Bericht aus Bulgarien (292) – “Subbotnik am Sonntag und Einladung zum Sibor”

“Zuhause ist dort, wo wir zusammen sind”
Das Motto der Bulgaren

Ein “Subbotnik” ist ein freiwilliger Arbeitseinsatz am Samstag, von dem sich auch sein Name ableitet, der ursprünglich aus Sowjetrussland kommt und den es auch in der DDR gab. Auf bulgarisch heißt der Samstag “Subbota” (Събота), genauso wie auf russisch “Subbota” (Суббота). Das ist keine Überraschung, denn die Bulgaren haben irgendwann einmal die kyrillische Schrift erfunden, dessen sich auch die Russen bedienen. Eine gemeinsame Sprache oder besser Sprachfamilie, hatten sie schon zuvor. Gestern war nun Sonntag, was auf Bulgarisch “Nedelja” (Неделя), aber auf Russisch “Voskresenje” (Воскресенье) heißt. Es gibt also auch Unterschiede zwischen dem Russischen und dem Bulgarischen.

Doch zurück zu meinem “Subbotnik” am gestrigen Sonntag in den Schluchten des Balkans, den ich meinem Bürgermeister auf dem Geburtstag meines Nachbarn versprochen hatte. Um 14 Uhr rief ich meinen Bürgermeister an, um ihm mitzuteilen, dass mein “Subbotnik” um 15 Uhr beginnen wird. Punkt 15 Uhr stand ich arbeits- und abmarschbereit vorm Bürgermeisteramt, wie es sich selbst für einen halben Deutschen gehört. Fünf Minuten später war mein Bürgermeister da, um mir Öl und Pinsel herauszugeben. Er fragte mich, ob ich alleine arbeiten würde, was ich bejahte. Daraufhin bedankte er sich bei mir, und ich begab mich zu meinen Subbotnik-Arbeitseinsatz-Platz im Wald.

Neben dem Pool, den mein Bürgermeister für mich gebaut hat, gibt es zwei Holzpodeste, auf denen Tische und Stühle zum Picknick machen stehen. Diese galt es zu ölen und natürlich auch den Boden, der ebenfalls aus Holz ist. Zuerst musste ich alles vom Laub befreien, denn der Herbst hat in den Schluchten des Balkans bereits Einzug gehalten. Mit im Laub waren auch die ersten Wallnüsse, denn ein großer Wallnussbaum spendet den Sitzmöglichkeiten im Sommer Schatten.

Über das Streichen beziehungsweise Ölen an sich gibt es nicht viel zu berichten, außer dass ich einen Pinsel und keine Rolle benutzt habe, und dass ich mich nicht vorsehen musste, wenn ich etwas verkleckerte, denn es war nur Öl und keine Farbe, und der Boden musste sowieso auch geölt werden. Am meisten sah ich mich vor, dass ich keine Blasen an den Händen bekam, denn ich muss bei mir noch das Holz am Dach ölen, und da kann ich Blasen an den Händen nicht gebrauchen. Das ist sozusagen das nächste, was bei mir ansteht.

Zum Schluss habe ich noch den Müll rings um meinen Pool eingesammelt, wie man das als ordentlicher Deutscher so macht. Eine Dose von meinem Bürgermeister konnte ich nicht verwenden, weil in ihr kein Öl, sondern weiße Farbe war. Der Holz-Boden des zweiten Podestes muss noch geölt werden. Die Arbeit ist also noch nicht vollständig erledigt, was aber zum Motto des Bulgaren passt, der gerne sagt, dass es in Bulgarien Arbeit für das gesamte Chinesische Volk gibt.

Obwohl ich wie gesagt meinen Subbotnik am gestrigen Samstag nicht mit vollständiger Planerfüllung beenden konnte, war ich nicht ganz unzufrieden mit mir und meiner Arbeit. Knapp drei Stunden habe ich nahezu ununterbrochen gemacht und getan und dabei fünf Dosen Öl “verstrichen”, ohne mir dabei auch nur eine Blase zu “erarbeiten”. Für jemanden, der die letzten Monate vorzugsweise mit dem Kopf gearbeitet hat, ist das eine ziemlich gute Leistung, so denke ich.

Vielleicht kann mir mein Bürgermeister im Gegenzug jemanden für meinen Schornstein organisieren. Da muss es auf dem Dach eine undichte Stelle geben. Auch wenn sie nur sehr klein sein kann, hat mein Schornstein eine feuchte Ecke. Der Meister soll natürlich keinen Subbotnik bei mir machen, das ist klar. Ich bin ja schon froh, wenn ich überhaupt jemanden finde, der das macht. Die meisten Bulgaren im arbeitsfähigen Alter sind ja im Ausland, viele in Deutschland.

Mein freiwilliger Arbeitseinsatz am gestrigen Sonntag ist also auch eine Bitte an meinen Bürgermeister, Augen und Ohren für “seinen jungen deutschen Mitbürger und Einwohner” offenzuhalten. So stellt mich mein Bürgermeister immer Leuten vor, die mich noch nicht kennen. Apropos vorstellen: am 23. September wird die Chronik über unser Dorf vorgestellt, in dem auch meine Eselwanderung quer durch Bulgarien vorkommt. Meine Eselin war ja aus unserem Dorf, und meine Wanderung startete an der Wasserquelle auf dem zentralen Dorfplatz, praktisch Downtown, mit dem Segen des Dorfpopen und natürlich auch des Bürgermeisters.

Am 24. September, also am Tag nach der Buchvorstellung, ist unsere Dorfkirmes, wo sich alle auf dem zentralen Dorfplatz versammeln, viele kommen dazu aus Sofia oder gar aus dem Ausland. Nicht ohne Grund heißt Kirmes auf Bulgarisch “Sibor”, was von “sich versammeln” kommt. Auch wer nicht direkt zum Dorf gehört, kann daran teilnehmen. Der Bulgare ist, ich erwähnte das bereits mehrfach, für seine Gastfreundschaft bekannt, auch und gerade am Sibor.

Zu ihr, also zur Kirmes, wird es Live-Musik geben, zu der auf der von der Polizei gesperrten Durchfahrt-Straße von alt und jung getanzt wird, und zwar der ebenfalls bereits erwähnte bekannte “Ringelpietz mit Anfassen”, der auf Bulgarisch “Horo” heißt. Gegessen wird traditionell zu hause in der Familie und mit Freunden. In der Vergangenheit war es so, dass ich mich vor Einladungen nicht retten konnte.

Dieses Jahr wird es wohl noch “verschärfter” werden, weil im letztes Jahr der “Sibor” wegen Corona ausgefallen ist und nun alle ganz heiß sind, denn die Kirmes ist das größte Fest des Jahres überhaupt. Wer noch nie einen bulgarischen “Sibor” miterlebt hat, sollte sich ihn auf keinen Fall entgehen lassen. Dieses Jahr ist, nachdem er wie gesagt letztes Jahr ausgefallen ist, die beste Zeit dafür.

Foto&Text TaxiBerlin

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert