Leben in Zeiten von Corona – Heute: “Ein Buch ist zuviel und tausend Bücher sind nicht genug”

 

und jetzt auch direkt an Ihrer Haustür

Mit der Büchersucht ist es wie mit jeder Sucht: Niemals bekommt man genug von seinem Stoff. Bei den Anonymen Alkoholikern, also in AA-Sprech, heißt das so: Ein Glas ist zu viel und tausend nicht genug. Ein Büchersüchtiger, der nicht wie ein nasser Alkoholiker seinen Stoff einfach ausschwitzen oder auspinkeln kann, bekommt zwangsläufig Platzprobleme, selbst wenn er seinen Stoff, also seine Bücher, versucht weiterzuverkaufen. Das sage ich aus eigener Erfahrung, also als von der Büchersucht Betroffener. Auch wenn ich täglich ein oder zwei Bücher verkaufe, sind das immer noch weniger, als ich im Schnitt in der selben Zeit einkaufe. Es ist dieses Wachstumsding, mit dem wir auch im Großen zu tun haben, und was auch den ganzen Müll produziert. Ich habe da, wenn du so willst, nur das nachgemacht, was uns im Großen vorgemacht wird: Wachstum, Wachstum, Wachstum … Im Großen ist es so, dass irgendjemand immer noch seinen Schnitt macht, und wenn es nur am Müll ist. Einige haben regelrechte Vorgaben, bis wann die nächste Million gemacht sein muss, wobei die, die sie machen, nie sagen können, wozu sie diese brauchen. Meist brauchen sie sie nur, um mit ihr in noch kürzerer Zeit die nächste Million zu machen. Das ist, oder besser: war, bei mir nicht anders. Das Antiquariat/Café, mein Tatort, in dem ich bisher meine Bücher eingekauft habe, hat sehr gut an mir verdient. Ich selbst habe mit dem Verkauf von Büchern an erster Stelle die finanziert, die ich für mich behalten habe, also meine eigenen Bücher. Meist blieb darüber hinaus, also unterm Strich, kaum etwas übrig für mich. Das ist die Wahrheit. Es bleibt vor allem dann nichts übrig, wenn man, so wie ich, den Verkauf jedes einzelnen Buches auch mit seinem Wissen vereinbaren möchte. Die allermeisten Bücher sind nicht einfach nur überflüssig, sondern regelrecht schädlich für den Menschen. Das ist leider auch wahr. Normalerweise bin auch ich ein libertärer Mensch, bei dem jeder die Bücher lesen soll, die er will. Meine Toleranz stößt hier allerdings immer mehr an ihre Grenzen, was ich so formulieren möchte: Ich würde mir nicht erlauben, Menschen vorzuschreiben, was sie lesen sollen, wenn andere sie nicht vorher in die Irre geführt hätten. Das ist praktisch auch der Grund, warum ich Bücher weniger nach ihrem Verkaufswert einkaufe, sondern mehr nach ihrem Aufklärungswert, womit ich mir mein Geschäft mit ihnen in gewisser Weise auch selber kaputt mache. Auch das stimmt leider. Dass ich aktuell von einem ebenfalls von der Büchersucht Betroffenen ausgerechnet an dem Ort gemobbt werde, wo wir beide unseren Stoff einkaufen, auch den zum weiterverkaufen, ist kein Zufall, wie ich denke. In Zeiten der Krise ist jeder sich selbst der Nächste, das ist nicht neu. Jede Krise ist aber bekanntlich auch eine Chance, und so versuche ich auch mein aktuelles Mobbing zu sehen. Das ist nicht leicht, wie jeder weiß, der schon mal süchtig war oder es gar immer noch ist. Aber nachdem ich bereits als Taxifahrer trocken bin, wage ich nun den Sprung ins kalte Wasser und trete hiermit meinen Bücherentzug an. Ab sofort begebe ich mich in meine ganz persönliche Bücher-Rehabilitation. Eine Rehabilitation wird kurz auch nur Reha genannt. Amy Winehouse hat einen ganzen Song über ihre Reha gemacht, zu der sie nicht zurück wollte. Ich erwähne Amy Winehouse, weil sie kurz darauf tot war, vermutlich weil sie nicht zurück in ihre Reha wollte. So eine Reha/Rehabilitation ist also eine ernste Sache, bei der man nicht nur Hilfe annehmen soll, sondern auch um sie bitten kann. Deswegen dieser Beitrag. Wer mir bei meiner Buch-Reha, also bei meinem selbstgewählten Bücherentzug, helfen will, der schaut in meinem Bauchladen vorbei. Wenn du ein Buch gefunden hast, das du haben möchtest, dann kannst du es nicht nur bei mir kaufen, sondern ich bringe es dir als Erster Berliner Bücher Bote mit meinem Fahrrad auch persönlich bis an die Haustür, solange dies (noch) möglich ist. Ab sofort biete ich nur noch Bücher an, die ich bereits habe, und die bei mir in allen möglichen Ecken herumstehen und in verschiedenen Schubladen herumliegen. Mit den Büchern eines Büchersüchtigen ist es wie mit dem Alkohol beim Alkoholiker. Bei dem steht der Alkohol auch überall rum, oft sogar versteckt. Ich habe mich für den kalten Bücherentzug entschieden, weil ich an meinem Tatort, wo ich bisher meinen Stoff gefunden habe, aktuell wegen meiner Maskenbefreiung gemobbt werde. Im Moment darf ich noch mit einem Visier dorthin. Das wird sich jetzt mit dem verschärften Lockdown ändern. Ich gehe davon aus, das sich der, der mich da mobbt, erneut über mich beschweren wird, diesmal wegen meinem Visier, das ihn nicht schützen würde usw. Da ich aber mit Maske nicht arbeiten kann, denn Bücher suchen und kaufen ist richtig Arbeit, komme ich dem “High-Noon” dieser “Masken-Soap” einfach zuvor, indem ich gar nicht mehr in mein Antiquariat/Café, meinem Bücher-Tatort, gehe. Damit überlasse ich dem Mobber zwar das Geschäft, aber ihm auch seiner Sucht mit all ihren Nebenwirkungen, wie z.B. immer mehr Platz, den man für seine Bücher braucht und die den eigenen Wohnraum kontinuierlich schrumpfen lässt. Während der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene noch an seiner Sucht leidet, befinde ich mich bereits auf dem Weg der Genesung, bei dem du mich wie gesagt unterstützen kannst, indem du ein Buch von mir kaufst, aber ich wiederhole mich, ein sicheres Symptom oder auch Merkmal meiner Abhängigkeit …

