Bericht aus Bulgarien (280) – “Von Luxusproblemen lernen”

Leider nicht auf Deutsch – aber vielleicht demnächst

In Grossbritannien findet gerade ein Umdenken in den Medien über die Berichterstattung statt, das jetzt auch beim Guardian angekommen ist. Ein Umdenken übrigens, das in Bulgarien nicht nötig ist, weil hier die Berichterstattung immer eher auf den Füßen stand, so wie das allermeiste in Bulgarien von hause aus umgedreht wie in der Heimat ist. Aus dem Guardian erfahre ich nun, dass Milliardäre in den USA aktuell ihre ganz eigenen Probleme haben, über die bisher nicht berichtet worden war. Die Superreichen nicht nur in Amerika rechnen mit dem Schlimmsten, sogar mit dem Niedergang des Systems, das ihre Macht bis heute sichert. Deswegen beschäftigt sie, nachdem sie sich bereits mit dem Bau von Bunkern darauf vorbereitet haben, ganz aktuell folgende Frage: “Wie behalte ich nach dem Ereignis die Autorität über meine Sicherheitskräfte?” – Wie wir morgen unser Gas bezahlen, diese Frage stellen sie sich nicht, aber gut, ich stelle mir auch nicht die Frage, wie ich morgen die Autorität über meine Sicherheitskräfte behalte, einfach weil ich sie nicht habe. Auch deswegen ist das Problem der Superreichen für mich eher ein Luxusproblem. Bei den allermeisten dürfte es nicht anders aussehen. Das hat den Vorteil, dass Zeit und Raum bleibt, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen. Und da frage ich mich gerade, ob sich ein “Führer durch den Kapitalismus” rechnet, den ich in Anlehnung an obige “Guides” gerne schreiben möchte, und in dem dann auch Bilder von den erwähnten Bunkern neben verwaisten Börsen enthalten sein könnten. Das ist zwar kein Luxusproblem, aber doch irgendwie kapitalistisch gedacht. Und überhaupt, vielleicht sollte auch ich mir wie die Superreichen zumindest ein paar Konserven für den Ernstfall “preppern”, was der Geldbeutel halt hergibt. Vielleicht gehe ich besser so an die Sache ran, dass ich mich frage, was ich von den Luxusproblemen der Superreichen noch lernen kann.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (279) – “Was ist passiert?”

Bulgarisches Protokoll-Heft – auch für Romane geeignet

“Was ist passiert?” fragt sich Verena Töpper vom ehemaligen Nachrichtenmagazin, dass eine Hochbegabte, die mit 14 Abitur gemacht, danach Medizin studiert hat und dann in die Forschung ging, jetzt Romane schreibt, die kaum einer liest. Also ich würde sagen, die jetzt knapp 30 Jahre alte Frau, sie heißt Minu Tizabi, hat alles richtig gemacht. Sie hat gesehen, wie es in der medizinischen Forschung läuft, spätestens seit Corona sollte das Wissen darüber auch in Hamburg angekommen sein – Zeit genug war ja nun, und sich dann für die wichtigen Dinge im Leben und gegen’s Geld verdienen entschieden. Dass es in der Vergangenheit jede Menge Autoren gab, die zu Lebzeiten kaum oder gar nicht gelesen wurden, weil sie ihrer Zeit voraus waren, weiß die Spiegel-Autorin offensichtlich auch nicht, die es nicht einmal schafft einen ordentlichen Artikel zu schreiben, geschweige denn Romane.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (278) – “Wenn selbst das arme Bulgarien Deutschland abhängt”

PEACE LOVE EMPATHY

Jetzt ist man selbst in Hamburg beim ehemaligen Nachrichtenmagazin dahinter gekommen, was ich seit Jahren erzähle, und von dem ich den Titel übernommen habe. Arm finde ich Bulgarien gar nicht – im Gegenteil. Mein Leben in den Schluchten des Balkans ist um einiges reicher als mein Leben in Berlin war, und das sogar mit weit weniger Geld. Es ist kein Quatsch, wenn ich sage, dass ich mich in Bulgarien nicht nur reich, sondern sogar privilegiert fühle. Privilegiert fühle ich mich deswegen, weil sich mein Leben hier auf wundersame Weise das wirklich wichtige reduziert hat. Praktisch so wie es auf dem T-Shirt des Zigeuner-Mädchens steht, auch wenn es selbst nicht von den im Spiegel-Artikel erwähnten Bildungsprogrammen profitiert, sondern lieber betteln geht. Aber das wichtigste im Leben gibt es bekanntlich sowieso immer umsonst. So sehe ich beispielsweise auch mein Geschenk, hier zu sein, für das ich immer noch ausgesprochen dankbar bin.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (277) – “Ohne Etiketten”

