Warum ich gestern geweint habe

Bill Gates hat angekündigt, sein gesamtes Vermögen verschenken zu wollen. Insgesamt will er 200 Milliarden Dollar spenden. Aber sagt man nicht, man solle Gutes tun und darüber schweigen? Und sowieso will er nur 99 Prozent verschenken. Zwei Milliarden würden also noch übrig bleiben für ihn. Überhaupt hört sich für mich die Information wie Werbung an, um in Zukunft noch mehr Geld zu verdienen. Ich muss sogleich an Oscar Wilde denken, der meinte, dass Philanthropie die Zuflucht für solche Leute geworden ist, die ihre Mitmenschen zu belästigen wünschen. Apropos belästigen: Interessant ist in diesem Zusammenhang, was Gates über seine Bekanntschaft mit dem toten Pädophilen Jeffrey Epstein sagt. Sie habe ihm nicht nur die Ehe mit Melinda Gates gekostet, sondern bringe ihn bis heute in Erklärungsnot. Aber warum das denn? Wenn er ihn doch nur gekannt hat! Laut New York Times schrieb Gates in einer Mail über Epstein, dass dessen Lebensstil “sehr anders und irgendwie faszinierend” sei. Was genau ist an Kindesmissbrauch jetzt faszinierend? Noch einmal fällt mir Oscar Wilde ein, der über Philanthropen meinte, dass sie jedes Gefühl für Menschlichkeit verloren hätten. Ist die Antwort auf die Frage, was an Kindesmissbrauch faszinierend sei, vielleicht der Grund, dass Gates bis 2045 ein armer Mann sein will? Doch zurück zum Titel dieses Beitrags. Ich habe nicht wegen Bill Gates geweint. Und auch nicht um meine Eltern, auch wenn Nietzsche richtig feststellte, dass wohl jedes Kind Grund hätte, um seine Eltern zu weinen. Ich habe um mich geweint, weil ich vermutlich beim Geldsegen, der demnächst vom Gutmenschen Gates ausgehen wird, mal wieder leer ausgehen werde. Und dabei bräuchte ich für mein einzigartiges Projekt eines Rückzugsortes für Autoren, an dem es auch Esel gibt (Kindesmissbrauch ausgeschlossen!) gerade mal 75.370! – Noch einmal zurück zum bald armen Bill, der meinte, dass die Leute viel über ihn sagen werden, wenn er gestorben sei. Er sei aber fest entschlossen, dass “Er ist reich gestorben” nicht dazugehören würde. Denn: “Es gibt zu viele dringende Probleme zu lösen.” – Das ist in der Tat absolut richtig. Die größten Probleme allerdings scheint mir der Bill selbst zu haben. Vielleicht sollte ich doch um ihn weinen. Oder besser für ihn beten.

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