Leben in Zeiten von Corona – Heute: Was wohl der Kommissar von der Mordkommission dazu sagen würde?

 

Bald hier im Angebot

Fahrgäste gibt es spätestens seit dem Auftauchen der staatlich organisierten Kriminalität von Uber vor drei Jahren mit jedem Tag weniger. Corona war nur der Anlass aber nicht die Ursache, die ist Uber, fängt schließlich auch mit U an, dass mein Chef seine Firma Ende letzten Jahres aufgelöst hat und immer noch auflöst. Es ist gerade nicht leicht Taxis zu verkaufen. Man bekommt kaum Geld für sie. Gekauft werden sie nur von Firmen, die auch Mietwagen haben, die wiederum für Uber fahren. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch mein Taxi, mit dem ich die letzten Jahre auf den Berliner Straßen und Plätzen zu hause war, demnächst dort für Uber sein Unwesen treiben wird. Das ist heute kein Problem mehr, denn die Fahrzeuge müssen nicht mehr aufwendig umlackiert werden, die Farbe wird heute mit Folie auf die Fahrzeuge geklebt. Da mein Chef seinen Laden auflöst, ist er, was mein Einkommen angeht, jetzt nicht mehr zuständig für mich. Seit Anfang des Jahres wäre es das Arbeitsamt, wenn es denn Arbeit geben würde. Damit ich von irgendwoher Geld bekomme und nicht auch hier auf dem Trockenen sitze, nachdem man mir als Trockenen Taxifahrer bereits die Fahrgäste geraubt hat, musste mein Chef irgendwo im Internet eingeben, wie viel Geld er mir letztes Jahr gezahlt hat, zahlen konnte, weil ich zuvor dementsprechenden Umsatz gemacht hatte. Ohne dem geht es nicht. Jedenfalls sind diese Daten jetzt dort nicht angekommen, wo sie ankommen sollten, was auch kein Wunder ist, wo jetzt jeder im Internet sein muss, dort sozusagen sein Unwesen treibt. Die ganze Digitalisierung ist auch gar nicht gut, sie macht uns nur zusätzlich dumm, nachdem wir ja schon so dumm genug gemacht werden, aber das ist schon wieder ein anderes Thema. Während nun meine Daten von meinem Chef hoffentlich nur irgendwo im digitalen Nirvana kreisen und darüber hinaus nicht auch noch missbraucht werden, sitze ich auf dem Trockenen. Dieser Umstand lässt mich jetzt Tag für Tag auf’s Neue zu meinem Tatort, dem erwähnten Antiquariat/Café, aufbrechen. Dort gibt es seit einiger Zeit eine neue Entwicklung. Nein, mein Mobbing meine ich damit nicht, sondern das Vorchecking. Vorchecking gibt es nicht nur beim Fußball, sondern auch bei Büchern. In dem Antiquariat/Café äußerte sich das so, dass praktisch keine wirklich wertvollen Bücher es erreichten. Sie wurden vorher aussortiert, und von dem Antiquariat/Café in Eigenregie im Internet verkauft. Da ich das von Anfang an wusste, kam ich mir immer auch irgendwie verarscht vor, wenn ich meinen Tatort aufsuchte. Ungefähr so, wie ein Kommissar sich fühlen muss, wenn er an seinen Tatort kommt und die Leiche nicht mehr da. Sogar Bücher, die Spender direkt ins Antiquariat/Café brachten, landeten nicht sogleich in den Regalen, sondern wurden nach ihrem Wert vorgecheckt. Es gibt auch Büchernarren, wie ich einer bin, die bevor sie ein Buch kaufen mittels Smartphone im Internet nachschauen, wie viel das Buch wert ist, um in etwa zu wissen, wie viel sie selbst dafür bekommen. So verrückt war ich nie, und ich könnte es auch nicht kontrollieren, selbst wenn ich wollte, weil ich gar kein Smartphone habe. Weil nun dieses Vorchecking aus irgendwelchen Gründen nicht mehr oder nicht mehr so gut funktioniert, finden seit einiger Zeit immer mehr wertvolle Bücher ihren Weg in die Regale des Antiquariat/Cafés. Das weiß natürlich auch der Kollege, der mich da gerade wegen meiner Maske mobbt, aber das nur nebenbei. Neulich fand ich nun obiges Buch über Albanien in den Regalen meines Tatortes, dem Antiquariat/Café. Bücher über Albanien gibt es nicht so viele, und weil mich der Balkan und damit auch Albanien, wo ich noch nicht war, interessiert, habe ich das Buch gekauft, auch um mich vorzubereiten, falls man irgendwann mal wieder reisen können sollte. Natürlich interessiert auch mich immer, für wie viel ein Buch im Internet gehandelt wird. Bei dem Buch über Albanien hat es mich besonders interessiert, weil es wie gesagt nicht viele Bücher über Albanien gibt, das von mir im Antiquariat/Café gefundene darüber hinaus ein Fachbuch von einem Fachmann der Südosteuropa-Gesellschaft ist, und ich selbst einige Semester am Osteuropa-Institut der Freien Universität studiert habe, genau genommen dort sogar das Grundstudium abgeschlossen habe, was heute der Bachelor ist, wie ich neulich erfahren habe. Dass das Buch über Albanien nun für so viel gehandelt wird, das hat selbst mich überrascht, ist aber andererseits auch gut für mich. Denn wo aktuell meine Daten im digitalen Nirvana verschwunden sind, ich also nicht nur ein Trockener Taxifahrer bin, sondern auch wirklich gerade auf dem Trockenen sitze, ist es gut, so einen kleinen Schatz im Haus zu haben, wie andere ihr Silberbesteck. Einen Schatz, den ich vielleicht bald in meinem Bauchladen anbiete, anbieten muss, nachdem ich ihn vorher quer gelesen habe. So viel Zeit muss sein, auch wenn man auf dem Trockenen sitzt. War es bisher so, dass ich mir mit den Büchern aus dem Antiquariat/Café, meinem Tatort, mein Trinkgeld verdient habe, das mir auch fehlt, seit ich ein Trockener Taxifahrer bin; so muss ich, wenn es so weiter geht, wohl bald meinen gesamten Lebensunterhalt mit Büchern bestreiten. Zum Glück habe ich da ein langes Bücherstudium auch im Taxi, aber nicht nur dort, hinter mir, weswegen ich auch ganz ohne Smartphone ziemlich genau weiß, welches Buch was taugt und welches nicht. Bei dem Albanien-Buch ist es so, dass es nicht nur was wert ist, sondern auch was taugt – so viel kann ich jetzt schon sagen. (Viele Büchernarren interessiert nur, ob ein Buch zum Verkaufen taugt, weswegen sie von seinem wahren Wert oft keine Ahnung haben.) Darüber hinaus habe ich Glück, dass gerade das Vorchecking der Bücher in meinem Antiquariat/Café nicht mehr funktioniert. Alles könnte also gut sein, wenn da nicht der Kollege wäre, der auch von der Büchersucht betroffen ist, dem auch nicht entgangen sein dürfte, dass im Antiquariat/Café, unserem gemeinsamen Tatort, das Vorchecking nicht mehr funktioniert, und weswegen er mich möglicherweise gerade aus dem Weg räumen will. Was dazu in dem Fall wohl erwähnter Kommissar der Mordkommission sagen würde, wo es doch (noch) nicht mal ‘ne Leiche gibt?

Foto&Text TaxiBerlin

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