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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Was wohl der Kommissar von der Mordkommission dazu sagen würde?

 

Bald hier im Angebot

Fahrgäste gibt es spätestens seit dem Auftauchen der staatlich organisierten Kriminalität von Uber vor drei Jahren mit jedem Tag weniger. Corona war nur der Anlass aber nicht die Ursache, die ist Uber, fängt schließlich auch mit U an, dass mein Chef seine Firma Ende letzten Jahres aufgelöst hat und immer noch auflöst. Es ist gerade nicht leicht Taxis zu verkaufen. Man bekommt kaum Geld für sie. Gekauft werden sie nur von Firmen, die auch Mietwagen haben, die wiederum für Uber fahren. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass auch mein Taxi, mit dem ich die letzten Jahre auf den Berliner Straßen und Plätzen zu hause war, demnächst dort für Uber sein Unwesen treiben wird. Das ist heute kein Problem mehr, denn die Fahrzeuge müssen nicht mehr aufwendig umlackiert werden, die Farbe wird heute mit Folie auf die Fahrzeuge geklebt. Da mein Chef seinen Laden auflöst, ist er, was mein Einkommen angeht, jetzt nicht mehr zuständig für mich. Seit Anfang des Jahres wäre es das Arbeitsamt, wenn es denn Arbeit geben würde. Damit ich von irgendwoher Geld bekomme und nicht auch hier auf dem Trockenen sitze, nachdem man mir als Trockenen Taxifahrer bereits die Fahrgäste geraubt hat, musste mein Chef irgendwo im Internet eingeben, wie viel Geld er mir letztes Jahr gezahlt hat, zahlen konnte, weil ich zuvor dementsprechenden Umsatz gemacht hatte. Ohne dem geht es nicht. Jedenfalls sind diese Daten jetzt dort nicht angekommen, wo sie ankommen sollten, was auch kein Wunder ist, wo jetzt jeder im Internet sein muss, dort sozusagen sein Unwesen treibt. Die ganze Digitalisierung ist auch gar nicht gut, sie macht uns nur zusätzlich dumm, nachdem wir ja schon so dumm genug gemacht werden, aber das ist schon wieder ein anderes Thema. Während nun meine Daten von meinem Chef hoffentlich nur irgendwo im digitalen Nirvana kreisen und darüber hinaus nicht auch noch missbraucht werden, sitze ich auf dem Trockenen. Dieser Umstand lässt mich jetzt Tag für Tag auf’s Neue zu meinem Tatort, dem erwähnten Antiquariat/Café, aufbrechen. Dort gibt es seit einiger Zeit eine neue Entwicklung. Nein, mein Mobbing meine ich damit nicht, sondern das Vorchecking. Vorchecking gibt es nicht nur beim Fußball, sondern auch bei Büchern. In dem Antiquariat/Café äußerte sich das so, dass praktisch keine wirklich wertvollen Bücher es erreichten. Sie wurden vorher aussortiert, und von dem Antiquariat/Café in Eigenregie im Internet verkauft. Da ich das von Anfang an wusste, kam ich mir immer auch irgendwie verarscht vor, wenn ich meinen Tatort aufsuchte. Ungefähr so, wie ein Kommissar sich fühlen muss, wenn er an seinen Tatort kommt und die Leiche nicht mehr da. Sogar Bücher, die Spender direkt ins Antiquariat/Café brachten, landeten nicht sogleich in den Regalen, sondern wurden nach ihrem Wert vorgecheckt. Es gibt auch Büchernarren, wie ich einer bin, die bevor sie ein Buch kaufen mittels Smartphone im Internet nachschauen, wie viel das Buch wert ist, um in etwa zu wissen, wie viel sie selbst dafür bekommen. So verrückt war ich nie, und ich könnte es auch nicht