Bericht aus einem gebrochenen Land (132)

Obwohl ich Berlin gestern Richtung Balkan verlassen habe, blicke ich noch einmal zurück in die Zentrale des deutschen Irrenhauses. Obige Vattenfall Werbung habe ich oft von der S-Bahn aus an der Jannowitzbrücke gesehen. Jedesmal habe ich mich über die Verblödung aufgeregt. Zum Schluss habe ich den Witz verstanden. Es ist gar keine Werbung von Vattenfall, sondern eine Steigerung von Zonen-Gabys erster Banane. Die Überschrift heute lautet allerdings nicht “Zonen-Gaby im Glück”, wie im November ’89 die Titanic titelte, sondern “Schlafschafe im Glück”.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (131)

Die Stimmung in Berlin ist am Boden. Viele sind runtergezogen, müde und ausgelaugt. Nicht wenige leiden unter Depressionen. Wer kann, verlässt die Zentrale des deutschen Irrenhauses. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis möchten alle nur noch raus aus Berlin. Einige sind schon mit einem Fuß draußen. Andere sind dabei sich von Dingen zu trennen, um sich für den bevorstehenden Absprung leichter zu machen. Manch einer hofft noch auf Arbeit oder gar auf Familie, die ihn über Wasser hält. Spezielle Büros bieten Wartenden bereits Bänke zum Übernachten an. Berlin wird immer mehr zu einem San Francisco an der Spree. Ich hatte hier über die dystopischen Zustände in der einstigen Hippie und Flower Power Metropole am Pazifik geschrieben, die nun auch in Berlin angekommen sind. Hier eine Arbeit zu finden, die genug einbringt, um sich ein Leben in Berlin leisten zu können, gleicht einem Lottogewinn. Wenn überhaupt, so ist es ein Überleben. Von Familie ganz zu schweigen. Familie ist praktisch wie Sex. Ja, das gab es einmal, ist aber lange her. Eine Möglichkeit gibt es wohl noch. Berlin als ideale Filmkulisse für eine Mischung aus “Soylent Green” und “Idiocracy”.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus einem gebrochenen Land (130)

Nachdem unsere Freiheit neulich noch “erfolgreich” am Hindukusch verteidigt wurde, nun also Litauen. Endlich wieder Ostfront! Eine Brigade unseres Heeres wird in Litauen mit dem Namen “Panzerbrigade 45” neu aufgestellt. Zielgröße sind 4.800 Soldatinnen und Soldaten sowie rund 200 zivile Bundeswehrangehörige und weitere Beschäftigte. Sie werden in Rūdninkai und in Rukla und damit in der Nähe der beiden Großstädte Vilnius und Kaunas stationiert. Ich war schonmal in Litauen. Es war das Jahr 1989. In Litauen ist mir klar geworden, dass sich die Dinge ändern werden, auch bei uns. Denn in Litauen hatten sich damals die Dinge Dank Gorbatschows “Glasnost & Perestroika” schon geändert gehabt. Groß geworden bin ich in Ostdeutschland neben einer großen Kaserne der “Sowjetischen Armee”. Die allermeisten, die jetzt wieder “Jeder Schuss ein Russ!” brüllen, haben vermutlich noch nie einen Russen gesehen, geschweige dass sie in Litauen gewesen wären. Praktisch eine Art “Pegida”, nur umgedreht. Die meisten der “Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes” haben noch nie einen Moslem gesehen. Zumindest wird ihnen das immer vorgeworfen. “Pegida” hat aber noch nie eine Brigade irgendwohin geschickt. Das scheint mir ein großer Unterschied zu sein.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (129)

Knapp 35 Jahre ist es her, dass man mit obigem Aufnäher in der DDR Probleme bekam. Jetzt könnte “Der Tod ist ein Meister aus Deutschland”  ausgerechnet wegen seiner Waffenlieferungen an Israel Probleme bekommen. Ob es sich dabei um Beihilfe zum Genozid handelt, wie es in der Klageschrift Nicaraguas vor dem Internationalen Gerichtshof heißt, ist sekundär. Klar ist, dass Waffenlieferungen das Gegenteil von “Schwerter zu Flugscharen” sind. Und auch, dass ein Gedicht mit dem Titel “Deutschland ist ein Meister beim Frieden machen” viel schöner wäre.
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Bericht aus einem gebrochenen Land (128)

