Unter dem Titel “Dieser Krieg ist nicht unsere Wahl” berichtet der bulgarische staatliche Rundfunk über die Friedensdemonstration heute vor dem Nationalen Kulturpalast in Sofia. Der Leser erfährt, dass die Demonstration unter den Mottos “Bulgarien – Zone des Friedens” und “Nein zum Krieg und zur Einmischung Bulgariens in den Konflikt in der Ukraine” stand. Die demonstrierenden Bürger forderten die Neutralität ihres Landes sowie die Durchführung eines Referendums, damit das Volk seine Position zum Krieg in der Ukraine zum Ausdruck bringen kann. Der Demonstrationsteilnehmer Ivan Radichev sagte, er sei bei dem Protest gewesen, weil er Neutralität wolle. Ihm zufolge verfügt Bulgarien über genügend natürliche und fossile Ressourcen, um ein unabhängiges, neutrales und freies Land auf dem Balkan zu sein. Die Demonstrationsteilnehmerin Miglena Yoncheva erklärte, dass sie bei dem Protest dabei sei, weil sie Bulgarin und Mutter sei. Wörtlich sagte sie: “Weil ich immer noch glaube, dass es in Bulgarien genug Menschen gibt, die sich vereinen und Frieden herbeiführen können, nicht Krieg. Ich möchte eine Zukunft für meine Kinder, die ich nicht weglaufen lassen möchte, wie die Menschen meiner Generation weggelaufen sind.” Die Initiative ist, so der staatliche Rundfunk weiter, mit sieben anderen Städten des Landes verbunden. Die Idee ist, den Friedenswillen der Menschen zum Ausdruck zu bringen, erklärten die Organisatoren in den sozialen Netzwerken. Auch in Varna am Schwarzen Meer versammelten sich Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, politischen Parteien und Bürgern mit Plakaten, auf denen beispielsweise “Frieden und Neutralität” zu lesen waren. Einer der Organisatoren der Kundgebung, Georgi Velikov, sagte: “Wir sind für Frieden und Neutralität Bulgariens in Bezug auf den Krieg in der Ukraine.” Und weiter: “Bulgarien sollte eine Zone des Friedens sein. Wir sehen aber, dass die uns Regierenden aus Gründen, die mir nicht klar sind, höchstwahrscheinlich den Interessen von jemand anderen dienen und versuchen, das Land in einen Krieg zu führen. Ich billige keinen Krieg und denke nicht, dass der Krieg durch Waffenlieferungen oder Truppenentsendungen gelöst wird. Dies kann nur durch Diplomatie, durch Verhandlungen, durch Gespräche geschehen.” – Begriffe wie “Friedensschwurbler” und “Lumpenfazifisten”, “Putinfotzen” oder “Putinschwanzlutscher”, “Querfront” und “Kontaktschuld” – wie in der Heimat – kamen in der Berichterstattung des staatlichen bulgarischen Rundfunks nicht vor. Es handelt sich dabei offensichtlich einmal mehr um typisch deutsche Phänomene.
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Erfahre gerade, dass die Sprengung der Ostsee-Gas-Pipelines ein “mysteriöser Sabotageakt” gewesen sei. Immerhin, er ist nicht umstritten und auch nicht strittig. Es hat ihn zweifellos gegeben. Während neulich noch alles auf die Biden-Administration als Auftraggeber hindeutete, könnte es heute schon ein “proukrainisches Kommando” gewesen sein. Damit käme Selenskyj ins Spiel und mit ihm erneut Biden. Geht man in der Chronologie weiter zurück, kommen noch Friedensnobelpreisträger Obama, “Fuck the EU” Nuland und einige andere hinzu. Wer in der Geschichte bisher noch nicht vorgekommen ist, sind Putin und der Russe. Ich meine, das kann doch nicht sein, dass der Russe unschuldig sein soll! Wo kommen wir denn da hin?! Dass uns möglicherweise noch der große Bruder aus Amerika die Infrastruktur zerstört. Vielleicht noch, nur weil er uns sein teures Fracking-Gas als Freedom-Gas verkaufen will. Auf solch einfache Antworten auf so komplexe Fragen können nur einfach strukturierte Verschwörungstheoretiker kommen. Und deswegen denke ich, dass an der Geschichte etwas faul ist, dass sie unseriös sein muss. Das erscheint mir auch sprachlich naheliegend, denn die Steigerung von umstritten ist bekanntlich: umstritten – mysteriös – unseriös.
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Heute habe ich meine Nachbarin Baba Bore (Oma Borislawa) zum Arzt in die 35 Kilometer entfernte Stadt Vraca gefahren. Öffentliche Verkehrsmittel sind im Nordwesten Bulgariens, der ärmsten Region des Landes, praktisch inexistent. Der Busbahnhof im Nachbarstädtchen Varshets sieht schlimmer aus als nach dem letzten Krieg. Auf dem Boulevard in Vraca, auf dem ich flanierte, während Baba Bore beim Arzt war, ging es dagegen recht zivilisiert zu. Am heutigen Frauentag war jeder dort unterwegs, unzählige Blumenstände reihten sich aneinander und an den Bäumen (links) hingen bereits die ersten Glücksbringer “Marteniza” vom ersten März. Jeder hatte mindestens einen Blumenstrauß in der Hand und alle wünschten einander einen “Frohen Feiertag!”. Obwohl der Internationale Frauentag kein offizieller Feiertag ist in Bulgarien, wird er mehr zelebriert als beispielsweise in Berlin, wo er es seit einigen Jahren ist. Der Umstand, dass etwas für offiziell erklärt wird oder erklärt werden soll wie im Falle von Gaga-Gender-Sprech, ändert nichts daran, wie die Menschen miteinander umgehen. In Bulgarien ist die Sprachverstümmelung übrigens unbekannt und dementsprechend auch die Verbissenheit, mit der sie in der Heimat propagiert wird. Zum Glück kam ich nicht dazu, mir Gedanken darüber zu machen, wie ich damit klarkommen würde, wäre ich jetzt dort, denn Baba Bore klingelte mich an. Auf der Rückfahrt erfuhr ich dann, dass meine Nachbarin Oma Borislawa am Montag ins Krankenhaus muss. So hat jeder seine Probleme. Die Sprachpolizei in Deutschland die Durchsetzung von Gaga-Gender-Sprech. Baba Bore wie sie am Montag zum Krankenhaus kommt.
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