Bericht aus Berlin (014) – “Bulgarien ohne Bulgaren”

In 10 Jahren hat Bulgarien 11,5 % seiner Bevölkerung verloren – ist der demographische Kollaps noch umkehrbar? Das fragt sich ganz aktuell das Bulgarische Nationalradio BNR.

Wichtig ist, worüber nicht berichtet wird

“Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten!”, so lautet der vielleicht wichtigste journalistische Schlachtruf. Auch hier gibt es Ausnahmen, und zwar wenn die Nachricht ein Land betrifft, das niemanden interessiert, weil die allermeisten es gar nicht kennen, weswegen sie es regelmäßig mit dem Nachbarland verwechseln. Und doch sind die schlechten Nachrichten auch für uns von Interesse, denn wir sind Profiteure des Niedergangs. Des einen Leid ist des anderen Freud. Oder mit den Worten der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt: “Wir kriegen jetzt plötzlich Menschen geschenkt.” Das ganze auf einer Synode der evangelischen Kirche in Bremen. Das muss man sich einmal vorstellen. – Menschenverachtender geht es kaum. Selbst Sklavenhändler bekommen für Menschen, die sie verkaufen, Geld. Gut, manchmal wird auch ein Sklave verschenkt – an besonders gute Kunden.

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Bericht aus Berlin (013) – “Amerika ist ein Fehler”

„Amerika ist ein Fehler; ein gigantischer Fehler, aber ein Fehler.“ – Sigmund Freud
Flughafen San Francisco (SFO)

Ab dem 11. Mai darf auch ich wieder nach Amerika reisen. Seit einiger Zeit bin ich nicht nur Deutscher und Bulgare, sondern auch Amerikaner, habe ich Familie in den Vereinigten Staaten. Nach Bulgarien durfte ich jederzeit, und natürlich auch nach Deutschland, aber da wollte ich gar nicht hin. Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dem “Land der Freien” und der “Heimat der Tapferen”, durfte ich anderthalb Jahre nicht. Meine Schwiegermutter musste mich letztes Frühjahr in den Schluchten des Balkans besuchen, damit wir uns mal sehen. Es war wie früher zu Mauerzeiten. Meine West-Berliner Oma durfte mich in der DDR besuchen, ich aber nicht sie in Neukölln. Seit einigen Wochen liegt meine Schwiegermutter im Krankenhaus, und ich müsste eigentlich zu ihr nach Kalifornien. Als es mit Corona losging, konnte ich mir das Demonstrieren nicht leisten, jetzt kann ich mir das Fliegen nicht mehr leisten – fällt mir dazu ein. Immerhin, ab dem 11. Mai soll es wieder möglich sein, worüber ich einen aktuellen Artikel geschrieben habe. Er ist mir nicht leicht gefallen, den ganzen Tag habe ich an ihm gearbeitet. Gestern Abend wurde er veröffentlich, mit einem Foto von mir, aufgenommen bei der Ankunft am Flughafen in San Francisco. Oben eine Aufnahme vom Flughafen bei der Abreise.

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Bericht aus Berlin (012) – “Der tägliche Kampf”

Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse ist einmal im Jahr, der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben ein täglicher. Was die Meetings der Anonymen Alkoholiker damit zu tun haben und welches Potenzial in ihnen steckt.
Ich war dabei!

Am 1. Mai, dem Maifeiertag, wird in Form von Demonstrationen und feuchtfröhlichen Feiern unserer täglichen Arbeit gedacht. Traditionell starteten die revolutionären Kämpfe am Vorabend in der Walpurgisnacht in Berlin-Kreuzberg. Dieses Jahr in Form einer Queer-feministischen Demo, auf der Männer ausdrücklich unerwünscht waren.

In Steinwurfnähe in der St. Michael-Kirche im Stadtbezirk Mitte fand zeitgleich ein Marathon-Meeting der Anonymen Alkoholiker (AA) und der Al-Anon Familiengruppen statt, eine weltweite Selbsthilfeorganisation von Angehörigen von Alkoholkranken. Marathon-Meeting deswegen, weil es am 30. April um 12 Uhr begann und am 1. Mai um 12 Uhr endete.