kontrollieren, selbst wenn ich wollte, weil ich gar kein Smartphone habe. Weil nun dieses Vorchecking aus irgendwelchen Gründen nicht mehr oder nicht mehr so gut funktioniert, finden seit einiger Zeit immer mehr wertvolle Bücher ihren Weg in die Regale des Antiquariat/Cafés. Das weiß natürlich auch der Kollege, der mich da gerade wegen meiner Maske mobbt, aber das nur nebenbei. Neulich fand ich nun obiges Buch über Albanien in den Regalen meines Tatortes, dem Antiquariat/Café. Bücher über Albanien gibt es nicht so viele, und weil mich der Balkan und damit auch Albanien, wo ich noch nicht war, interessiert, habe ich das Buch gekauft, auch um mich vorzubereiten, falls man irgendwann mal wieder reisen können sollte. Natürlich interessiert auch mich immer, für wie viel ein Buch im Internet gehandelt wird. Bei dem Buch über Albanien hat es mich besonders interessiert, weil es wie gesagt nicht viele Bücher über Albanien gibt, das von mir im Antiquariat/Café gefundene darüber hinaus ein Fachbuch von einem Fachmann der Südosteuropa-Gesellschaft ist, und ich selbst einige Semester am Osteuropa-Institut der Freien Universität studiert habe, genau genommen dort sogar das Grundstudium abgeschlossen habe, was heute der Bachelor ist, wie ich neulich erfahren habe. Dass das Buch über Albanien nun für so viel gehandelt wird, das hat selbst mich überrascht, ist aber andererseits auch gut für mich. Denn wo aktuell meine Daten im digitalen Nirvana verschwunden sind, ich also nicht nur ein Trockener Taxifahrer bin, sondern auch wirklich gerade auf dem Trockenen sitze, ist es gut, so einen kleinen Schatz im Haus zu haben, wie andere ihr Silberbesteck. Einen Schatz, den ich vielleicht bald in meinem Bauchladen anbiete, anbieten muss, nachdem ich ihn vorher quer gelesen habe. So viel Zeit muss sein, auch wenn man auf dem Trockenen sitzt. War es bisher so, dass ich mir mit den Büchern aus dem Antiquariat/Café, meinem Tatort, mein Trinkgeld verdient habe, das mir auch fehlt, seit ich ein Trockener Taxifahrer bin; so muss ich, wenn es so weiter geht, wohl bald meinen gesamten Lebensunterhalt mit Büchern bestreiten. Zum Glück habe ich da ein langes Bücherstudium auch im Taxi, aber nicht nur dort, hinter mir, weswegen ich auch ganz ohne Smartphone ziemlich genau weiß, welches Buch was taugt und welches nicht. Bei dem Albanien-Buch ist es so, dass es nicht nur was wert ist, sondern auch was taugt – so viel kann ich jetzt schon sagen. (Viele Büchernarren interessiert nur, ob ein Buch zum Verkaufen taugt, weswegen sie von seinem wahren Wert oft keine Ahnung haben.) Darüber hinaus habe ich Glück, dass gerade das Vorchecking der Bücher in meinem Antiquariat/Café nicht mehr funktioniert. Alles könnte also gut sein, wenn da nicht der Kollege wäre, der auch von der Büchersucht betroffen ist, dem auch nicht entgangen sein dürfte, dass im Antiquariat/Café, unserem gemeinsamen Tatort, das Vorchecking nicht mehr funktioniert, und weswegen er mich möglicherweise gerade aus dem Weg räumen will. Was dazu in dem Fall wohl erwähnter Kommissar der Mordkommission sagen würde, wo es doch (noch) nicht mal ‘ne Leiche gibt?

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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Verstehen, was geschieht

 

