Stammplatz statt Stammtisch

Früher hatte ich einen Stammtisch, heute habe ich einen Stammplatz, und zwar im Konzert Saal. So weit ist es gekommen. Die 11. Reihe ist die vorletzte, und Platz 1 ist klar – rechts außen. Man sitzt dort sehr gut, auch weil erhöht, dafür aber etwas weit weg von der Bühne. Ich vergesse immer meinen Feldstecher mitzunehmen, muss ich beim nächsten Mal dran denken. Gestern war Violinen-Tag. Eine fesche junge Dame im roten Kleid hat das bekannteste aus “Carmen” vorgespielt, was ehrlich gesagt nicht so meins war. Ich bin sowieso kein großer Fan von “Carmen”. Dann gab es noch etwas von der Schwester von Mendelssohn Bartholdy. Ich wusste gar nicht, dass er eine Schwester hat. Sie heißt Fanny Hensel. Schöner Name, wie ich finde. Das Stück war auch gut. Eigentlich wollte mein Nachbar, dass ich gestern auf sein Dach steige, um zwei Ziegel einzufügen, die im Winter ein Sturm runter geweht hatte. Ich musste ihn auf heute vertrösten. Ich wollte wenigstens noch beim Konzert gewesen sein, bevor ich mir den Hals breche. Das ist kein Spaß! Die Dächer in Bulgarien sind vergleichsweise steil. Gut, den Hals habe ich mich mir heute nicht gebrochen, aber meine Hose hat jetzt drei Löcher mehr. Mein Nachbar kam dann gleich danach zu mir, um meine letzten Bretter mit seinem Hobel zu bearbeiten. Den hat er vor 40 Jahren im Corecom, dem bulgarischen Intershop, für 100 Dollar gekauft und der funktioniert immer noch. Naja, ist auch eine Maschine von Bosch. Die Bretter bringe ich zwischen meine Bücherregale an, damit ich noch mehr Platz für meine Bücher habe. Ich weiß, das ist nicht leicht zu erklären. Ich habe es heute schonmal versucht und bin gescheitert. Trotzdem versuche ich es noch einmal. Ich habe sieben Bücherregale. Die Latten, die noch übrig sind, reichen nicht für ein achtes. Das war meine Hoffnung. Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass ich die Latten zwischen die vorhandenen Regalen anbringen, sie mit ihnen sozusagen verbinden kann, ohne ein neues bauen zu müssen, was ich nicht kann, weil wie gesagt zu wenig Material, und trotzdem Platz für mehr Bücher zu haben. Habe ich mich verständlich ausgedrückt? Egal – wünscht mit auf jeden Fall Glück! (Das schlimmste habe ich sowieso hinter mir. Das war die Sache mit dem Dach heute Morgen.)
PS: Das wichtigste habe ich schon wieder mal vergessen. Das Ticket für das Klassik Konzert kostet seit einiger Zeit 20 Lewa (10€), früher waren es nur 12 Lewa (6€). Mein englischer Freund Jerry (der am liebsten Deutscher wäre), der im Orchester mitspielt, bekommt es für 6 Lewa (3€). Sonst könnte ich es mir nicht leisten, so oft zum Klassik Konzert zu gehen (genauer fahren – hin und zurück 70 km) und hätte somit auch keinen Stammplatz.