In jeweils zweistündigen Veranstaltungen zu Themen wie „Die Wurzeln unserer Schwierigkeiten“, „Liebe und Toleranz“ und „Demut – Der wahre Weg zur Freiheit“ wurde in der drittältesten katholischen Kirche in Berlin, die nach der Reformation errichtet wurde, die Nacht zum Tag gemacht. Ganz ohne Bengalos und Böller, Alkohol oder sonstige Drogen.

In der Abschlussrunde am 1. Mai von 10 bis 12 Uhr mit dem Titel „Ein spirituelles Leben ist keine Theorie“ sprachen drei Betroffene jeweils 25 Minuten über ihren Weg in ein Leben ohne Alkohol. Dabei fielen Sätze wie „Spiritualität statt Spirituosen“, „Das Leben neu Lernen“ und „Ein Leben aus der Seele heraus“. Eine Sprecherin nannte aus eigener Erfahrung Alkoholiker „Kinder des Zorns“ und das Besuchen von Meetings das „Gesunden der Seele“.

Sucht wird in unserer Gesellschaft in aller Regel als persönliches Problem des Einzelnen betrachtet. Man kann es auch als ein gesellschaftliches Problem sehen. Ich begreife unsere Gesellschaft als eine süchtige Gesellschaft. Wir leben in einem Suchtsystem.

In einem Suchtsystem ist die gesamte Gesellschaft süchtig, selbst wenn einzelne ihrer Mitglieder keinen Alkohol und auch keine anderen Drogen zu sich nehme. Deswegen gibt es die Al-Anon Familiengruppen, in denen sich Angehörigen von Alkoholkranken organisieren, denn sie sind als Co-Abhängige ebenfalls von der Sucht betroffen.

Eine Veränderung der Gesellschaft kann nur bewerkstelligt werden, wenn sich der Einzelne verändert. Das Einfache, was so schwer zu machen ist, denn wir alle haben Angst vor Veränderungen, die allerdings anstehen – so oder so. Eine Gemeinschaft wie die der Anonymen Alkoholiker und allen voran ihre Treffen, auf denen jeder von sich und seinem Befinden im Moment spricht, könnten ein Weg sein. – Vielleicht der einzige.

Der Kampf gegen die Sucht findet nicht nur an einem Tag im Jahr statt und auch nicht an zweien, sondern ist ein täglicher. Der tägliche „Schlachtruf“ der Anonymen Alkoholiker ist „Gute 24!“, denn es geht an erster Stelle immer „nur“ darum, die nächsten 24 Stunden trocken zu bleiben, das erste Glas stehen zu lassen.

Zum Leben im Hier und Jetzt gehört auch, dass ein jeder bei den Meetings willkommen ist. Die einzige Voraussetzung für den Besuch ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören, den Teufelskreis der Sucht verlassen zu wollen.

Ein „Du gehörst hier nicht hin!“ gibt es bei den Anonymen Alkoholikern nicht. Eine Ausnahme gab es am Wochenende schon: Hunde mussten leider draussen bleiben.

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Bericht aus Berlin (011) – “Weltpuff Berlin”

Links aussen: “Weltpuff Berlin”
(am Sonntag auf dem “Boxi”)

“Weltpuff Berlin” ist ein 2018 bei Rowohlt erschienener Roman von Rudolf Borchardt. Das besondere an dem Buch ist neben seinem Titel der Umstand, dass die erotische Handlung im Berlin der Kaiserzeit spielt. Genau genommen sind es ganz viele erotische Handlungen, die allesamt mehr oder weniger autobiografisch sein dürften. Das ist der Grund, dass der in den dreißiger Jahren in Italien verfasste Roman erst jetzt veröffentlicht wurde. Die Erben des Autors hatten ihn wegen seiner Freizügigkeit viele Jahre zurückgehalten. Schon damals war es so, dass ohne Geld für den Mann sexuell nichts lief. Außer man war jung wie der Autor es damals war. Heute haben selbst junge Männer keinen Sex mehr, habe ich mir sagen lassen. Dann sollen sie zumindest davon lesen, dachte ich mir, als ich den Roman am Sonntag mit zum Flohmarkt nahm. Bis zum Schluss blieb “Weltpuff Berlin” unverkauft. Offensichtlich fehlt vielen Menschen heute das Geld für ein gutes Buch. Interessant waren die Reaktionen auf den Titel. Ich hatte “Weltpuff Berlin” auch als Hingucker mit auf den Flohmarkt genommen und ihn nicht zu übersehen links aussen platziert. Die Reaktionen reichten von einem verschämten “Oh!”, über ein Lächeln bis hin zum liebevollen Streicheln des Umschlags, wobei letzteres den stärksten Eindruck bei mir hinterließ. Deswegen wird “Weltpuff Berlin” auch am nächsten Sonntag wieder am Start sein. Ich bin schon sehr gespannt zu sehen, wie die Reaktionen dann ausfallen, ob ich das Buch irgendwann verkaufe und an wen.

