„Als-Ob“ und andere Persönlichkeiten

Am Freitag war ich in einer Kirche. Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass sie sich im Prenzlauer Berg befindet. Am Eingang erwartete mich obiges Bild, besser Spruch, mit Kreide an die Wand geschrieben, das Ganze zweifarbig. So weit, so normal. In der Kirche selbst stieß ich dann auf eine Person mit diesem T-Shirt in schwarz/weiß.

Die Kirche war wie gesagt im Prenzlauer Berg, weswegen sich meine Überraschung ob des Shirts in Grenzen hielt. Andererseits, nicht nur der Prenzlauer Berg ist voll von, ich nenne sie „Als-Ob-Persönlichkeiten“, wobei „Persönlichkeit“ eine Übertreibung meinerseits ist. „Als-Ob-Persönlichkeiten“ zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Eine sagen bzw. meinen, und das Andere tun, ihnen selbst aber dieser Widerspruch gar nicht auffällt. Anders bei Michel Houellebecq, der kein großer Fan von Nietzsche ist, von dem der Ausspruch „Gott ist tot ist“ stammt. Ich persönlich halte dies für den größten Fehler von Michel Houellebecq, der Nietzsche einst zerstören wollte, und weil ihm dies nicht gelang, er ihn nicht leiden kann und Schopenhauer den Vorzug gibt. Genau das ist der Fehler, meiner bescheidenen Meinung nach, denn Schopenhauer war der Lehrer, und sein Schüler Nietzsche ist um einiges weiter gegangen als sein Erzieher. Trotzdem hat sich Houellebecq vor einiger Zeit sehr positiv über Nietzsche geäußert, wo man auf den ersten Blick meinen könnte, dass auch Michel Houellebecq eine von diesen „Als-Ob-Persönlichkeiten“ aus dem Prenzlauer Berg ist. Ich denke das nicht, aber das nur nebenbei. Es ist jetzt ziemlich genau fünf Jahre her, dass sich Michel Houellebecq wie gesagt positiv über Nietzsche geäußert hat. Weiter zurück liegt, dass Nietzsche nicht nur „Gott ist tot“ gesagt hat, und zwar in seinem „Zarathustra“, sondern in seinem „Antichristen“ auch die gesamte Kirche verteufelt hat. Nicht so lange her ist, genau war es 2020, dass das Buch „Was tun? Leben mit dem Niedergang Europas“ des belgischen Historikers David Engels erschienen ist, den ich die Ehre hatte in Sofia persönlich kennenzulernen. David Engels war zu einer Lesung in der bulgarischen Hauptstadt, sein Buch ist ins bulgarische übersetzt und war dort ein Bestseller. In Deutschland ist es weitgehend unbekannt geblieben, und das obwohl ihm diese bemerkenswerten Worte Houellebecqs vorangestellt sind: Es ist mir der seltsame, sogar unpassende Gedanke gekommen, dass Nietzsche, wenn er heute lebte, vielleicht der erste wäre, der eine Erneuerung des Katholizismus wünschen würde. Während er damals hartnäckig das Christentum als eine Religion der Schwachen bekämpfte, würde er heute einsehen, dass die ganze Kraft Europas in jener Religion der Schwachen begründet war, und dass Europa ohne sie verloren ist.

Auf meinem nach-Hause-Weg vom Prenzlauer Berg
Alle Achtung, Du hast ein gutes Auge für Details. Willkommen im Klub. Mein Freund Ronny (RiF) pflegte die „Als-Ob-Persönlichkeiten“, die ganzen „Ferngesteuerten“ da draussen zu nennen. Diese Menschen (?) verfügen über jede Menge „Gratismut“ (Hans Magnus Enzensberger), gepaart mit einem unerschüttbaren (vorgespielten) Selbstbewußtsein, Humorlosigkeit und einer gewissen Arroganz. – Ich für meinen Teil mache einen großen Bogen um solche Narzissten. – Was das Europa der Zukunft angeht, da möchte ich ungern drüber nachdenken. Da kommen nur graue Haare bei rum… PS : Vor kurzem meinte ein Bekannter zu mir, die Narsisstenquote in Westdeutschland, soll ca. 70% betragen. Keine Ahnung ob das stimmt.
Kürzlich ist mir der Begriff „Profilneurose“ wieder eingefallen, den wir vor jetzt auch schon wieder 35 Jahren gerne verwendet haben. Kinder, wie die Zeit vergeht …