Birnen von der Nachbarin

Am Freitag waren wir bei Baba Bore, wo wir vier Wochen nicht waren. Für jede Woche, die uns Baba Bore, was die liebevolle Abkürzung für Borislava ist, nicht gesehen hat, gab es eine Tüte mit Obst und Gemüse aus ihrem Garten. Die Birnen und Pfirsiche auf dem Tisch waren in einer davon. In den anderen befanden sich Zwiebeln, Paprika, Feigen, Tomaten, Knoblauch, Auberginen und Zucchini. Jetzt sind wir erstmal versorgt. Früher haben wir Dinge auch eingekocht, aber das schaffen wir heute nicht mehr. Dafür sind wir zu sehr mit dem Lesen und Schreiben beschäftigt. Baba Bore weckt wie jedes Jahr ein, sie ernährt damit ihre Kinder, Enkel und Urenkel. Damals hat sie uns Tips gegeben wegen dem Einwecken, aber wir haben auch im Internet nachgeschaut. Und da war es so, dass der Deutsche unbedingt Etiketten fürs Einwecken braucht. Das war komplett irre, auch weil sich dieser Hinweis nirgendwo sonst fand, und beim Deutschen man das Gefühl bekam, dass man ohne Etiketten nicht einwecken kann. Baba Bore sind Etiketten unbekannt. Es geht also auch so. Das können wir aus eigener Erfahrung bestätigen.

Alles von Baba Bore (Borislava)

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (276)

Ein Plakat auf der Demonstration am 19. März in Sofia
In Prag sollen 70.000 Menschen auf der Straße gewesen sein gestern. Ich lese nur noch die Überschriften und die Kommentare. Wenn sie 70.000 schreiben, gehe ich davon aus, dass es mindestens 100.000 gewesen waren, wahrscheinlich eher 200.000. So viele Menschen sind in Sofia bisher nicht zusammengekommen. Wie auch, wenn jeder dritte Bulgare im Ausland lebt. Obwohl, nicht wenige sind in den letzten beiden Jahren in ihre Heimat zurückgekehrt, manche sogar auf ihre Dörfer. Einige von ihnen habe ich auf den zahlreichen Protesten in der bulgarischen Hauptstadt kennengelernt, der ein oder andere der Zurückgekehrten hat sogar zu den Protestierenden gesprochen. Eine Einladung dazu brauchte keiner von ihnen. Dass das alles nützliche Idioten wären, die da auf die Straße gehen, davon habe ich hier noch nie gehört. Aber da ist man selbst beim ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg gerade dabei zurückzurudern, zumindest gestern. Morgen in Leipzig sieht das natürlich schon wieder anders aus. Wie gesagt, ich lese nur noch die Überschriften und die Kommentare, denken kann ich noch selber. Ich brauche die Zeit auch für meine Bücher, die ich mir selbst aus Berlin nach Bulgarien geschickt habe. Gerade lese ich “Im Zeitalter der Sucht” von Anne Wilson Schaef, ihr indianischer Name ist Weán Wamblischka Wanka. Die bekannte US-amerikanische Psychotherapeutin ging schon vor über 30 Jahren davon aus, dass wir in einem Suchtsystem leben, was aber nicht heißt, dass alle an der Nadel hängen, obwohl in diesem Punkt das Buch unter Umständen schon überholt ist. Die Einleitung beginnt jedenfalls mit diesem Satz: “Unsere Gesellschaft zerfällt mit beängstigender Geschwindigkeit.” Im Kapitel “Angst” schreibt die Autorin, sie ist Mitbegründerin des “Woman’s Institute of Alternative Psychotherapy”, dass wir uns unsere Krisen selber schaffen, und zwar “als Garantie dafür, dass doch noch eine geringe Überlebenschance besteht.” So sehe ich auch den Krieg in der Ukraine zwischen Russland und den USA, für den die USA in hohem Maße mitverantwortlich ist und den ebenfalls die USA als größter Kriegsprofiteur auf keinen Fall beenden will. Deutschland, also auch du und ich, wir sind dafür nur die nützlichen Idioten.
Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (275) – “Vom Auswildern”