Aktuell das teuerste Angebot

Wer verstehen möchte, was gerade geschieht, dem empfehle ich den Blick in Bücher und nicht ins Internet, auch nicht in die Glotze und schon gar nicht in irgendwelche Tageszeiten. Denn die so genannten Neuigkeiten, die uns dort jeden Tag aufs Neue verkauft werden, verkauft werden müssen, der Rubel muss schließlich rollen, denn nur money makes the world go round, sind die eigentlichen Verschwörungstheorien von heute. Die wirklich wichtigen Sachen und tieferen Wahrheiten findet man nur in Büchern. Deswegen deale ich auch mit ihnen, früher bei mir im Taxi, jetzt als Erster Berliner Bücher Bote, der seinen Kunden die bestellten Bücher sogar bis an die Haustür bringt, leider auch im Netz. Beim analogen Bringen meiner Bücher helfen mir meine speziellen und ebenfalls völlig analogen Ortskentnisse nach zwanzig Jahren auf den Straßen und Plätzen Berlins. Ich brauche kein Navi, denn Navis machen bekanntlich Orientierungsblöd. Mein Navi ist mein Kopf, und die Fähigkeit zum Nachdenken, die ich auch im Taxi schulen konnte. Damit finde ich praktisch jede Adresse und auch jeden Briefkasten in Berlin. Dem Herrn aus Essen, der gestern das bisher teuerste Buch aus meinem Bauchladen gekauft hat, kann ich dieses leider nicht an die Haustür bringen. Das liegt aber nicht an mir, sondern am Lockdown. Denn auch in Essen würde ich jede Straße finden, ganz ohne Navi. Oft hilft es, sich Dinge zu merken; etwas logisches Denken kann auch nicht schaden. Der Herr aus Essen hat aber nicht einfach nur das bisher teuerste Buch aus meinem Bauchladen gekauft, alleine deswegen würde ich nicht hier über ihn berichten; er hat mir darüber hinaus auch Kampfesgrüße gegen Uber aus dem Ruhrpott gesendet. Die Berliner verstehen sich mit den Menschen aus dem Ruhrpott meist sehr gut. Das ist zumindest meine Erfahrung im Taxi und liegt meiner Meinung nach daran, dass sowohl Berlin als auch das Ruhrgebiet proletarisch geprägt sind. Doch nun zu den Anti-Uber-Kampfesgrüßen aus Essen: “Gerne unterstütze ich Sie in Ihrem Kampf gegen Uber!” – Das bisher teuerste Buch, das der Herr aus Essen aus meinem Bauchladen gekauft hat, und mit dessen Kauf er mich in meinem Kampf gegen Uber unterstützt, an erster Stelle aber meinen aktuellen Lebensunterhalt als Trockener Taxifahrer sichert, habe ich irgendwann einmal für wenig Geld auf dem Flohmarkt gefunden, die jetzt geschlossen sind. (Wenn ich bald nicht mehr in mein Antiquariat/Café gehen kann, bleibt mir nur noch die Straße als der Ort, um Bücher für meinen Bauchladen zu finden.) Ich habe in das bisher teuerste Buch, es heißt einfach nur “Havemann”, selbstverständlich und wie ich das mit allen meinen Büchern mache reingelesen, d.h. ich habe die für mich wichtigsten Stellen gefunden, es waren, wie in den allermeisten Büchern, genau drei. Drei Stellen, aus denen ich etwas Neues erfahren habe, was nicht im Internet und auch in keiner Zeitung steht. Eine von diesen dreien möchte ich verraten, damit du weißt, was ich meine. Es ist Weihnachten in Ost-Berlin, also der Hauptstadt der DDR, und Florian Havemann, der Sohn vom alten Havemann (ja, genau der, den Angela Merkel damals möglicherweise mitbespitzelt hat) verkauft am S-Bahnhof Alexanderplatz Fahrscheine. Plötzlich kommt Heiner Müller vorbei, der sich mit ihm, also mit Florian Havemann, unterhält, und wir erfahren aus dem Gespräch der beiden so ganz nebenbei, dass Heiner Müller keine Almosen gibt, er regelrecht ein Gegner von Almosen ist (im Koran sind sie vorgeschrieben), weil das nicht seinem Klassenstandpunkt entspricht, was damals die “richtige Haltung” war. So viel zu einer wichtigen Stelle in dem Buch “Havemann”, dem bisher teuersten Buch in meinem Bauchladen, das gestern ein Herr aus Essen gekauft hat, dem ich das Buch zwar nicht persönlich vorbeibringen kann, der mir aber Anti-Uber-Kampfesgrüße aus dem ebenfalls proletarisch geprägtem Ruhrpott sendet, was ich von meinen Fahrgästen von dort weiß, mit denen ich mich meist sehr gut verstanden habe, die es jetzt leider nicht mehr gibt für mich, weswegen ich ein Trockener Taxifahrer bin, der mit Bücher dealen muss, damit ich nicht demnächst auf der Straße sitze, die eigentlich meine Universität und auch mein zu hause ist. Hast du so was schon mal in irgendeiner Zeitung oder im Internet (ausser auf meiner Seite) gelesen? Siehst du, die Welt kann manchmal ziemlich verrückt sein, aber eigentlich ist sie ganz einfach. Die Welt wird uns nur als verrückt präsentiert. Seit einiger Zeit wird uns die Welt nicht nur als verrückt präsentiert, sondern man versucht uns aktiv verrückt zu machen. Das ist noch mal was anderes, eine weitere Eskalationsstufe, die da gezündet wurde. Demjenigen, der mehr darüber erfahren möchte, empfehle ich das nun aktuell teuerste Buch aus meinem Bauchladen.  Es heißt “Die Schock-Strategie” und ist von Naomi Klein, sein Untertitel ist “Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus”. Aus ihm erfährst du, warum man uns nun schon seit einem Jahr mit täglichen angeblichen Neuigkeiten in Angst und Schrecken versetzt. Denn die wirklich wichtigen Sachen findest du wie gesagt nicht im Internet, auch nicht in der Glotze und schon gar nicht in irgendwelchen Tageszeiten. Die so genannten Neuigkeiten (angebliche “Neuinfektionen” – der richtige Begriff ist Positiv Getestete; “mit” oder gar “im Zusammenhang mit” Verstorbene – man stirbt immer nur an etwas), die uns dort jeden Tag aufs Neue verkauft werden, verkauft werden müssen, damit der Rubel rollt, denn nur money makes the world go round, sind die Verschwörungstheorien von heute. Tiefere Wahrheiten und auch Neuigkeiten stehen nach wie vor in Büchern. Daran hat sich nichts geändert. Deswegen empfehle ich dir, ganz analog zurück in die Zukunft zu gehen, du brauchst dazu kein Navi, gehe nicht über Los und ziehe auch keine Prämie für Wohlverhalten ein, sondern begib dich, Zeit hast du ja jetzt jede Menge, direkt in meinen Bauchladen.

