Bericht aus Bulgarien (134)
Dass der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow gestern und vorgestern in Washington war, habe ich nicht aus dem Radio, sondern aus dem Internet erfahren. Er soll sich dort mit Joe Biden getroffen und mit ihm über die Bekämpfung der Korruption in Bulgarien gesprochen haben. Ausgerechnet mit dem amerikanischen Präsidenten über die Korruptionsbekämpfung in Bulgarien zu sprechen, darauf muss man erst einmal kommen. Wahrscheinlich hat das Bulgarische Nationalradio „Christo Botew“ das für einen Witz gehalten und deswegen nicht darüber berichtet.
Ministerpräsident Petkow hat auch mit „Fuck the EU“ Victoria Nuland gesprochen, die neulich noch zugeben musste, dass die USA in der Ukraine Bio-Laboratorien unterhalten hat (warum eigentlich? und wofür?), die jetzt dem Russen in die Hände gefallen sind. In dem Zusammenhang fällt mir das Buch „Wie wir sterben. Ein Ende in Würde?“ von Victoria Victoria Nulands Vater Sherwin B. Nuland ein, das ich empfehlen kann, auch seiner Tochter.
Dann ist Petkow in Washington noch ganz zufällig mit Weltbank-Präsident David Malpass zusammengetroffen und hat sich bei der Gelegenheit seine Belohnung für die Abstimmung im bulgarischen Parlament abgeholt. Letzten Mittwoch hat dort eine Mehrheit für „militärtechnische Hilfe“ für die Ukraine gestimmt. Bulgarien ist seither Kriegsteilnehmer am Stellvertreterkrieg zwischen der USA und Russland, obwohl 80 Prozent der Bulgaren dagegen sind.
Außerdem wurde über „Bulgariens Energieunabhängigkeit und -sicherheit nach dem Ende der Erdgaslieferungen“ Russlands gesprochen, was wohl heißen soll, dass der Bulgare von seiner Weltbank-Belohnung gefälligst teures Freckinggas vom Amerikaner zu kaufen hat. Bulgariens Energieminister Alexander Nikolov, der mit nach Washington gekommen war, wird das direkt vor Ort abgenickt haben.
Über den Stellvertreterkrieg in der Ukraine wurde natürlich auch gesprochen, dafür hatte Petkow seinen Verteidigungsminister Dragomir Zakov mit nach Washington gebracht. Der Umstand, dass nur die stellvertretende Außenministerin Velislava Petrova mit von der Party war, deutet darauf hin, dass über Verhandlungen mit Russland anstelle von Krieg in der Ukraine eher nicht gesprochen wurde.
Krieg in der Ukraine ist nur für den Europäer schlecht, nicht für den Amerikaner. Nulands „Fuck the EU“ gilt nicht nur weiterhin, sondern mit dem Krieg in der Ukraine mehr denn je. Donald Trump hat, warum auch immer, Vicoria Nuland nicht rausgekickt aus dem Außenministerium. Er hätte Europa damit einen großen Gefallen getan. Vielleicht hatten sie ja was miteinander. Bekannt geworden ist darüber nichts, aber „Trump fucked ‚Fuck the EU’ Nuland“ wäre keine schlechte Schlagzeile gewesen.
Die Bulgaren wollen sich auf jeden Fall nicht f***en lassen, deswegen gehen sie heute schon wieder auf die Straße. Ob Petkow dann bereits wieder aus Washington zurück ist, ist genauso ungewiss wie die Frage, ob ich es rechtzeitig zur Demo um 18 Uhr nach Sofia schaffe (auch in Varna am Schwarzen Meer wird demonstriert). Irgendetwas hat gestern angeschmort gerochen unter der Motorhaube meines Autos, komische Klänge hat es dort schon seit einiger Zeit immer mal wieder gegeben.
Gerade kommt Kostadin Kostadinow, der Chef der Partei „Wiedergeburt“, im Bulgarischen Nationalradio „Christo Botew“ zu Wort und erklärt dort, dass Bulgarien derzeit keine Regierung habe, weil die amtierende Regierung nicht die Interessen der bulgarischen Bevölkerung vertritt, die zu 80 Prozent eine Neutralität ihres Landes im Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland wünscht. Auch von ihm noch einmal der Hinweis auf die heutige Demonstration vor dem Parlament in der bulgarischen Hauptstadt.
Später am Tag lese ich in der Neuen Zürcher Zeitung unter der Überschrift „Bulgariens schwerer Abschied von einem übermächtigen Freund“ folgenden Satz: „Es geht auch um die grundlegende Frage, ob Völker überhaupt Freunde sein können.“ – Eine Frage, die die USA so beantwortet hat, dass Amerika keine dauerhaften Freunde oder Feinde, sondern nur Interessen hat. Die Frage, die sich mir stellt, ist nun, warum die altehrwürde NZZ aus der neutralen Schweiz nicht auf die Idee kommt, dass das Interesse Bulgariens Neutralität ist. Dasselbe, was die Schweiz für sich beansprucht.
Foto&Text TaxiBerlin