Philanthrokapitalismus Aphorismus gesucht

 

Höre gerade zum ersten Mal vom Philanthrokapitalismus. Wenn ich es richtig verstehe, kann man sich den Philanthrokapitalismus so vorstellen. Man nehme einen Philanthropen wie Bill Gates. Der verdient an Netzen, die gegen Malaria schützen sollen. Um sicher zu gehen, dass sie auch gebraucht werden, lässt er parallel Mücken, die Malaria verbreiten, gentechnisch so verändern, dass sie „robuster“ werden, wie man herausgefunden hat. Was wie ein guter Plan klingt, ist in Wirklichkeit ein alter Hut. Schon Oscar Wilde war er bekannt, als er über Philanthropen wie Bill Gates sagte: „Philanthropen verlieren jedes Gefühl für Menschlichkeit. Das ist ihr hervorstechender Charakterzug.“ Und weiter über Philanthropie meinte Oscar Wilde: „Die Philanthropie ist einfach die Zuflucht solcher Leute geworden, die ihre Mitmenschen zu belästigen wünschen.“ – Gut, den Philanthrokapitalismus, den kannte Oscar Wilde noch nicht. Den Philanthrokapitalismus mittels Aphorismus zu beschreiben, das ist unsere Aufgabe.

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Bericht aus Bulgarien (189) – „Denken in den Schluchten des Balkans“ (1)

und den drei Bestien
Auf meinen letzten Beitrag hat mich Orwell gebracht, der sich nicht nur, so wie ich, mit drei Bestien herumschlagen musste, sondern auch etwas zum Thema Wahrheit geschrieben hat. Auch ich schreibe gerne über die Wahrheit, was mir immer mal wieder vorgeworfen wird, bin dabei aber eher von Bernhard inspiriert, der gerne und oft „Das ist die Wahrheit“ in seinen Büchern geschrieben hat. (Wäre interessant zu erfahren, ob in Thomas Bernhards Werken öfter „naturgemäß“ oder „Das ist die Wahrheit“ vorkommt, und ob „naturgemäß“ überhaupt noch „zeitgemäß“ ist, weil heute jeder alles und jedes sein kann und auch soll, nur nicht „naturgemäß“, also wie ihn die Natur gemacht hat.) Doch zurück zu Orwell und der Wahrheit, die dem Autor so wichtig war, dass er ein ganzes Kapitel über sie geschrieben hat, und das ich wiederum so natur- und zeitgemäß, also in unsere Zeit passend, finde, dass ich es nachfolgend komplett aufgeschrieben habe für dich:
Wahrheit

Jeder, der einmal zur Verteidigung unpopulärer Ziele geschrieben hat oder Zeuge von Ereignissen gewesen ist, die zu Meinungsverschiedenheiten führen können, kennt die furchtbare Versuchung, Tatsachen zu entstellen oder zu unterschlagen, nur weil eine ehrliche Aussage Enthüllungen enthielte, die von skrupellosen Gegnern verwendet werden könnten.

Es gibt immer ausgezeichnete, edle Gründe, die Wahrheit zu verbergen, und diese Gründe werden von Verfechtern der verschiedensten Sachen fast in denselben Worten hervorgebracht. Immer wenn A und B im Gegensatz zueinander stehen, wird derjenige, der A angreift oder kritisiert, beschuldigt, B zu helfen und zu unterstützen. Und oft stimmt es, objektiv und kurzfristig gesehen, dass er die Dinge für B tatsächlich einfacher macht. Darum, sagen die Anhänger von A, haltet den Mund und kritisiert nicht: oder, wenn ihr schon kritisieren müsst, dann wenigstens auf „konstruktive Weise“, was in der Praxis immer gleichbedeutend ist mit günstig. Und von da ist es nur ein kleiner Schritt zur Folgerung, dass die Unterdrückung und Entstellung bekannter Tatsachen die höchste Pflicht eines Journalisten ist.

Wenn man nun die Welt in A und B einteilt und annimmt, dass A den Fortschritt und B die Reaktion verkörpert, ist der Standpunkt gerade noch vertretbar, dass keine Tatsache, die A schadet, je enthüllt werden sollte. Aber bevor man diese Forderung aufstellt, sollte man sich ausmalen, wohin sie führt.

Das ganze Argument, dass man nicht offen sprechen darf, weil man damit dieser oder jener unheilvollen einflussreichen Persönlichkeit „in die Hände spielt“, ist insofern unehrlich, als die Leute es nur verwenden, wenn es ihnen passt.