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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Mobbing eines Maskenbefreiten

Demnächst hier im Angebot

Seit mehr als zehn Jahren bin ich nicht einfach nur Kunde sondern Stammkunde in dem Café/Antiquariat, seit Corona Antiquariat/Café, bei mir im Kiez. Ich bin nicht der einzige Büchersüchtige, der ständig neue Bücher braucht. Man kennt sich in der Szene, wenn auch oft nur vom Sehen, wie ich z.B. den ebenfalls von der Büchersucht Betroffenen, der mich vor wenigen Tagen aus dem Nichts heraus von der Seite angeblafft hat, weil ich in dem Antiquariat/Café keine Maske trage. Dass ich an dem Ort, an dem wir beide unserer Sucht frönen, weswegen ich auch gerne vom Tatort spreche, keine Maske trage, keine Maske tragen kann, ist nicht neu. Ich habe dort noch nie eine Maske getragen, denn ich bin seit Langem und noch bevor das Tragen einer Maske zur Pflicht erklärt wurde im Besitz eines ärztlichen Attestes meiner Hausärztin. Diesen habe ich irgendwann einmal in dem Antiquariat/Café vorgezeigt, genau genommen mehrfach, damit ihn auch alle Mitarbeiter einmal gesehen haben, und er wurde seither akzeptiert. Der Kollege und Betroffene kennt mich also gar nicht mit Maske, und bisher hat ihm das auch nichts ausgemacht. Vor wenigen Tagen blaffte er mich nun plötzlich völlig aus dem Nichts heraus von der Seite an, dass ich keine Maske tragen würde, und ob ich das denn nicht wissen würde. Ich antworte ihm höflich und wahrheitsgemäß, dass mir dieser Umstand durchaus bewusst sei. Daraufhin blaffte er mich weiter von der Seite an, dass das nicht gehen würde, dass ich ihn anstecken würde und dass ich jetzt mal rasch meine Maske aufsetzen solle und zwar ein bisschen zackig. Wieder wies ich ihn höflich darauf hin, dass ich einen ärztlichen Attest habe, dass ich aus medizinischen Gründen keine Maske tragen könne. Jetzt war ein Moment Ruhe, aber nicht lange, sondern nur bis eine Mitarbeiterin den Raum betrat, um neue Bücher einzusortieren. Die blaffte der Betroffene dann zwar nicht so wie mich an, aber er wies sie schon ziemlich bestimmt darauf hin, dass das ihr Job wäre, mich zum Tragen einer Maske an unserem gemeinsamen Tatort zu verpflichten, damit er dort nicht angesteckt wird, denn von mir ginge schließlich eine Gefahr für ihn aus. Auch die Mitarbeiterin reagierte ruhig, so wie ich zuvor, und teilte dem Betroffenen mit, dass ich einen ärztlichen Attest habe, den ich auch mehrfach vorgelegt habe. Der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene rastete nun völlig aus und schrie laut aus, dass man ja wissen würde, wo solche Atteste herkämen, und dass das so nicht weitergehen könne, dass ich nicht weiter ohne Maske unseren gemeinsamen Tatort betreten dürfe usw. … Nach seinem Ausbruch war wieder Ruhe, denn weder die Mitarbeiterin noch ich reagierten auf ihn. Zwei Tage später, also vorgestern, war ich erneut in dem Antiquariat/Café, unserem gemeinsamen Tatort, und der ebenfalls Betroffene war auch wieder da. Es dauerte nicht lange, da bekam ich mit, dass er hinter meinem Rücken mit einer anderen Mitarbeiterin sprach, dass er das dreist fände, dass man ihn gefährde, und dass das spätestens nächste Woche sein Ende hätte. Da man offensichtlich über mich sprach, näherte ich mich den beiden, woraufhin der Betroffene das Gespräch abbrach und sich entfernte. Die Mitarbeiterin des Antiquariat/Cafés sagte nichts dazu. Das änderte sich gestern, als ich erneut unseren gemeinsamen Tatort besuchte, der andere Betroffene auch bereits da war, ich diesmal allerdings von der Mitarbeiterin darauf hingewiesen wurde, dass ich ab sofort das Antiquariat/Café ohne