Gestern früh im Supermarkt ist die Umwelt nicht mehr fein raus. Ich werde nur mein Leergut nicht los. Kein Ding. Der Grund ist angeblich mangelnder Strom, und das schon seit Freitag. Wer nun dachte, er könne seine Flasche trotzdem abgeben, wird enttäuscht. Leergutannahme mit der Hand ist im Supermarkt an der Ecke unbekannt. So wie das Abkassieren ohne Strichcode. Dass Produkte Preise haben, die man zusammenrechnen kann, manchmal sogar im Kopf, um am Ende die Gesamtsumme abzukassieren, haben Kassierer, die diesen Namen nicht verdienen, heute nicht mehr im Kopf. Ich warte auf den Moment, dass man den Leuten sagt, dass sie atmen müssen, wenn sie leben wollen. – Aber zum Mond fliegen wollen …
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Bericht aus einem gebrochenen Land (127)

Germania deserta

Am Wochenende war ich im Brandenburgischen unterwegs, wo obiges Bild entstand. Brandenburg erinnert mich an Bulgarien. Es scheint ähnlich verlassen zu sein. Sicherlich, die meisten Dörfer im Brandenburgischen sind (noch) nett anzusehen. Das sind sie in Bulgarien in aller Regel nicht. Dort herrscht der Verfall. Verlassene, verfallende oder bereits in sich zusammengefallene Häuser dominieren dort das Bild. Früher sagte man Verfall einen maroden Charme nach. Das ist heute anders. Verfall ist heutzutage einfach nur noch Verfall. Bleibt die Frage, wo all die Menschen abgeblieben sind, die einst Bulgarien und auch das Brandenburgische bevölkerten. Beim Bulgaren ist es klar. Sie sind im Ausland, viele von ihnen in Deutschland. Das wiederum verlassen immer mehr. Gründe dafür, Deutschland den Rücken kehren, gibt es genug und täglich werden es mehr. Praktisch alle, die ich noch in Berlin kenne, haben die Schnauze voll von der Stadt, wollen raus aus der Zentrale des deutschen Irrenhauses. Nach Bulgarien – wen wundert’s – wollen nur wenige. Die wenigen, die nach Bulgarien wollen, hatten mit Bulgarien bisher nichts am Hut. Das macht mir Mut, aber auch Angst. Vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis Bulgarien wird wie Berlin und es gilt wieder weiter zu ziehen.

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Bericht aus einem gebrochenen Land (126)

Sinnspruch am Frankfurter Tor / Friedrichshain
In sich zu blicken, und dort “Die Soziologie” zu “entdecken”, das schafft nur ein Deutscher. (Immerhin nicht “Die Wissenschaft”.) Dass der Deutsche darüber hinaus in sich “Die Leere” findet, deckt sich mit meiner Beobachtung und Lebenserfahrung. Die allermeisten Deutschen bewegen sich, als hätten sie einen Stock im Arsch. (Vielleicht damit “Die Leere” nicht entweicht?) Mich erinnert “Die Leere” an “Das Grauen” aus “Apocalypse Now” von Francis Ford Coppola. Colonel Kurtz, gespielt von Marlon Brando, sagt dort am Ende 2x “Das Grauen”, also: “Das Grauen. Das Grauen.”. (Der Autor hätte vielleicht auch besser “Die Leere. Die Leere.” geschrieben.) Davor hat Coppola von Hubschraubern aus vietnamesische Dörfer in Schutt und Asche legen lassen, während Wagners Walkürenritt aus gigantischen Lautsprechern tönt. Wagner war Deutscher. Ob er in sich auch “Die Soziologie und Die Leere” entdeckt hat, ist nicht bekannt. Ich denke, dass “Die Soziologie” eine Ablenkung ist. Und zwar eine Ablenkung davon, dass beim Deutschen beim Blick nach innen ausser “Die Leere. Die Leere” nichts zu finden ist.
Foto&Text TaxiBerlin