Hinter diesem Argument liegt immer die Absicht, Propaganda für irgendeine einzelne Interessengruppe zu betreiben und Kritiker so weit einzuschüchtern, dass sie schweigen, indem man ihnen sagt, dass sie „objektiv gesehen“ reaktionär sind. Es ist ein verlockendes Manöver, und ich habe es selbst mehr als einmal benutzt, aber es ist unehrlich. Ich glaube, man ist weniger dazu geneigt, wenn man sich daran erinnert, dass die Vorteile einer Lüge immer kurzlebig sind. Wie oft erscheint es einem eine ausdrückliche Pflicht, die Fakten zu verheimlichen oder zu verfärben! Und trotzdem kann ein echter Fortschritt nur durch vermehrte Aufklärung stattfinden, was soviel bedeutet wie fortwährende Zerstörung vom Mythen.

Das Dumme ist, dass die Reaktion der Leute, wenn man sie belügt, dann um so heftiger ist, wenn die Wahrheit durchsickert, was sie letzten Endes meistens tut.
„Wahrheit“ GeorgeOrwell
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Bericht aus Bulgarien (188) – „Die netten Bestien von nebenan“

Das sind die beiden Bestien von nebenan. Sehen eigentlich ganz nett aus, oder. Und sie sind es auch, so wie meine Nachbarn, denen sie gehören. Die sind eigentlich auch ganz nett. Meine Nachbarn sind drei, wie aller guten Dinge immer drei ist. Auch von den Bestien gibt es drei. Die Mutter-Bestie sitzt immer hinterm Haus, weswegen sie nicht auf dem Bild ist. Neulich kam sie von dort hervor, um mir zu sagen, dass sie sich sicher sei, dass ich eine andere Frau habe, und dass sie alles meiner Frau erzählen wird. Das war ein ganz schöner Schock für mich, wie man sich denken kann. Ich wusste gar nicht, was ich sagen sollte. Ich entschied mich für die Wahrheit, weil man mit der am weitesten kommt. Ich sagte ihr, dass ich nicht nur eine andere Frau habe, sondern drei, auch weil aller guten Dinge immer drei ist, aber dass ich eigentlich schwul bin, und dass meine Frau alles weiß, sie ihr das also nicht sagen braucht. Seither habe ich Probleme, meine Hütte zu verlassen. Es stimmt wohl doch nicht, dass man mit der Wahrheit immer am weitesten kommt.

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Bericht aus Bulgarien (187) – „Themen, die in Bulgarien ganz normal diskutiert werden ohne verschwörungstheoretischem Schaum vorm Mund“

 
Von Martins Kanal „Rationaler Widerstand“

Am Donnerstag war ich zusammen mit meinem besten bulgarischen Freund Martin zu einem Vortrag von Iwan Spirdonow zum Thema Transhumanismus. Iwan Spirdonow hat das erste Buch in Bulgarien zu dem Thema geschrieben, es ist 2021, also letztes Jahr, erschienen. Der von Martins „Ost-West“ Verlag organisierte Vortrag fand in einer Art Künstler-Villa statt, dem „Haus Sofia“, und ungefähr 50 Menschen haben sich zu ihm eingefunden. Nach dem Vortrag wurden Fragen gestellt, eigentlich an den Autor, aber eine ist auch an mich herangetragen worden. Ich wurde gefragt, ob es derartige Vorträge und Veranstaltungen zu solchen oder ähnlichen Themen aktuell auch in Deutschland gibt. Ich tat mich schwer, die Frage zu beantworten, weil ich nicht in Deutschland lebe, und ich wollte auch nichts Falsches sagen. Deswegen möchte ich die Frage an meine Leser in der Heimat weitergeben. Damit diese eine Vorstellung davon bekommen, wie und worüber in Bulgarien diskutiert wird, veröffentliche ich obiges Interview, das mein Freund und Übersetzer Martin in dieser Woche mit seinem englischen Freund Joseph geführt hat, den ich neulich auf dem Jazz-Festival in Sofia kenngelernt habe. Dort war ich mit meinem englischen Freund Jerry, der auch Martins englischen Freund Joseph kennengelernt hat. Bei der Gelegenheit stellte sich heraus, dass beide aus demselben Vorort von London kommen. Die Welt ist ein Dorf, Bulgarien sowieso, das ist bekannt, man trifft sich aber mittlerweile nicht mehr in Berlin oder Prag, sondern in Sofia, was neu ist. Auch um ohne verschwörungstheoretischem Schaum vorm Mund ganz normale Themen zu diskutieren, erlaube ich mir hinzuzufügen.

