleisch kaufe ich hier gar nicht, seitdem ich erfahren habe, das die Schweinehälften aus Deutschland rangekarrt werden. Dann bin ich lieber Vegetarier – ganz freiwillig. Trinken tue ich übrigens nur Mineralwasser aus der Quelle bei uns im Dorf. Das ist umsonst.

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Zurück in Bulgarien (025) – “Nicht menschliches Geschäft”

Am Sonntag habe ich dieses “Nicht menschliche Geschäft” hier in BG entdeckt. Das “Nicht menschliche Geschäft” gibt es wirklich, aber nicht nur das. Der Name “Nicht menschliches Geschäft” ist darüber hinaus sogar geschützt. Das “Nicht menschliche Geschäft” bietet Tiernahrung an und erinnert mich an eine Aussage, die ich neulich im Internet las. Ein Mensch in der Heimat meinte da, dass die Verbrechen der Nazis, im Gegensatz zum “Nicht menschlichen Geschäft”, menschlich gewesen seien, weil Menschen und nicht Tiere oder Pflanzen sie begangen haben. Im ersten Moment glaubte ich, mich verhört zu haben. Sollte wirklich alles, was Menschen machen, menschlich sein? In gewisser Weise schon, musste ich mir eingestehen. Nur, die Begründung mit den Pflanzen und Tieren, die überzeugte mich nicht. Hinzu kommt, dass die Aussage von jemandem kam, der sich selbst wohl als links bezeichnen würde. Das brachte mich zu meiner eigentlichen Frage, des Pudels Kern sozusagen. Was treibt einen Linken in der Heimat heute zu der Aussage, dass die Verbrechen der Nazis menschlich gewesen seien? Wessen Geistes Kind ist er? Ich erkläre es mir so: Da immer mehr Böses von vermeintlich Guten ausgeht, muss dieses Böse zwangsläufig relativiert werden. Dafür müssen neuerdings auch Nazis herhalten. Wer hat gleich nochmal gesagt, dass wenn der Faschismus wiederkehrt, er nicht sagen wird, er sei der Faschismus, sondern: “Ich bin der Antifaschismus!”?

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Zurück in Bulgarien (024) – “Geistige Unflexibilität”

Auch beim Autofahren gilt in Bulgarien die Devise, dass jeder macht, was er will. Dazu gehört, dass man jeden auch so fahren lässt, wie er will. Das ist gerade am Anfang extrem gewöhnungsbedürftig. Denn insbesondere als Deutscher neigt man dazu, sich über andere aufzuregen, wenn diese sich nicht so wie er an die Regeln halten. Beispielsweise wie die Pferde oben, die einfach mal die Straße überqueren, obwohl es an dieser Stelle gar keinen Zebrastreifen gibt. Nietzsche hat diese nennen wir es “geistige Unflexibilität” des Deutschen einmal so zusammengefasst: “Ein Deutscher ist großer Dinge fähig, aber es ist unwahrscheinlich, dass er sie tut: Denn er gehorcht, wo er kann, wie dies einem an sich trägen Geiste wohl tut.” Oder mit anderen Worten: Des Deutschen Gehorsam ist des Geistes Kind seines trägen Geistes oder so. Jedenfalls gibt es diese Verbindung zwischen dem Gehorchen und dem trägen Geist bis heute bei der deutschen Kartoffel. Das ist zumindest meine Meinung als halber Deutscher. Nur, dieser träge Geist bringt einen nicht weiter, schon gar nicht beim Autofahren. Da muss man in Bulgarien flexibel sein, oder wegen mir auch flüssig, wie man heute sagt, und immer und überall wirklich auf alles und jedes vorbereitet sein. Bei mir dauert dieser Prozess bis heute an.

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Wenn Aluhüte und Schwurbler Recht behalten

Sechs oder sieben Jahre ist es jetzt her, dass die ersten für Uber fahrenden Mietwagen illegal auf den Berliner Straßen auftauchten. Illegal alleine deswegen, weil für Mietwagen die Rückkehrpflicht gilt, und das bis heute, die besagt, dass das Fahrzeug nach dem Auftrag zurück zum Betriebssitz fahren muss, und erst dort den nächsten Auftrag annehmen darf. Da sich der Betriebssitz insbesondere am Anfang außerhalb von Berlin befand und teilweise bis heute befindet, beispielsweise in Königs Wusterhauen oder Nauen, war für jeden, der bis drei zählen kann, klar, dass es sich nur um Betrug handeln kann. Wegen den rechtswidrigen Geschäftspraktiken von Uber, wofür der Staat rechtsfreie Räume geschaffen hat, habe ich im März 2020 meine Arbeit als Taxifahrer in Berlin verloren. Corona war nur der Anlass, aber nicht der Grund dafür, dass ich heute in Bulgarien lebe. Im August vergangenen Jahres erschien mein Artikel “Taxifahren war mein Leben – bis Uber nach Berlin kam und die Branche zerstörte” in der Berliner Zeitung, der eher persönlich ist. Im September veröffentlichte Multipolar meine ausführliche Recherche “Wir haben den Leuten eine Lüge verkauft” zum Thema Uber. Im Mai diesen Jahres kontaktierte mich Öffentlich/Rechtlich, angeblich wegen meinem Artikel in der Berliner, in Wahrheit aber wegen meinem Beitrag auf Multipolar. Ausführlich habe ich mich mit Öffentlich/Rechtlich daraufhin unterhalten. Zu diesem Zeitpunkt, es war Ende Mai, war die Recherche dort noch am Anfang. So wusste man bei Öffentlich/Rechtlich nicht, was ich mit der Strohmannkonstruktion eines Generalunternehmers meine, dessen sich Uber in der Person von Thomas Mohnke bedient, weswegen ich es ausführlich erklärt habe. Jetzt freue ich mich zu lesen, dass Öffentlich/Rechtlich meine These offensichtlich aufgegriffen hat, auch wenn es Öffentlich/Rechtlich genauso wie mir nicht möglich war, herauszufinden: “Was der Generalunternehmer für seine Tätigkeit erhält, ist nicht geklärt.” Schön auch die Titel der unterschiedlichen Beiträge: “Das Uber-System – Fahrer sind Opfer organisierter Schwarzarbeit” und “Das Uber-System – Mit der App in die Armut”, der sogar zweimal auftaucht. Das absolute Highlight sind für mich die Kontrollen, bei denen der Zoll meine Idee aus meinem Multipolar Artikel aufgreift, die Daten aus dem Smartphone der Fahrer mit den abgerechneten Daten abzugleichen. Dass Uber neben dem Rechtsbruch immer auch Betrug ist, haben wir Taxifahrer als Insider von Anfang an gesagt. Wären damals schon Begriffe wie Verschwörungstheoretiker, Aluhut und Schwurbler aktuell gewesen, hätte man uns vermutlich genau als solche bezeichnet. So wurden wir “nur” als Idioten und Dummköpfe hingestellt, auch von Öffentlich/Rechtlich. Dass Öffentlich/Rechtlich heute das bestätigt, was wir von Anfang gesagt haben, ist eine Genugtuung für mich, auch wenn ich deswegen meine Arbeit als Taxifahrer nicht zurückbekomme. Fehlt nur noch eine ehrliche Entschuldigung dafür, dass das so lange gedauert hat.
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Zurück in Bulgarien (023) – “Die Obrigkeitshörigen”