In der Wüste von Arizona

Weil man in Deutschland jetzt doch nicht frieren will für den Frieden, was die Bulgaren schon seit 30 Jahren ohne zu murren machen, überlegt man nun Strom aus der Ukraine und zwar von dortigen Atomkraftwerken russischer Bauart zu kaufen. Während der ein oder andere in der Heimat sagt, warte mal, da war doch was, da war doch dieser Krieg, fällt mir dazu ein, dass es auch hier in Bulgarien genau ein Atomkraftwerk russischer Bauart gibt, und zwar in Kozloduy an der Donau. Die Abkürzung ist АЕЦ Козлодуй, also AEZ Kozloduy, was für Атомна електроцентрала „Козлодуй” steht und auf deutsch Atomkraftwerk Kozloduy heißt. Ich weiß das deswegen so genau, weil meine bulgarische Ex-Schwiegermutter in Kozloduy an der Donau direkt neben dem Atomkraftwerk gewohnt hat und ich sie dort regelmäßig besucht habe. Wenn man sich dem Ort Kozloduy und seinem Atomkraftwerk genähert hat, tauchten Schilder in drei Sprachen auf, die darauf hinwiesen, dass man nicht fotografieren darf. Eine der drei Sprachen war unsere geliebte Muttersprache und die Übersetzung in diese lautete beim Bulgaren “Machen Photos Verboten”. Ich hab dann immer gedacht, na hoffentlich können die besser mit ihren Atomen als mit der deutschen Sprache umgehen. Jetzt war ich schon über zehn Jahre nicht mehr am Atomkraftwerk in Kozloduy, und ich muss sagen, ich vermisse es gar nicht. Vermutlich, weil ich seitdem öfters in Amerika war, wo nicht nur meine jetzige Schwiegermutter wohnt, sondern auch obige Langohren. Und die darf ich jetzt nicht mehr besuchen, also weder die Langohren, noch meine Schwiegermutter. Das liegt daran, dass ich nicht geimpft bin, besser nicht “gentechnisch behandelt” bin. Ich wollte es erst nicht glauben, aber ohne Gen-Spritze kein Amerika. Und das, obwohl in Europa nun auch der letzte dahinter gekommen ist, dass das Impfen, das diesen Namen nicht verdient, nicht nur nichts bringt, sondern darüber hinaus auch noch nicht ganz ungefährlich ist. An dem Einreiseverbot ändert auch nichts die Tatsache, dass ich mit einer Amerikanerin, auf bulgarisch “Amerikanka”, verheiratet bin, obwohl Staatsbürger wiederum ungeimpft einreisen dürfen in die USA, das einstige “Promised Land”, “Home of the Brave” und “Land of the Free”. Es muss also auch ohne Schwiegermutter in Kalifornien und selbst ohne Langohren in der Wüste von Arizona gehen, wo obige Aufnahme vor jetzt sieben Jahren entstanden ist. Die Esel, das sei noch erwähnt, haben dort früher in den Goldminen gearbeitet und wurden dann irgendwann ausgewildert. Und das kann ich auch nur jedem empfehlen, also das Auswildern. Ohne dem geht es nicht. Wer keinen Atomstrom aus dem ukrainischen Kriegsgebiet haben möchte, sondern lieber kalt duschen will für den Frieden, wie auch ich es nun seit über einem Jahr in den Schluchten des Balkans praktiziere, der muss sich selbst auswildern. Beim Auswildern gilt übrigens: “Machen Photos Verboten”.
PS: Das Auswildern ist insbesondere dem zu empfehlen, der nicht so recht vom Verteidigen seiner Freiheit an der amerikanisch-russischen Front in der Ukraine überzeugt ist, nachdem das mit der Verteidigung der Freiheit am Hindukusch nicht so richtig erfolgreich war, auch wenn die Vereinigten Staaten von Nordamerika ihren nur allzu schmählichen Abzug aus Afghanistan wie einen Erfolg feierten, über den sie zuvor mit den bösen bösen Russen Taliban verhandelt haben, und der, wenn er unter Trump erfolgt wäre, natürlich ein Fehler gewesen wäre – das ist klar. 

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (274) – “An alle Waschlappen”

 

Das halbe Jahr war vorgestern vorbei, ich musste meinen Gasspeicher auffüllen. Beim Russen fülle ich nur wegen der Aussicht auf, das musst du mir glauben. Die Preise sind überall dieselben in Bulgarien: 1,22 Lewa für das Kilo Flüssiggas. Bei zehn Kilo sind das 12,20 Lewa. Damit komme ich bis ins neue Jahr. Alles hätte gut sein können. Aber nein, was muss ich wieder aus Deutschland hören, das Russland ruinieren will. Man beklagt sich allen Ernstes über den bösen Putin, der angeblich nun kein Gas mehr liefert. Aber genau das wolltet ihr doch nicht haben, das blöde Russengas. Lieber wolltet ihr frieren für den Frieden. War doch so, oder? Jetzt ist noch nicht mal Herbst, und ihr jammert schon in Deutschland? Du meine Güte, was seid ihr für Waschlappen! Apropos: War da nicht was mit ‘nem Waschlappen?

Fotos&Text TaxiBerlin