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Bericht aus Bulgarien (186) – „Geld für jeden“

Nach „Corona für alle“ gibt es in den Schluchten des Balkans jetzt „Geld für jeden“ („пари за всеки“), beispielsweise beim Tanken. Seit wenigen Tagen bekommt man in dem kleinem Land am Rand, das Deutschland in der Zeit voraus ist, 25 Stotinki (13 Cent) pro Liter zurück. Offiziell ist es eine „Anti-Inflations-Maßnahme“ der Regierung, die kürzlich ein Misstrauensvotum verloren hat. Sie wurde also nicht gestürzt, wie es in Deutschland zu lesen war, sondern demokratisch im Parlament abgewählt, ist aber übergangsweise noch im Amt. Und nachdem die pro-westliche, sprich neo-liberale, also im Sinne der USA Politik machende Regierung neulich noch 70 russische Diplomaten ausgewiesen hat, sollen nun auch noch die eigenen Leute besser überwacht werden. Denn der eigens fürs Zurückzahlen der 25 Stotinki ausgebildete Tankstellen-Mitarbeiter muss dabei die Daten der „Glücklichen“ aufnehmen und speichern, selbst bei Barzahlung. Da man fürs Aufnehmen und Speichern der Daten eine spezielle Software benötigt, die über 3.000 Lewa (1.500 Euro) kostet, können dies nur große Tankstellen, darunter die der russischen Kette „Lukoil“, leisten. Das hat zur Folge, dass hierzulande derzeit keiner an den kleinen Tankstellen tankt, denn nicht wenige Bulgaren brauchen die 25 Cent pro Liter Benzin schlichtweg um zu Überleben. Die demokratisch abgewählte, aber übergangsweise noch amtierende pro-westliche, sprich neo-liberale, also im Sinne der USA Politik machende Regierung schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie macht die kleinen kaputt und kontrolliert alle.    –    Schöne Neue Welt 2022.

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„Wenn wir Deutschland verlieren, verlieren wir Europa.“

 

„Wenn wir Deutschland verlieren, verlieren wir Europa“ – so steht es in den Uber Files. Dafür ist bisher wenig aus Deutschland über Uber zu hören, praktisch gar nichts. Der deutsche Tenor ist der, dass „die aggressiven Jahre des Fahrdienst-Vermittlers“ vorbei seien, „man heute ein anderes Unternehmen sei“. – Wirklich? Ich halte mich an das, was der Mann in obigem Video auf deutsch sagt: „Jetzt fangen wir erst richtig an“ (ab 11:10), und das kann ich auch nur jedem empfehlen.

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Menschen wie Macron machen mich krank

Polizeiauto vor der Alexander Newski Kathedrale im Uber-freien Sofia
Menschen wie Macron, denen ich zu verdanken habe, dass ich meine Arbeit als Taxifahrer verloren habe, machen mich krank, aber vor allem sind sie selbst krank. Dies ist der letzte Beitrag über ihn, zumindest vorerst. Kurz noch einmal zur Chronologie: Das Unternehmen Uber aus dem kalifornischen Silikon Valley versucht in Frankreich Fuß zu fassen, es gelingt ihm nicht, weil Gesetze dagegen sprechen, die Arbeitsplätze schützen, an erster Stelle die von Taxifahrern. Daraufhin wendet sich Uber an Macron, der damals Wirtschaftsminister in Frankreich ist. Er verspricht sich das anzuschauen und am nächsten Tag hat Uber den Fuß in der Tür und seine Fahrzeuge auf der Straße. Über die Einflussnahme erfährt der gemeine Franzose nichts, und ohne die Uber Files wüssten wir bis heute nichts von ihr. Jetzt stellt sich Macron, der nun Präsident Frankreichs ist, hin, und sagt, dass er stolz darauf ist, was er getan hat. Als Grund gibt er an, Arbeitsplätze geschaffen zu haben. Dass er Arbeitsplätze vernichtet hat, und zwar die von Taxifahrern, davon spricht er nicht. Noch schlimmer ist aber, das er Recht gebrochen hat, dass er sich hat kaufen lassen. Macron ist ein Uber-Lobbyist und ein Un-Demokrat, der morgen und auch übermorgen alles genauso wieder tun würde. Am Ende ist Macron nur ein uneinsichtiger und unbelehrbarer Straftäter und Krimineller, der aber, so sagt man in Bulgarien, seine Strafe bekommen wird.
PS: Nach dem Zusammenbruch der DDR war es auch ein beliebtes Argument der zuvor Mächtigen, dass sie mit ihrem Tun doch nur schlimmeres verhindert hätten. Praktisch so wie Macron jetzt argumentiert, dass er doch nur Gutes getan hätte.
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