Maske nicht mehr betreten dürfe, mein ärztlicher Attest sie nicht mehr interessiert, denn schließlich hat sie das Hausrecht. Es interessierte sie nicht, dass ich z.B. bei real und bei EDEKA problemlos ohne Maske einkaufen kann. Mehrere Personen hätten sich beschwert, weil ich ohne Maske komme. Sie hätten Angst, dass ich sie anstecken würde. Daraufhin meinte ich, dass das mehr mit den Leuten zu tun hätte als mit mir, was die Mitarbeiterin des Antiquariat/Café für möglich hielt, aber an ihrer Entscheidung nichts änderte. Da ich wie gesagt keine Maske tragen kann, schlug ich vor mir ein Visier aufzusetzen. Für den Moment lies sich die Mitarbeiterin, die ich übrigens seit Jahren gut kenne, auf diesen Kompromiss ein. Ich gehe aber davon aus, dass wenn nächste Woche der Lockdown erneut verschärft wird, der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene erneut mit der Mitarbeiterin sprechen wird, so wie er es bereits in dem Gespräch hinter meinem Rücken angedeutet hat, und darauf bestehen wird, dass auch ich das Antiquariat/Café, unseren gemeinsamen Tatort, nur noch mit Maske betreten darf. Dazu muss man wissen, dass es nicht nur um eine Sucht geht, von der wir beide betroffen sind, sondern auch um die Existenz, denn wir sind beide im Büchergeschäft. Das Antiquariat/Café ist die wichtigste Quelle der Bücher, die ich in meinem Bauchladen anbiete, und auch der ebenfalls von der Büchersucht Betroffene, der mich da gerade gemobbt hat, dürfte die ganzen Bücher, die er Tag für Tag dort kauft, weiterverkaufen. Es geht hier also auch, das muss ganz klar gesagt werden, ums Geschäft und um Quellen und demnächst möglicherweise ums nackte Überleben. Was die Angst des Betroffenen angeht, die er hat, so nehme ich diese ernst. Sie ist mir nicht gleichgültig. Ich kann sie verstehen, und es tut mir leid, dass er sie hat. Seine Ängste haben aber mehr mit ihm zu tun als mit mir. Davon bin ich überzeugt. Sie geben ihm auf keinen Fall das Recht, so mit mir zu sprechen, auch nicht hinter meinem Rücken und vor allem nicht zu behaupten, er wisse wo meine Maskenbefreiung herkäme. Was ich völlig vermisse bei ihm, ist das Verständnis und das Mitgefühl mit Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können. Hier ist er völlig “schmerzfrei”, der Betroffene, und das verstehe ich nicht. Da ich weiß, dass er raucht, und nicht zu knapp, kann ich mir vorstellen, dass er sich aufgrund seines Nikotinkonsums zu einer Corona-Risikogruppe zählt. Er dürfte auch ein paar Jährchen älter sein als ich, wenn ihn nicht das viele Rauchen nur älter aussehen lässt. Auch das ist möglich. Diese Beobachtungen führen mich zu der Überlegung, und jetzt bin auch ich mal etwas gemein, ob es nicht so sein könnte, dass ich mir, geht es nach dem Betroffenen, nun eine Maske aufsetzen soll, obwohl ich einen gültigen ärztlichen Attest habe, den ich nicht von irgendwo herhabe, wie er behauptet, sondern von meiner Hausärztin, und der besagt, dass mir aus medizinischen Gründen eine Maske nicht zuzumuten ist, genauso wie dies auch den Verkäufern und Verkäuferinnen im Supermarkt und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Antiquariat/Café nicht zumutbar ist, weil er sein halbes Leben geraucht hat und sich heute deswegen von jedem, der keine Maske trägt, bedroht fühlt. Wenn dem so ist, und vieles spricht dafür, dann muss ich sagen: Ich kann nichts dafür, dass der Betroffene so viel geraucht hat, dass er auch dieser Sucht sein halbes Leben lang frönen musste, und nicht nur seiner Büchersucht, aber ich habe damit nichts zu tun. Oder mit anderen Worten: Es gibt ihm nicht das Recht, mich in seine ganz private Maskengeiselhaft zu nehmen.

