Leben in Zeiten von Corona – Heute: Die Sprache der Corona Pandemie (LCP)
Seit einiger Zeit bin ich nicht nur ein Trockener Taxifahrer, dem die Fahrgäste abhanden gekommen sind, sondern ich sitze darüber hinaus auf dem Trockenen, habe Ausgaben aber keine Einnahmen, weil meine Daten, die die Berechnungsgrundlage für die Almosen wären, auf die vielleicht auch du bald angewiesen sein wirst, irgendwo auf einer Datenautobahn vom rechten Weg abgekommen sind. Wenn das passiert, dann hilft nur noch Warten, zusammen mit dem Alleinsein die Kernkompetenzen eines jeden Taxifahrers; aber auch Beten, ich habe da jetzt gerade mit “Herr, erbarme dich!” angefangen, und Nachdenken, das weitestgehend unterschätzt wird, was möglicherweise daran liegt, dass man da regelmäßig auf ganz merkwürdige, manchmal regelrecht dumme Gedanken kommt. Die Idee, die mir heute dabei kam, ist aber absolut genial, und zwar an einer “Sprache der Corona-Pandemie” (LCP – Lingua Coronaviridae Pandemus) zu arbeiten. Eigentlich eine reine Fleißarbeit, weil man nur das notieren muss, was schon existiert, was andere sich bereits ausgedacht haben, natürlich nur zu unserem Besten. Mit der “Sprache des Dritten Reiches” (LTI – Lingua Tertii Imperii), die Viktor Klemperer seinerzeit dokumentiert hatte, war es glaube ich ähnlich. Die “Sprache der Corona Pandemie” (LCP) ist von “guten Menschen” entworfen worden, wird bis zum heutigen Tag gesprochen, und wurde genau deswegen auch bisher von niemandem hinterfragt, auch nicht von Menschen, die sich mit Sprache auskennen. Ich bin auch hier ein Pionier, der Neuland betritt, was mich vorsichtig macht, ob das denn auch alles wahr ist, was ich da denke. Wahr ist es wohl schon, da bin ich mir sicher, aber ist es auch richtig? Da bin ich mir weniger sicher, und das ist das Dilemma, vor dem ich gerade stehe. Ich will ein Beispiel machen, damit es klarer wird. Früher, also in der “Sprache des Dritten Reiches” (LTI) von Viktor Klemperer, gab es den “Kohlenklau”, der unerlaubt Kohlen klaute. Heute gibt es den Friseur, der unerlaubt Haare schneidet. Aber kann ich ihn deswegen schon den “Haareklau” nennen? Eines scheint klar sein: Jede Zeit braucht ein Feindbild, ob das nun so wie früher der “Kohlenklau” ist, oder so wie heute ganz einfach nur der Friseur, ist dabei marginal. Noch ein weiteres Beispiel. Früher hörte der Feind überall mit, sogar auf dem Stillen Örtchen, wie es Klemperer in seiner “Sprache des Dritten Reiches” (LTI) beschreibt. Aber ist die App, mit deren Hilfe selbst Polizisten ihren Weg zum Friseur, also möglicherweise zum “Haareklau” von heute, gefunden haben, deswegen schon “Feind hört mit”, “nur” weil der Staatsanwalt jetzt gegen den Friseur wegen dem Haareklau, was früher vielleicht der “Kohlenklau” war, ermittelt? Da ich selbst wie gesagt “nur” ein Trockener Taxifahrer bin, der darüber hinaus auch noch auf dem Trockenen sitzt, kann ich mir keinen Friseur leisten, und einen “Haareklau” schon gar, weil da käme dann noch die Geldstrafe für mich hinzu, weswegen ich mir ja auch das Demonstrieren nicht mehr leisten kann. Ich lasse meine Haare einfach wachsen, was ich wegen der aktuellen Temperaturen auch nur jedem empfehlen kann. Auch wenn Menschen, die so wie ich ihr Haar einfach wachsen lassen, heute noch als brave Mitläufer gelten, werden möglicherweise morgen schon lange Haare, ebenfalls so wie früher, als Zeichen des Protestes gesehen und verboten werden. Das ist absolut vorstellbar, und deswegen sage ich jetzt schon mal in vorauseilendem Gehorsam ganz klar: Meine langen Haaren sind kein Zeichen des Protestes, genauso wie der Umstand, dass ich keine Maske trage. Letzteres aus medizinischen Gründen, ersteres einfach aus Geldmangel, und auch weil ich gar kein Smartphone mit der Feind-hört-mit-App habe. Also sprach TaxiBerlin, kannste glauben.
Foto&Text TaxiBerlin