Bericht aus Bulgarien (123)
Wegen eines Hackerangriffs arbeitet die Bulgarische Post nicht, und zwar komplett. Man kann seit Tagen nichts auf der Post erledigen, nicht mal, so wie ich, einen Brief abschicken, und das landesweit. Außer mich scheint das aber niemanden zu stören. Und selbst mich stört es nicht wirklich. Es stört eigentlich nur den Deutschen in mir, der immer seine Ordnung braucht. Aber selbst der Deutsche in mir ist nach fast einem Jahr in Bulgarien praktisch verschwunden, vermutlich abgestorben, so denke ich mitunter. Bis ich wieder eines besseren belehrt werde, wenn der Deutsche in mir sich wieder aus der Deckung wagt. Beispielsweise jetzt, wo ich die Post zum wiederholten Mal unverrichteter Dinge verlassen muss.
Der Deutsche in mir braucht immer seine Ordnung und seine Regeln, an die sich auch alle halten. Das war auch der Grund, dass ich nach Bulgarien gegangen bin, weil sich in Deutschland niemand mehr an die Regeln gehalten hat. Da habe ich mir damals gesagt, es war vor ziemlich genau einem Jahr, wenn das so ist, dass sich niemand mehr an die Regeln hält, der Fachbegriff dafür ist „Balkanisierung“, dann kann ich auch gleich nach Bulgarien gehen, also an die Quelle aller „Balkanisierung“.
Einer, der sich nicht an die Regeln gehalten hat und bis heute nicht hält, um jetzt nur ein Beispiel zu nennen, ist Uber, die illegale Taxi-Konkurrenz aus Amerika, der ich zu verdanken habe, dass ich arbeitslos bin. Mit Uber ist es so, dass das Unternehmen seit Jahren verboten ist in Deutschland, aber trotzdem weitermacht. Der Bulgare würde sagen: „Kein Geld für Benzin, aber fährt trotzdem.“ – Das bulgarische Wunder! Am 21. April, also letzte Woche, hat nun der Bundesgerichtshof, das höchste deutsche Gericht, in letzter Instanz bestätigt, dass Uber illegal ist.
In Bulgarien, wo Uber ebenfalls illegal ist, bleiben bei dem Unternehmen aus dem Silikon Valley schon seit Jahren die Schranken unten. Aber nicht nur das. Der Uber-Zentrale, die sich direkt neben der Universitätskrankenhaus „Sofiamed“ befindet, wurden auch die Stromkabel gekappt. Möglicherweise der Grund, dass sich Uber hier an die Regeln hält, im Gegensatz zu Deutschland. Jetzt, wo Bulgarien von zwei jungen Männern regiert wird, die in Harvard studiert haben, ist es vermutlich nur eine Frage der Zeit ist, dass Uber auch in Bulgarien freie Fahrt hat, obwohl es eigentlich verboten ist. Und wo kämen wir denn da hin, wenn sich plötzlich ausgerechnet der gemeine Bulgare an Regeln hält.
Die Geschichte mit Uber in Bulgarien, dass Uber verboten ist und dann auch wirklich verboten ist, ist eine Ausnahme, ein Relikt aus der „guten alten Zeit“. In Zukunft wird es so sein, dass immer öfter das Gegenteil von dem gilt, was Recht ist. Als halber Deutsche finde ich es einerseits schön, dass in Deutschland keine Kabel gekappt werden, was wäre das wieder für eine Unordnung, sondern dass man in der Heimat mit gutem Beispiel vorangeht, so dass Uber jetzt auch das Urteil des höchsten deutschen Gerichtes von letzter Woche ignorieren kann, das in letzter Instanz bestätigt hat, dass Uber illegal ist.
Andererseits gebe ich zu bedenken, dass wenn es so ist, dass man sich darauf verlassen kann, dass immer das Gegenteil von dem gilt, was das Recht sagt und was Gerichte urteilen, wie seit einiger Zeit in Deutschland, die „Balkanisierung“ nicht wirklich verstanden wurde. Denn „Balkanisierung“ bedeutet, dass man sich auf nichts verlassen kann. Beispielsweise auch nicht darauf, dass einem am Ende nicht doch die Kabel gekappt werden.
Fotos&Text TaxiBerlin