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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Was Taxifahren und Uber mit Sexualität und Feminismus zu tun haben

Demnächst hier im Angebot

Nicht nur der Alttag, sondern auch die Sexualität soll ihre Masken haben. Das meint zumindest Camille Paglia, deren 855-seitigen Wälzer ich gestern auf der Straße gefunden habe, die auch weiterhin meine Universität ist, auf denen ich auch als Trockener Taxifahrer zu hause bin. Normalerweise lese ich solche dicken Bücher nicht, lasse sie eher liegen, weil ich der Meinung bin, wenn jemand nicht nach 300, 400 maximal 500 Seiten auf den Punkt kommt, dann ist dieses Buch nicht für mich. Mir geht es da ein wenig wie Kaiser Joseph II., der nach der Uraufführung von “Die Entführung aus dem Serail” zu Mozart gesagt hat: “Zu viele Noten, streiche er einige weg, und es ist richtig.” Mit Noten kenne ich mich nicht ganz so gut aus wie mit Worten, auch wenn ich in meinem Taxi, als ich mit ihm noch Fahrgäste auf den Straßen und Plätzen Berlins von A nach B befördert habe, viel Musik und da insbesondere Mozart und auch erwähnte “Entführung aus dem Serail” gehört habe. Mit Worten kenne ich mich auf jeden Fall besser aus, das würde sicherlich auch der ein oder andere Taxi-Fahrgast bestätigen können, wenn es ihn denn noch gäbe. Denn da ist es wirklich so: Kürzer ist besser. Meistens zumindest. Praktisch wie beim Rock einer Frau. (Auch da gibt es Ausnahmen!) Camille Paglia, die das dicke Buch “Die Masken der Sexualität” geschrieben hat, das ich wegen seiner vielen Seiten und seinem Gewicht von gut einem Kilo fast auf der Straße hätte liegen lassen, ist eine solche Frau. Camille Paglia, die in einer italienischen Einwandererfamilie aufwuchs (Achtung: Migrationshintergrund!), ist Jahrgang ’47 und eine US-amerikanische Kunst- und Kulturhistorikerin und Professorin für Geistes- und Medienwissenschaften. Ihren Wälzer “Die Masken der Sexualität”, der nicht nur dick und schwer ist, sondern auch viel zu viele Worte hat, erschien erstmals 1990 und heißt in der amerikanischen Originalausgabe “Sexual Personae. Art and Decadence from Nefertiti to Emily Dickinson”. Wichtig ist in dem Titel die Dekadenz, die bei mir Empathielosigkeit heißt, und über deren Zunahme ich mich auch in meinem Taxi immer wieder mit meinen Fahrgästen ausgetauscht habe. Dieser Austausch ist neben dem “on the road” sein “like a rolling stone” das, was mir heute als Trockener Taxifahrer am meisten fehlt. Was erwähnte Empathielosigkeit angeht, das sahen meine Fahrgäste meist ähnlich wie ich es bis heute sehe: Dass der Outlaw Uber, der Feind aller rechtschaffenen Taxifahrer, als praktisch Gesetzloser und in Wild-West-Manier auf unseren Straßen und Plätzen sein Unwesen treiben darf, hat auch viel mit Empathielosigkeit zu tun, und zwar die unserer Politiker gegenüber seinen ehrlichen, sich an Recht und Gesetz haltenden Taxifahrern und -unternehmern – aber eben auch mit Dekadenz. Deswegen sage ich auch seit einiger Zeit ganz klar, dass dies nicht mehr mein Land ist. Eine Aussage, die auch viele meiner Fahrgäste unterschrieben hätten. Viele sehen das bis heute so, also anders als es uns von offizieller Seite eingeredet wird, dass Uber geil sei, und alleine deswegen mit Uber auch alles in Ordnung sein muss. Mit dem, was nun Professorin Camilla Paglia über den Feminismus sagt, wird es insbesondere den Feministinnen aber auch den Feministen (sic!) jetzt vermutlich ähnlich gehen wie mit dem, was viele bis heute über Uber denken und sagen, dass Uber ein einfacher Krimineller ist, sozusagen die Mafia von heute, diesmal allerdings staatlich organisiert. Fast wäre das mit dem Feminismus an mir vorbeigegangen, und zwar wenn ich den 855-seitigen Wälzer der Autorin auf der Straße, meiner Universität, hätte liegen lassen, aber zum Glück wurde das Wichtigste auf der Rückseite des Buches mit wenigen Worten zusammengefasst. Die Professorin Camilla Paglia sagt dort etwas ganz Kluges, wie ich finde, was bis heute gilt und was auch von mir hätte sein können, wenn ich 1990 und die Jahre zuvor, als die Autorin an dem Buch schrieb, nicht mit Demonstrieren, Wende und Wiedervereinigung beschäftigt gewesen wäre, und zwar folgendes: “Die Sexualität dem Feminismus zu überlassen ist so, als gäbe man seinen Hund in den Ferien zum Tierpräparator.” Übertragen auf Uber und Taxi heißt das: Uber ist der Tier-Präparator des Taxis oder “Das Ende des Taxis”, wie Matthias Kreienbrink es bereits im November ’18 in der Zeit gut beschrieben und richtig festgestellt hat. 
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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Der Hausstand

 

Der Hausstand ist für mich ein neuer Begriff und demzufolge auch die Frage: “Sind Sie aus einem Hausstand?” Mit Hausstand ist der Haushalt gemeint, das sagt man im Bayrischen dazu, genauso wie man “Grüß Gott!” anstelle von “Guten Tag!” sagt. Auch bei einer Kontrolle durch die Polizei. Die hat mich in über zwanzig Jahren mit meinem Taxi auf den Straßen und Plätzen Berlins ganze zwei (2!) Mal nach meinem Taxischein gefragt, nach meinem oder gar dem Hausstand meiner Fahrgäste wurde nie gefragt. Dass es praktisch keine Kontrollen gab und bis heute nicht gibt in Berlin, hat dazu geführt, dass es einige schwarze Schafe gab unter den Taxifahrern und seit einiger Zeit ein ganz großes schwarzes Schaf. Das große schwarze Schaf kommt aus Amerika und heißt Uber. Uber ist mittlerweile ein solcher “Big Deal”, dass man dieses schwarze Schaf kurzerhand legalisiert hat, denn Uber ist, wenn du so willst, nicht nur “Systemrelevant”, sondern vor allem “Too Big To Fail”. So ist es keine Überraschung, dass Uber-Fahrzeuge des Mietwagen-Service (der richtigere Begriff wäre Limousinen-Service), die im Gegensatz zum Taxi (ganz wichtig!) keine öffentlichen Verkehrsmittel mit Beförderungs- und Tarifpflicht sind, noch nie angehalten und demzufolge auch noch nie nach dem Hausstand, der bei uns in Berlin Haushalt heißt, gefragt worden sind. Ich glaube auch nicht, dass das kommt, denn Uber ist einfach zu …, du weißt schon, weswegen Uber auch keine Steuern bezahlt. Und überhaupt: Bei irgendjemandem muss der Rubel schließlich rollen, nicht nur bei Big Pharma, Amazon & Co.
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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Von Masken und Maskeraden und vom Masken fallen lassen

