Leben in Zeiten von Corona – Heute: Verstehen, was geschieht

 

Aktuell das teuerste Angebot

Wer verstehen möchte, was gerade geschieht, dem empfehle ich den Blick in Bücher und nicht ins Internet, auch nicht in die Glotze und schon gar nicht in irgendwelche Tageszeiten. Denn die so genannten Neuigkeiten, die uns dort jeden Tag aufs Neue verkauft werden, verkauft werden müssen, der Rubel muss schließlich rollen, denn nur money makes the world go round, sind die eigentlichen Verschwörungstheorien von heute. Die wirklich wichtigen Sachen und tieferen Wahrheiten findet man nur in Büchern. Deswegen deale ich auch mit ihnen, früher bei mir im Taxi, jetzt als Erster Berliner Bücher Bote, der seinen Kunden die bestellten Bücher sogar bis an die Haustür bringt, leider auch im Netz. Beim analogen Bringen meiner Bücher helfen mir meine speziellen und ebenfalls völlig analogen Ortskentnisse nach zwanzig Jahren auf den Straßen und Plätzen Berlins. Ich brauche kein Navi, denn Navis machen bekanntlich Orientierungsblöd. Mein Navi ist mein Kopf, und die Fähigkeit zum Nachdenken, die ich auch im Taxi schulen konnte. Damit finde ich praktisch jede Adresse und auch jeden Briefkasten in Berlin. Dem Herrn aus Essen, der gestern das bisher teuerste Buch aus meinem Bauchladen gekauft hat, kann ich dieses leider nicht an die Haustür bringen. Das liegt aber nicht an mir, sondern am Lockdown. Denn auch in Essen würde ich jede Straße finden, ganz ohne Navi. Oft hilft es, sich Dinge zu merken; etwas logisches Denken kann auch nicht schaden. Der Herr aus Essen hat aber nicht einfach nur das bisher teuerste Buch aus meinem Bauchladen gekauft, alleine deswegen würde ich nicht hier über ihn berichten; er hat mir darüber hinaus auch Kampfesgrüße gegen Uber aus dem Ruhrpott gesendet. Die Berliner verstehen sich mit den Menschen aus dem Ruhrpott meist sehr gut. Das ist zumindest meine Erfahrung im Taxi und liegt meiner Meinung nach daran, dass sowohl Berlin als auch das Ruhrgebiet proletarisch geprägt sind. Doch nun zu den Anti-Uber-Kampfesgrüßen aus Essen: “Gerne unterstütze ich Sie in Ihrem Kampf gegen Uber!” – Das bisher teuerste Buch, das der Herr aus Essen aus meinem Bauchladen gekauft hat, und mit dessen Kauf er mich in meinem Kampf gegen Uber unterstützt, an erster Stelle aber meinen aktuellen Lebensunterhalt als Trockener Taxifahrer sichert, habe ich irgendwann einmal für wenig Geld auf dem Flohmarkt gefunden, die jetzt geschlossen sind. (Wenn ich bald nicht mehr in mein Antiquariat/Café gehen kann, bleibt mir nur noch die Straße als der Ort, um Bücher für meinen Bauchladen zu finden.) Ich habe in das bisher teuerste Buch, es heißt einfach nur “Havemann”, selbstverständlich und wie ich das mit allen meinen Büchern mache reingelesen, d.h. ich habe die für mich wichtigsten Stellen gefunden, es waren, wie in den allermeisten Büchern, genau drei. Drei Stellen, aus denen ich etwas Neues erfahren habe, was nicht im Internet und auch in keiner Zeitung steht. Eine von diesen dreien möchte ich verraten, damit du weißt, was ich meine. Es ist Weihnachten in Ost-Berlin, also der Hauptstadt der DDR, und Florian Havemann, der Sohn vom alten Havemann (ja, genau der, den Angela Merkel damals möglicherweise mitbespitzelt hat) verkauft am S-Bahnhof Alexanderplatz Fahrscheine. Plötzlich kommt Heiner Müller vorbei, der sich mit ihm, also mit Florian Havemann, unterhält, und wir erfahren aus dem Gespräch der beiden so ganz nebenbei, dass Heiner Müller keine Almosen gibt, er regelrecht ein Gegner von Almosen ist (im Koran sind sie vorgeschrieben), weil das nicht seinem Klassenstandpunkt entspricht, was damals die “richtige Haltung” war. So viel zu einer wichtigen Stelle in dem Buch “Havemann”, dem bisher teuersten Buch in meinem Bauchladen, das gestern ein Herr aus Essen gekauft hat, dem ich das Buch zwar nicht persönlich vorbeibringen kann, der mir aber Anti-Uber-Kampfesgrüße aus dem ebenfalls proletarisch geprägtem Ruhrpott sendet, was ich von meinen Fahrgästen von dort weiß, mit denen ich mich meist sehr gut verstanden habe, die es jetzt leider nicht mehr gibt für mich, weswegen ich ein Trockener Taxifahrer bin, der mit Bücher dealen muss, damit ich nicht demnächst auf der Straße sitze, die eigentlich meine Universität und auch mein zu hause ist. Hast du so was schon mal in irgendeiner Zeitung oder im Internet (ausser auf meiner Seite) gelesen? Siehst du, die Welt kann manchmal ziemlich verrückt sein, aber eigentlich ist sie ganz einfach. Die Welt wird uns nur als verrückt präsentiert. Seit einiger Zeit wird uns die Welt nicht nur als verrückt präsentiert, sondern man versucht uns aktiv verrückt zu machen. Das ist noch mal was anderes, eine weitere Eskalationsstufe, die da gezündet wurde. Demjenigen, der mehr darüber erfahren möchte, empfehle ich das nun aktuell teuerste Buch aus meinem Bauchladen.  Es heißt “Die Schock-Strategie” und ist von Naomi Klein, sein Untertitel ist “Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus”. Aus ihm erfährst du, warum man uns nun schon seit einem Jahr mit täglichen angeblichen Neuigkeiten in Angst und Schrecken versetzt. Denn die wirklich wichtigen Sachen findest du wie gesagt nicht im Internet, auch nicht in der Glotze und schon gar nicht in irgendwelchen Tageszeiten. Die so genannten Neuigkeiten (angebliche “Neuinfektionen” – der richtige Begriff ist Positiv Getestete; “mit” oder gar “im Zusammenhang mit” Verstorbene – man stirbt immer nur an etwas), die uns dort jeden Tag aufs Neue verkauft werden, verkauft werden müssen, damit der Rubel rollt, denn nur money makes the world go round, sind die Verschwörungstheorien von heute. Tiefere Wahrheiten und auch Neuigkeiten stehen nach wie vor in Büchern. Daran hat sich nichts geändert. Deswegen empfehle ich dir, ganz analog zurück in die Zukunft zu gehen, du brauchst dazu kein Navi, gehe nicht über Los und ziehe auch keine Prämie für Wohlverhalten ein, sondern begib dich, Zeit hast du ja jetzt jede Menge, direkt in meinen Bauchladen.

Foto&Text TaxiBerlin

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