Leben in Zeiten von Corona – Heute: Die Angst muss sehr groß sein
Junge Frau mit verbotenem Blauhemd im Schwitzkasten
(natürlich nur zur ihrer eigenen Sicherheit)
Der Ausgangspunkt der traditionellen Luxemberg/Liebknecht im Januar befindet sich bei mir im Wohnzimmer am Frankfurter Tor, und so auch dieses Jahr. Normalerweise ist da mehr los, aber tausend Leute in Zeiten der Plan-Demi sind auch schon eine Hausnummer. Was ich nicht wusste, war, dass die FDJ, also die Freie Deutsche Jugend, in der ich auch einmal Mitglied war, jetzt verboten sein soll. Zumindest war die Polizei dieser Meinung, die Veranstalter sahen das anders. Da aber die Polizei das Sagen hatte, konnte die Demo nicht losgehen, solange FDJ-Fahnen geschwenkt wurden und junge Menschen die blauen FDJ-Hemden trugen. Und da der Polizeiführer ein junger Mann war, der offensichtlich noch Karriere machen wollte, ließ der da auch nicht mit sich reden, sondern seine Mitarbeiter, deine Freunde und auch Helfer, handeln. Alle Aufnahmen wurden zwischen 11:33 und 12:13 Uhr aufgenommen, es war also ganz schön was los in meinem Wohnzimmer am Frankfurter Tor. Dass ich mich sogleich an früher, genau war es das Jahr 1988, erinnert fühlte, hängt damit zusammen, dass ich schon so alt bin. Jedenfalls wurden wieder, so wie damals, Plakate einkassiert, Menschen abgeführt und den an der Taxihaltestelle am Frankfurter Tor eigens dafür bereitstehenden Polizei-Fahrzeugen zugeführt. Eigentlich war nur die Jagd der Polizei auf Blauhemden das wirklich Neue diesmal. Damals musste man Blauhemd tragen – heute ist dies Polizeilich verboten oder soll angeblich verboten sein, glaubt man den Veranstaltern. Die abgeführten und teilweise auch geschlagenen Menschen waren meistens sehr jung, vielleicht noch nicht einmal volljährig. Dass die Polizei ausgerechnet in dieser Altersgruppe so konsequent durchgreift, ist jetzt auch nicht unbedingt üblich. Aber sicherlich meint es unser Freund und Helfer und ihr Führer nur gut mit ihnen, denn: Was Hänschen und auch Gretelchen nicht lernt, lernt Hans und Gretel nimmermehr. Dass dabei auch bei der Polizei keine Abstände eingehalten wurden, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Ich würde das, was ich da gerade in meinem Wohnzimmer am Frankfurter Tor gesehen habe, unabhängig von einer juristischen Bewertung, ob die Freie Deutsche Jugend jetzt wirklich im Ostteil der Stadt verboten ist oder nicht, so zusammenfassen: Die Angst muss sehr groß sein, wenn man sich von fünf FDJ-Fahnen und fünfzehn Blauhemden bedroht fühlt. Auf jeden Fall größer als die Angst vor der Ansteckung mit Corona und dem damit verbundenen “sicheren” Tod.
PS: “… während die FDJ heute legal operieren kann”, sagt das Internet, aber was weiß das Internet schon, wenn die Polizei, dein Freund und Helfer, und allen voran ihr Führer es doch besser wissen.
Gelber Hammer und Zirkel auf rotem Grund
(eigentlich noch erlaubt, aber eben nicht immer und überall)
Junge Frau ohne Blauhemd abgeführt
(dafür mit Blutroten Lippen und Veilchenblauem Jochbein)
Nicht mehr ganz so junger Herr mit blutiger Augenbraue
Junger Mann mit blutender Unterlippe
Junge Frau mit verbotenem Blauhemd im Schwitzkasten
(und Polizist mit ergattertem Spruchband)
Dein Freund und Helfer mit dem Corpus Delicti:
Die Blaue FDJ-Fahne
Fotos&Text TaxiBerlin