Leben in Zeiten von Corona – Heute: Meine Therapeutentasche

So sieht sie aus
Neulich traf ich einen Kollegen, den ich nur alle paar Jahre treffe, meist auf der Straße, unserem gemeinsamen Tatort. Obwohl ich den Kollegen nur alle paar Jahre dort treffe, kennen wir einander ganz gut, haben einen Draht zueinander. Deswegen war es keine wirkliche Überraschung, dass er meine schwarze Ledertasche (Foto oben) als Therapeutentasche bezeichnete, obwohl er die gar nicht kennt bei mir. Dass er sie nicht kennt, nicht kennen kann, liegt daran, dass er sie nie zuvor gesehen hat, weil wir uns wie gesagt nur alle paar Jahre ganz zufällig in unserem gemeinsamen Kiez über den Weg. Meine Therapeutentasche habe ich zwar jetzt schon einige Zeit, aber nicht immer dabei, sondern nur wenn ich im Einsatz bin. Das war ich bis vor jetzt knapp einem Jahr in meinem Taxi, meine letzte Schicht bin ich Anfang März gefahren. Seitdem bin ich nicht nur ein Trockener Taxifahrer, dem die Fahrgäste abhanden kamen, sondern sitze auch auf dem Trockenen, weil ich zwar immer noch Ausgaben aber keine Einnahmen mehr habe. Damit sich daran etwas ändert, fahre ich selbst bei Schnee und Eis die Bücher aus meinem Bauchladen aus, bringe meinen Kunden als Erster Berliner Bücher Bote oder auch Bücherando ihren Einkauf schneller als Amazon und Co erlaubt bis an die Haustür, denn die meisten Menschen sind zu hause in diesen Tagen, oder falls nicht, bis an den Briefkasten, wenn dieser zugänglich ist. Meist passen die Bücher in meine Therapeutentasche, aber nicht immer. Aktuell habe ich beispielsweise drei Bände Marx “Das Kapital” vom Dietz Verlag verkauft, dazu noch Machiavellis “Der Fürst”, dafür ist meine Therapeutentasche definitiv zu klein, so dass ich wohl zweimal fahren muss. Aber das schaffe ich. Klassiker sind gerade der große Renner in meinem Bauchladen, in den ich nahezu täglich neue Bücher einstelle, wenn dies die Straße hergibt. Neben Marx und Machiavelli verkaufen sich auch Kafka und die Brüder Grimm wie geschnitten Brot (Foto). Die drei Bände Marx vom DDR Dietz Verlag habe ich übrigens neulich auf der Straße im Prenzlauer Berg gefunden, ich habe hier darüber berichtet. Zu den erwähnten Ausgaben, die ich gerade habe, gehört auch der Arztbesuch zur Verlängerung meines Taxischeins. Ich mache das, weil man nie weiß, was kommt, und vielleicht brauche ich den Taxischein noch einmal, mit dem ich auch Kranken- und Mietwagen fahren kann. Was nun den Arztbesuch angeht, da hatte mich der Kollege, den ich nur alle paar Jahre treffe, vorgewarnt, dass die Ärzte da heutzutage allesamt nur Cash nehmen würden, so wie das früher, also vor vielen Jahren, auch im Taxi der Fall war. Da ich sowieso alles nur Cash bezahle, war das keine großes Ding für mich. Einen Hunni muss man übrig haben für sowas, auch wenn das viele Bände Marx, Machiavelli und Gebrüder Grimm bedeutet. Neulich bei einem Treffen der Trockenen Taxifahrer berichtete ein Trockener Kollege darüber, wie er sein neues Auto Cash bezahlt hat. Bis heute denke ich darüber nach, wie viele Bände Marx und, na du weißt schon, ich ausfahren muss mit meiner Therapeutentasche, um ein neues Auto Cash bezahlen zu können. Mit der, also mit meiner Therapeutentasche, helfe ich nicht nur meinen Kunden, indem ich ihnen ihre Bücher bringe, sondern auch mir selbst. Das ist leider auch wahr in diesen traurigen Tagen. Alles nur, damit ich mir den Doktor leisten kann und vielleicht irgendwann ein neues Auto oder, wenn es dafür nicht reichen sollte, wenigstens einen gebrauchten Esel, den ich dann auch zur Therapie mit einsetzen kann.       Also sprach TaxiBerlin, kannste glauben.
Fotos&Text TaxiBerlin

 

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