Bericht aus Bulgarien (41)

 
Auf den Trümmern des Alten etwas Neues aufbauen
 – leichter gesagt als getan

Nach meinem ersten Artikel „Bulgarien – die große Freiheit“ auf Multipolar haben sich einige Menschen aus Deutschland und auch aus Österreich bei mir gemeldet, mit denen ich bis heute in einem anregenden Austausch bin. Ein Paar aus Norddeutschland möchte im Sommer kommen und schauen, ob meine Ecke etwas für sie ist. Der Inhaber einer Softwarefirma im Hessischen hat Pläne, eine weitere Firma in den Rhodopen nahe der Grenze zu Griechenland aufzumachen und fragt, ob ich ihn diesbezüglich mit Informationen versorgen kann, was ich gerne mache. Eine Frau, die schon einmal in Bulgarien gelebt hat und auch etwas Bulgarisch spricht, würde gerne wiederkommen, hat aber eine minderjährige Tochter, die sie zusammen mit ihrem geschiedenen Mann erzieht, was die Sache erschwert oder gar verunmöglicht. Ein Deutscher in meinem Alter hat sich aktuell von Ungarn aus, wo er überwintert hat, auf dem Landweg nach Bulgarien gemacht, um sich in meiner Region, der ärmsten nicht nur Bulgariens, sondern des gesamten Kontinents, nach einem neuen zu Hause umzusehen. Einige von meinen neuen Bekannten schicken Geld und Bücher, worüber ich mich ganz besonders freue, und wozu ich morgen mehr schreiben werde, auch weil ich damit jetzt Sponsoren habe, die ich bei den Anonymen Alkoholikern, die für ihre Sponsoren bekannt sind, nicht gehabt habe. So weit für den Moment zu meinen neuen Bekanntschaften in der Heimat, die ich selbst in den Schluchten des Balkans machen durfte, und denen es in Deutschland trotz des dort ausgebrochenen Wahnsinns den Umständen entsprechend gut geht.

Im Gegensatz zu alten Freunden und Bekannten in der Heimat, mit denen ich auch in Kontakt bin, und denen es allesamt eher schlecht geht. Die Freundin eines Taxikollegen in Berlin hat sich ganz aktuell wegen Corona von ihm getrennt, nachdem sie sich seit zwei Jahren wegen dem Thema in den Haaren hatten. Auch die Freundin eines anderen Freundes, mit dem ich die Leidenschaft für Bücher teile, hat sich getrennt, und zwar aus dem Nichts heraus und per SMS, weil ihre Beziehung toxisch sei, und ihn auch auf allen Kanälen blockiert, wie er schreibt. Einem Bekannten und Musiker mit einem Alkoholproblem geht es auch nicht besser. Er schreibt, dass er seit längerem an Depressionen und Panikattacken leide und deswegen eigentlich zum Arzt gehen müsste, aber bei einer Depression der Antrieb dazu fehlen würde. Weiter lässt er mich wissen, dass seine Band sich auch fast aufgelöst hätte, nachdem Martin bei einer Probe total ausgerastet ist und rumgeschrien hat. Von Martin, der in Wirklichkeit nicht Martin heißt, weiß ich, dass er Suchtkrank ist, mit der Corona-Situation nicht klarkommt und nicht zum ersten Mal bei einer Probe ausgeflippt ist.

Ein anderer Berliner Bekannter schreibt nun: „Mir geht es momentan nicht so gut, dies hat vielerlei Ursachen, aber per mail läßt sich das nicht so leicht darstellen. Ich freue mich vor allen Dingen über die Einladung nach Bulgarien, welche ich unbedingt wahrnehmen werde, vielleicht sogar in gar nicht allzulanger Zukunft.“

Nach über acht Monaten in Bulgarien kann ich die Schluchten des Balkans zum Runterkommen und vor allem, um aus dem Angst- und Panikmodus herauszukommen, nur empfehlen. Ich weiß aber, auch aus eigener Erfahrung, dass sich manch Zustand mangels Ablenkung wie beispielsweise Alkohol, Nikotin und Internet erst einmal verschlimmern kann. Trotzdem freue ich mich über jeden Besuch, sage aber gleich dazu, dass ich kein Therapeut bin, sondern Krankenpfleger und Taxifahrer – aber immerhin.

PS: Sehe gerade den überdimensionierten Tisch, an den Macron seinen russischen Amtskollegen Putin, den er zu sich eingeladen hatte, ganz weit weg von sich Platz nehmen lässt, als hätte er Krätze oder etwas ähnlich Schlimmes, und muss an „Der große Diktator“ und das von “Heil” Hinkel organisierte Treffen mit Mussolini denken.

Foto&Text TaxiBerlin

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