Der Fall Till Lindemann: Vom Penis- zum Sexneid

Rammstein-Frontmann Till Lindemann steht seit Wochen in der Kritik. Was steckt – abgesehen von einer möglichen strafrechtlichen Relevanz – dahinter?

Kalifornische Venusfliegenfalle

Im April veröffentlichte das urologische Fachmagazin „Uro-News“ unter der Rubrik „Fortbildung“ einen Beitrag mit dem Titel „Liebe in Zeiten von Corona“ von Professor Christopher Woodhouse (76). Woodhouse ist emeritierter Professor für Jugendurologie am University College London (UCL). Er hat zahlreiche wissenschaftliche Artikel und Bücher veröffentlicht, darüber hinaus unzählige Vorträge gehalten. Woodhouse war Gastprofessor an Universitäten und medizinischen Fakultäten in vielen Ländern auf fast allen Kontinenten.

Woodhouse’ Beitrag ist unter anderem zu entnehmen, dass sich die Pandemie negativ auf alle Aspekte des Geschlechtsverkehrs ausgewirkt hat, mit Ausnahme von „Solo-Aktivitäten“. So meldete beispielsweise „Pornhub“, einer der größere Anbieter der Branche, für die Zeit zwischen Februar und März 2020, als in vielen Ländern der erste Lockdown verhängt wurde, einen Anstieg des Datenverkehrs um 11 Prozent. Als das Angebot der Seite für die Nutzer kostenlos wurde, gab es einen weiteren Anstieg um bis zu 24 Prozent.

Messbare Merkmale der Sexualität wie Vorspiel, Häufigkeit, Dauer und Potenz in festen Beziehungen verschlechterten sich laut Woodhouse dagegen. Einer britischen Studie zufolge ging die Häufigkeit sexueller Aktivitäten insgesamt um 40 Prozent zurück. Auch subjektive Aspekte wie Libido, Lustempfinden und Lubrikation, womit die Sekretion einer Gleitsubstanz in die weibliche  Scheide bei sexueller Erregung gemeint ist, haben aller Wahrscheinlichkeit nach abgenommen, so Woodhouse.

Angesichts dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse erscheint der Fall Lindemann in einem anderen Licht. Insbesondere wenn man berücksichtig, was Woodhouse ebenfalls herausfand: „In einer Kohorte von 7.000 Personen war das Drittel, das regelmäßig Sex hatte, glücklicher als die abstinenten zwei Drittel. Nach den üblichen Maßstäben für sexuelle und psychische Gesundheit ging es denjenigen, die Sex hatten, deutlich besser als den Zölibatären.“

Nunmehr stellen sich folgende Fragen: Ist die Kritik an einem alten weißen Mann, der noch mit 60 Jahren überdurchschnittlich häufig Sex mit deutlich jüngeren Frauen haben soll, vielleicht der schlechteren sexuellen und psychischen Gesundheit seiner abstinenten Kritiker geschuldet? Und: Kann man gar von einer Fortentwicklung des Freudschen Penisneid hin zu Sexneid sprechen?

Foto&Text Rumen Milkow

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