Bericht aus Bulgarien (325) – “Weihnachtsgeschenkempfehlungen”
Ein Leser meines Blogs und guter Freund, der mich dieses Jahr schon zweimal hier in Bulgarien besucht hat, fragt mich in seiner heutigen e-mail, was ich mir zu Weihnachten wünsche würde. Das hat mich sehr berührt, denn mein neuer Freund hat so viel für mich getan, dass ich einen ganzen Beitrag darüber schreiben könnte. Im Moment trinke ich besten englischen Tee, den er mir in Form eines speziellen Tee-Weihnachtskalenders zukommen ließ. Was brauche ich mehr?!? – Aber möglicherweise bist du noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk. Dann habe ich etwas für dich, und zwar obiges Buch von Jordan Raditschkow. Es ist eine Erstübersetzung aus dem Deutschen, die dieses Jahr beim Berliner eta Verlag erschienen ist. Der Übersetzer Andreas Tretner hat es mir kürzlich zukommen lassen. Ich kenne Andreas persönlich, er ist einer der besten Übersetzer aus dem Bulgarischen. Andreas gehört offenbar auch zu den Lesern meines Blogs, denn er wusste, in welchem Dorf ich wohne. Von meinem Dorf aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Doppelspitzen der Todorini Kukli, die 1785 Meter hoch sind, und die ich die bulgarischen Twin Peaks nenne. Den besten Blick auf sie habe zweifellos ich von meiner Hütte, das sagt auch mein Bürgermeister, und der muss es wissen. Der Hauptprotagonist in dem von Andreas aktuell aus dem Bulgarischen übersetzten Buch “Die Schleuder” von Jordan Raditschkow schwärmt auch von dem Blick auf die Todorini Kukli. Raditschkow selbst kommt aus einem Dorf in der Nähe, das irgendwann einem Staudamm weichen musste. Das Original-Dorf, aus dem Raditschkow ursprünglich kam, ist aber nicht das im Buch beschriebene. Und es ist auch nicht mein Dorf, sondern ein vom Autor ausgedachtes, fiktives Dorf. Eigentlich geht es auch gar nicht um das Dorf, sondern um den Blick, den ich Tag für Tag aufs Neue genieße, wenn nicht, so wie jetzt, die Todorini Kukli in Nebel gehüllt sind. Also selbst ich sehe meine geliebten bulgarischen Twin Peaks gerade nicht. Es geht also nicht nur dir so. Du kannst aber ein Gefühl für den Blick bekommen, denn er ist in dem kürzlich erschienen Buch “Die Schleuder” von Jordan Raditschkow, das von Andreas Tretner ins Deutsche übertragen wurde, gut beschrieben, weswegen ich es als Weihnachtsgeschenk nur dringend empfehlen kann. Es gibt kein besseres Geschenk, einfach weil es keinen besseren Blick gibt.
PS: Wer sie noch nicht hat, dem lege ich auch die beiden von mir herausgegebenen und beim Wieser-Verlag in Klagenfurt erschienenen Bücher “Bai Ganju, der Rosenölhändler” und “Nach Chicago und zurück” von Aleko Konstantinow ans Herz. Auch hier gilt, dass es kein besseres Weihnachtsgeschenk gibt, einfach weil es keinen anderen bulgarischen Autor gab, der so viel Humor, Ironie und Intelligenz besaß wie Aleko Konstantinow. Die von ihm geschaffene Figur des bauernschlauen “Bai Ganju” ist bis heute der bekannteste literarische Charakter in Bulgarien.
Foto&Text TaxiBerlin