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Bericht aus Berlin (010) – “Ich als Schwurbler”

Fällt leichter, wenn JA Nein ist, wie in Bulgarien

In dem Podcast “Bulgarisches Nicken” habe ich gesagt, dass Hitler nicht nach Moskau gekommen ist, was richtig ist, und vor ihm Napoleon ebenso nicht, was nicht den Tatsachen entspricht. Auch ich also ein Schwurbler, wenngleich ein gemäßigter. Hintergrund des Ganzen war diese Aussage Medwedews: “Der Deutsche, der Russland angreifen will, muss auf unsere Parade in Berlin gefasst sein.” – Ich wäre gut beraten gewesen, mich in meinem Kommentar ausschließlich auf Deutschland zu beziehen, auch weil die Reaktionen auf meinen Fehltritt so typisch deutsch ausfielen. Angefangen davon, dass ich wieder nach Bulgarien gehen soll, darüber dass man sich für Bulgarien nicht interessiere, bis hin dazu dass gefühlt hundert auf meinen Fehler hinwiesen, den ich nur einmal begangen habe. All dies erinnert mich an die deutsche Besserwisserei und Rechthaberei, die ich in Bulgarien ablegen konnte, und worüber ich hier geschrieben habe. Neben der Besserwisserei und der Rechthaberei ist auch die Fehlersuche etwas typisch deutsches, das ich ebenso von mir kenne. In Bulgarien durfte ich lernen, dass der, der immer und überall nach dem Haar in der Suppe sucht, die Suppe verpasst.

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Bericht aus Berlin (009) – “Tränen lügen nicht”

Welches Kind hätte nicht Grund zu weinen?
Dass eine Generation keine Zukunft mehr für sich sieht, ist nicht neu. Das Phänomen gab es schon einmal, und zwar in den Achtzigern. “No Future” lautet damals das Motto nicht weniger Jugendlicher. Die Wirtschaft rutschte in ihre schwerste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Dazu kam das Wettrüsten der beiden Supermächte und die damit verbundene Angst eines atomaren Weltkrieges. Und auch die Zerstörung der Umwelt spielte eine Rolle. Der “Saure Regen” und das “Ozonloch” waren Tagesthemen. Trotz dieser Gemengelage fehlte damals die Hysterie der “Letzten Generation” von heute. Ich bin gerade nicht auf dem neuesten Stand, an welchem Tag das Ende der Welt nun genau sein soll. Ich weiß aber, dass von “Saurem Regen” und dem “Ozonloch” heute niemand mehr spricht. Und auch das Weltende der Zeugen Jehovas ist bis heute nicht eingetreten. Obwohl auch die Zeugen Jehovas genauso wie die Letzte Generation diesen religiösen beziehungsweise pseudoreligiösen Hintergrund haben. Der ist auch wichtig, denn ohne Endzeit-Kirche keine Gläubigen. Ich selber glaube an ein Trauma bei den meisten Klimaklebern, und zwar ein Bindungstrauma. Die meisten der Letzten Generation sind nicht nur unverbunden mit der Natur, die sie vorgeben zu retten, sondern haben keine ausreichende Bindung zu den Eltern. Viele sind vermutlich in Patchwork-Familien oder ganz ohne aufgewachsen. Dann wird es schwierig über seine Eltern zu weinen. Und welches Kind hätte nicht Grund dazu?
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Bericht auch Berlin (008) – “Ich als Type”

“Was is das für ne Type, die sich über schlechte Laune und fehlenden Humor in Berlin mokiert?”, fragt sich einer der Kommentatoren des obigen Podcasts von Paul Brandenburg, an dem ich die Ehre hatte mitzuwirken, um die Frage gleich selbst zu beantworten: “Soll’n wir mitlachen, wenn die ganze Welt über Berlin lacht?” – Der Bulgare sagt dazu, was er immer sagt, und zwar dass es schlimmeres gibt, in dem Fall als mitlachen. Der Krankenpfleger in mir möchte hinzufügen, dass Lachen die beste Medizin ist. Herzinfarktpatienten beispielsweise lachen unter ärztlicher Aufsicht, verringern dadurch ihren Blutdruck und damit die Gefahr eines erneuten Infarktes. Mit dem Lachen, auch und gerade über Berlin, kommt das Wohlbefinden.
Podcast PaulBrandenburg
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Bericht aus Berlin (005) – “Letzte Generation” – sic!

“Letzte Generation” – so sieht sie aus

Solange ich in Bulgarien war, stand ich der “Letzten Generation” in der Heimat haltungslos gegenüber. Als ehemaliger Taxifahrer, der auf den Berliner Straßen zuhause war, ist mir das nicht gerade leicht gefallen. Nach gut drei Wochen in der Zentrale des Irrenhauses Deutschland habe auch ich jetzt eine Meinung zu den Klebekindern. Ich denke, dass sie in der Tat die letzte Generation sind. Wenn ich es richtig verstehe, kämpfen sie, wenn sie sich nicht gerade auf der Straße festkleben oder in Museen Tomatensuppe auf Glasscheiben kippen, dafür, dass ein jeder das Recht hat, Kinder zu kriegen – also auch Männer. Monty Python hat die Geschichte von Loretta alias Stan vor vielen Jahren in ihrem Klassiker “Das Leben des Brian” kongenial festgehalten. Genau war es 1979. Heute vergessen Klebekinder vor lauter Kampf, besser Krampf, das Kinder machen. “Make Love – Not War” ist ihnen unbekannt. Deswegen stören sie sich auch nicht am Krieg, an dem sie sich eigentlich festkleben müssten, um das Klima zu retten. Ohne Liebe, nicht nur weiter Krieg, sondern auch keine Kinder. Aus diesem Grund ist die “Letzte Generation” im wörtlichen Sinne die letzte Generation. Einfach weil sie selbst keine Kinder mehr hervorbringt – außer sich selbst natürlich. Sic! Wie es aussieht, werde ich mir im Alter den Arsch selber abwischen müssen. Damit kann ich leben. Was mir mehr Sorgen bereitet, ist der missionarische Eifer der “Letzten Generation”. Der geht mir ehrlich gesagt auf die Eier, soweit mir dies als alter weißer Mann noch erlaubt ist. Wenn sich die “Letzte Generation” nicht an den ihnen von Mutti auferlegten Stubenarrest gehalten hätte, dann hätte sie den unmaskierten Spaziergängern vermutlich die FFP2-Maske im Gesicht festgeklebt. Man stelle sich vor, die Spaziergänger hätten sich irgendwo festgeklebt! Wie brutal wäre die Polizei dann erst mit ihnen umgesprungen?!? Dass sich die “Letzte Generation” heute darüber beschwert, wie die Polizei mit ihnen umgeht, kann nur ein Witz sein. Sie selbst meinen es mit ihrer Klage über das angeblich harte Vorgehen der Polizei natürlich ernst. Gerade sehe ich eins von diesen Klebekindern, das nach den Ordnungshütern schreit, weil ein Autofahrer es geschubst hat. Damit hat das Klebekind nicht gerechnet, als es seinen Safe-Space verließ. Deswegen ist es mit der “Letzten Generation”, die sich eigentlich in Katar, wo der CO2-Fußabdruck pro Kopf am größten ist, auf die Straße kleben müsste, auch bald vorbei. Sie ist heute schon Schnee von gestern. Und das ist auch gut so, denn die Klebekinder aus dem Safe-Space sind alles andere als Revolutionäre. Sie sind nur die nützlichen Idioten, die vom eigentlichen Thema ablenken, und das ist immer noch die soziale Frage.

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