Bericht aus Bulgarien (43)

 
„ne glasuvam“ – „Ich wähle nicht“
Symbol der Nichtwähler – immerhin 60 Prozent

In Bulgarien glaubt niemand an die Corona-Geschichte, ich zumindest kenne keinen, der die Geschichte so glaubt, wie sie bei uns geglaubt wird. Mag sein, dass es in Sofia den einen oder anderen Bulgaren gibt und vermutlich auch im Ausland, wo sie gut beraten sind daran zu glauben, insbesondere in Deutschland. Hier auf meinem Dorf sagen sie unisono: „Ach, was die uns da erzählen. Wer soll denn das wieder glauben?“, und zwar instinktiv. Auch mein Bürgermeister, der die neue Regierung in Sofia und insbesondere deren Corona-Politik erst gar nicht ignoriert.

Gestern nun las ich einen sehr interessanten Artikel von Stefan Korinth mit dem Titel „Menschen kontrollieren“ auf Multipolar diesen Satz von Raymond Unger, der in der Heimat gerade sein „Impfbuch“ vorstellt: „Wer glaubt, den Wandel einer freien Gesellschaft zur Totalität aussitzen zu können und dabei sein kleines privates Glück zu bewahren, wird in Kürze in einer bargeldlosen, digitalen Impf- und Klimaschutz-Kontrollwelt aufwachen, die in alle privaten Bereiche vorgedrungen ist.“

Ich komme darauf, weil heute wieder Montag ist und in Deutschland seit einiger Zeit die Tradition der DDR-Montagsdemonstrationen fortgeführt wird, die heute Spaziergänge heißen. Auch sie sind verboten, so wie früher die Montagsdemonstrationen verboten waren. Offiziell weil die Menschen dort keine Masken tragen, obwohl die Ansteckung im Freien praktisch gegen Null geht, und darüber hinaus andernorts die Erkrankung bereits als Grippe eingestuft wurde. Trotzdem glaubt eine Mehrheit in Deutschland immer noch diese offizielle Begründung, hinterfragt sie nicht mehr, und bleibt deswegen lieber zu Hause in ihrem „kleinen privaten Glück“. Angeblich auch weil man müde ist in der Heimat, wie ich gestern in einem Gespräch am Telefon gesagt bekam.

Ich denke nicht, dass die Menschen in der Heimat müde sind, zumindest nicht müder als die Menschen in Bulgarien. Wenn, dann eher satt und betäubt. Vor allem weiß ich aber, dass es sich dabei um ein Phänomen handelt, das es bereits in der DDR gab. Orwell, obwohl er die DDR nicht kannte, offensichtlich gab es das Phänomen schon vorher, nennt es „schützende Dummheit“. „Schützende Dummheit“ ist für Orwell die Fähigkeit, geradezu instinktiv auf der Schwelle eines jeden riskanten Gedankens haltzumachen. Es schließt weiterhin die Gabe ein, einfachste Analogien nicht mehr zu begreifen, logische Fehler einfach zu übersehen und die simpelsten Argumente misszuverstehen und darüber hinaus von jedem Gedankengang, der in eine ketzerische Richtung führen könnte, gelangweilt und abgestoßen zu werden.

Diese „schützende Dummheit“ ist der Grund, warum man heute in der Heimat wieder auf die Straße gehen sollte. Ich würde es zumindest tun, denn gegen die „schützende Dummheit“ ist kein anderes Kraut gewachsen, und man kann sie auch nicht einfach aussitzen. Hier hat Raymond Unger Recht. Obwohl, manchmal überlege ich, ob es in Bulgarien nicht vielleicht doch möglich ist. Immerhin haben die Bulgaren auch die Türken „ausgesessen“. Gut, das hat 500 Jahre gedauert damals, und Deutsche, die nach Bulgarien kommen, haben heute noch mit den Folgen zu kämpfen, denn sie tun sich schwer zu verstehen, dass Ja Nein und Nein Ja bedeutet, womit die Bulgaren damals die Türken verwirrt und am Ende erfolgreich „ausgesessen“ haben sollen, so die Legende.

Das funktioniert aber nur, wenn klar ist, dass Ja Nein, Nein Ja, Schwarz Weiß und Weiß Schwarz ist. Also wenn klar ist, dass das Gegenteil von dem stimmt, was einem erzählt wird. Dabei geht es nicht nur darum, sich diese simple Umdrehung zu merken und anwenden zu können. So einfach ist es nicht, und es würde auch keine 500 Jahre funktionieren. Man muss instinktiv wissen, dass das, was einem erzählt wird, nicht stimmt, nicht stimmen kann. Das ist keine Frage von Klugheit, wie manch einer denken mag, sondern des Instinkts, wegen mir auch des gesunden Menschenverstandes, und der wurde den Menschen in Deutschland weitgehend abtrainiert, weswegen sie dort alles glauben müssen, was ihnen erzählt wird, wobei ihnen die „schützende Dummheit“ hilft. Und gegen die sollte man, wie gesagt, auch heute wieder auf die Straße, auch weil man in Deutschland nichts aussitzen kann wie in Bulgarien.

PS: Auch in Bulgarien ist heute „Valentinstag“, wozu der Bulgare „Ja, Ja“ sagt, was aber „Nein, Nein“ meint. Denn für den Bulgaren ist heute an erster Stelle „Trifon-Saresan“ – der Tag des Weines und des Trinkens allgemein. Die Bulgaren werden heute also auf jeden Fall auf der Straße sein. Landesweit finden Weinverkostungen statt und im Nachbarstädtchen beispielsweise wird der beste Wein mit immerhin 200 Lewa (100 Euro) prämiert. Vor allem wird heute aber noch mehr als sonst schon getrunken. Diese Zeilen sind aber vollkommen nüchtern verfasst, was nicht nur daran liegt, dass es noch früh am Morgen ist. Als trockener Alkoholiker werde ich selbst am „Tag des Trinkens“ die Finger vom Teufel Alkohol lassen. Auch in Sachen Alkohol trinken lässt mich der trinkfreudige Bulgare so sein, wie ich bin – meistens zumindest.

Foto&Text TaxiBerlin

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