Ihr Denkmal

Gestern wurde in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein Denkmal für die Obrigkeitshörigen eingeweiht. Es ist das erste Denkmal für Obrigkeitshörige überhaupt. Das Denkmal ist eine Dreipersonengruppe, bestehend aus zwei Männern und einer Frau, die gemeinsam nach oben schauen. Nach oben zu schauen ist ein für Obrigkeitshörige typisches Verhalten. Nach unten treten sie. Obrigkeitshörige müssen praktisch permanent nach oben schauen, um keine Anweisung von dort zu verpassen. Die Frau trägt dafür außerdem ein Hörgerät in ihrem rechten Ohr. Während der Mann hinter ihr seine Augen noch mit der Hand vor den Sonnenstrahlen schützen muss, machen diese dem anderen Mann und auch der Frau mit dem Hörgerät nichts mehr aus. Obrigkeitshörige sind blind für die Realität und ohne Mitgefühl für andere. Ihr Motto dabei ist: “Das war doch schon immer so!” Sie kommen zu nichts anderem mehr, als nach oben zu schauen. Ihr Leben ist ein einziges hören und gehorchen und dabei nach unten treten. Obwohl, oder vielleicht besser: weil es nur wenige Obrigkeitshörige gibt in Bulgarien, wurde hier das erste Denkmal für sie eingeweiht. Es soll eine Mahnung sein an alle Obrigkeitshörigen, und das weltweit: “Stoppt die Obrigkeitshörigkeit!”

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Zurück in Bulgarien (022) – “Thomas Bernhard auf Bulgarisch: Томас Бернхард”

Thomas Bernhard, der alte Grantler aus Österreich, ist auch ins Bulgarische übersetzt. Er selbst ist wohl nur bis Jugoslawien gekommen. Zu der Annahme komme ich, weil der Autor in “Alte Meister” die Toiletten in Jugoslawien erwähnt, die er als besser empfand als die Toiletten in Wien. Thomas Bernhard war – genauso wie ich – besessen von Toiletten. Leider ist “Alte Meister” noch nicht ins Bulgarische übersetzt, was Bernhard aber vermutlich egal gewesen wäre. Das denke ich, weil der Meister in seinen Monologen auf Mallorca über seine ins Spanische übersetzten Bücher meinte, dass jede Übersetzung schon wieder eine anderes Buch ist. Dem bulgarischen Verlag “Atlantis” war das egal. Dort muss man, auch weil sich der Verkauf der Übersetzungen ins Bulgarische in Grenzen hält, von Thomas Bernhard besessen sein. Möglicherweise so besessen wie Bernhard – und auch ich – von Toiletten. Das ist jetzt nur eine Vermutung. Was ich mit Sicherheit weiß, ist, das folgende fünf Bücher von Thomas Bernhard ins Bulgarische übersetzt sind:
“Frost”

“Das Kalkwerk”

“Beton”

“Meine Preise”

“Holzfällen”

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Zurück in Bulgarien (021) – “Beim Friseur”

Gestern war ich bei meiner bulgarischen Friseurin. Ich weiß gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal bei ihr war. Bin ja so viel unterwegs gewesen. Jedenfalls hat sie den Preis von fünf auf sechs Lewa erhöht, also von 2,50 auf 3,00 Euro, was mir aber egal ist. Denn in Wahrheit gehe ich gar nicht zum Haare schneiden zu ihr, sondern wegen ihren Sprüchen. In Bulgarien erzählt man nichts seinem Friseur, sondern der Friseur erzählt einem etwas mit Sprüchen, die man lesen muss. Zumindest mache ich das immer. Gestern hat mir obiger eingerahmter Spruch am besten gefallen: “Wenn Gott dich glücklich machen möchte, führt er dich normalerweise auf den schwersten Weg, denn einen leichten Wege zum Glück gibt es nicht.”

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