Zurück in Bulgarien (007) – “Ilija und ich”
Am Sonntag will mich Ilija Trojanow besuchen. Ilija Trojanow, wer ihn nicht kennt, ist der vielleicht bekannteste auf deutsch schreibende bulgarische Autor. Dabei ist Ilija zu einhundert Prozent Bulgare – im Gegensatz zu mir. Seine Eltern sind 1972, Ilija war damals sieben Jahre alt, über Serbien nach Italien geflüchtet. Später haben sie in Deutschland politisches Asyl erhalten. Das bekannteste Buch von Ilija ist „Der Weltensammler“, es wurde sogar im Literarischen Quartett damals noch mit Marcel Reich-Ranicki besprochen, genauso wie sein Buch „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“. Obwohl ich Ilija bereits auf zwei Lesungen erlebt habe, kenne ich ihn nicht persönlich. Unser persönliches Kennenlernen findet am Sonntag statt. Dass Ilija mich besucht, hat mit meinem Crowdfunding zu tun, einem Rückzugsort für Autoren, an dem es auch Esel gibt, den ich hier im Nordwesten Bulgariens ins Leben rufen will. Ich hatte Ilija im Frühjahr in einer e-mail von meinem Projekt geschrieben gehabt. Ich kenne Ilija zwar nicht persönlich, trotzdem tauschen wir hin und wieder e-mails aus. Das hängt mit meiner Eselwanderung quer durch Bulgarien zusammen. Die endete am Schwarzen Meer an einem kleinen Kap. Im letzten Ort vor dem Kap gab und gibt es hoffentlich noch eine kleine Kneipe, in der wir damals meine Ankunft gefeiert haben, und die Ilijas Onkel und Tante gehört. Aus diesem Zufall hat sich der e-mail Kontakt zu Ilija ergeben, der auch Bücher über Bulgarien geschrieben hat. Diese Bücher sind für mich die wichtigsten Bücher von Ilija. Auch weil ich immer wieder feststellen muss, dass viele Menschen nicht zwischen Bulgarien und Rumänien unterscheiden können, möchte ich die beiden Bücher von Ilija über Bulgarien kurz vorstellen. Das erste ist ein Sachbuch aus dem Jahre 1999. In der Erstausgabe heißt es noch „Hundezeiten“, die späteren Ausgaben haben den Titel „Die fingierte Revolution“. Warum der Titel geändert wurde, kann ich nicht sagen. Was ich weiß, ist, was es mit den „Hundezeiten“ auf sich hat, auf die Ilija anspricht. Anfang der Neunziger haben sich insbesondere ältere, allein lebende Menschen in den Städten Bulgariens einen Hund zugelegt, weil sie sich nicht mehr sicher fühlten. Später haben die Hundehalter festgestellt, dass sie sich kaum alleine über Wasser halten können, geschweige denn noch einen Hund. Deswegen wurden diese im großen Stil vor die Tür gesetzt. Aus diesen vor die Tür gesetzten Hunde bildeten sich dann Hunderudel, die das Bild von Bulgarien über Jahre prägten. Wichtig ist für mich bis heute der Anfang des Buches: An alle Opfer des totalitären Regimes, an die in den Kerkern erschlagenen, an den Grenzen erschossenen, in den Lagern zu Tode geschundenen, an radioaktiven Folgeschäden verendeten, in der Armee verunglückten Menschen. – An alle Opfer der neuen, demokratischen Zeit, an die in ihrer Wohnung erfrorenen, aus Mangel an Medizin und medizinischer Betreuung dahingesiechten, in ihrer endlosen Verzweiflung sich selbst getöteten Menschen. Ilijas Buch „Macht und Widerstand“ ist ein Roman über die bulgarische Staatssicherheit, der 2015 erschien. Hier sind mir die letzten Worte die wichtigsten. Sie stammen von Konstantin, einem Widerstandskämpfer gegen die Staatssicherheit: Du hast keine Überzeugung, wenn du nicht bereit bist, für sie zu sterben. – Wahrer Geist ist Widerstand gegen den Geist der Macht. – Es hat sich gelohnt. Ob Ilija mein geplanter Rückzugsort für Autoren, an dem es auch Esel geben wird, genauso gefällt, wie mir seine Bücher über Bulgarien, wird man sehen. Falls ja, kennt Ilija eine Stiftung, die mein Projekt unterstützen könnte, was natürlich toll wäre. Mir persönlich ist das persönliche Kennenlernen mit Ilija das wichtigste. Darauf freue ich mich schon, und ich bin auch sehr gespannt. Auch wenn ich über Ilija als Mensch noch nichts sagen kann, so kann ich seine beiden Bücher über Bulgarien nur wärmstens empfehlen. Sie sollten für alle, die sich für Bulgarien interessieren, ein MUSS sein, so denke ich.
Foto&Text TaxiBerlin