 

Maske oder Tod

Alltagsmasken wurden sie bisher genannt. Zu meinem Alltag gehören sie nicht, haben sie nie gehört und werden sie nicht gehören – auch die medizinische Maske nicht. Ich mache diese Maskerade nicht mit, zumindest war es bis vor kurzem so. Jetzt ziehe auch ich mir trotz offiziellem ärztlichen Masken-Attest immer öfter eine auf, aber immer nur kurz, damit ich nicht umkippe. Dass ich mich gezwungen sehe, trotz Attest eine Maske aufzusetzen, liegt daran, dass ich nicht unvermittelt eine auf’s Maul bekommen möchte, nur weil ich keine Maske trage. Die Stimmung in der Maskenfrage hat sich in der Hauptstadt in den letzten Tagen weiter verschärft. Die Leute sind nach Wochen des mittelalterlichen Einschließens verständlicherweise aggressiv. Hinzu kommen bei immer mehr Menschen finanzielle Sorgen und ganz reale Ängste um den Job bis hin zur Existenz. Als Trockener Taxifahrer weiß ich, wovon ich rede, denn ich bin auch selbst Betroffener. Ich verstehe also durchaus, dass diese absolut berechtigten Aggressionen raus wollen. Aber sie an den Schwächsten auszulassen, denn das sind Menschen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können (Selbst den Verkäuferinnen in deinem Supermarkt ist dies nicht zuzumuten! Haust du denen deswegen auch einfach mal so eine auf’s Maul?), da hört bei mir das Verständnis dann doch auf. Auch wenn die Menschen, die aggressiv auf Menschen ohne Maske reagieren, selbst daran glauben mögen, eine gute Tat zu vollbringen. Sie sind und bleiben Böse. Dass Gute an der Sache ist, dass jetzt auch dem allerletzten klar werden muss, dass niemand ausschließlich Gut ist. Nicht einmal der Gutmensch, der gerade dabei ist seine Maske der Wohlanständigkeit und Toleranz fallen zu lassen.

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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Die Spontandemonstration

 

Vorgestern im Bayrischen Fürth
Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich auf einer von einem Taxi-Kollegen organisierten Zwei-Mann-Demo. Der Taxikollege hatte seinerzeit jeden Dienstag seine Demonstration alleine unter dem Motto “Tuesday Against Uber” angemeldet, zu der ich gelegentlich dazu gestoßen bin. Damals war das Anmelden einer Demonstration noch kein Problem (das stimmt wirklich!), sondern im Gegenteil. Die Polizei hielt sich jedesmal in Sichtweite unserer kleinen Demonstration in einem Kleinbus bereit, damit uns zwei Demonstranten nichts passiert. Das ist heute anders. Das Anmelden einer Demonstration ist problematisch geworden, und die Polizei ist nicht immer dein Freund und Helfer. Ein Schlupfloch scheint es allerdings noch zu geben, und das ist die Spontandemonstration. Spontandemonstrationen sind Versammlungen, die sich aus einem aktuellen Anlass augenblicklich bilden wie vorgestern im Bayrischen Fürth. Für Spontandemos besteht, wenn ich es richtig verstehe, bis heute keine Anmeldepflicht, sie stehen aber trotzdem genauso wie die angemeldeten Demonstrationen des Taxikollegen unter Schutz von Artikel 8 Grundgesetz. Wann aus einer Spontandemonstration nun eine ganz normale, also anmeldepflichtige Demonstration wird, das entscheidet allerdings die Polizei, wie obiges Video dokumentiert. Wähnte man sich gerade noch auf einer erlaubten Spontandemonstration, kann dass im nächsten Moment schon wieder ganz anders sein. Dann werden die Personalien aufgenommen und eine Ordnungsstrafe wird fällig. Deswegen gehe ich auf Nummer sicher und gehe auf keine Demonstration mehr, weder auf angemeldete, die im Moment nicht erlaubt sind, noch auf Spontandemonstrationen, die plötzlich von der Polizei zu normalen, also unerlaubten Demonstrationen erklärt werden können. Der Hintergrund ist, dass ich mir Demonstrieren nicht mehr leisten kann. Ich muss, auch was das Demonstrieren angeht, kleinere Brötchen backen. Eine Überlegung übrigens, die ich bei den Demonstrationen ’89 so rein gar nicht hatte. Auch was die persönliche Finanzierbarkeit von Demonstrationen angeht, war es früher doch ganz klar besser.
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Leben in Zeiten von Corona – Heute: Unser gegenwärtiges Antlitz

 

So sieht es aus

Auch im Winter bei leichtem Nieselregen und Minusgraden komme ich als Trockener Taxifahrer, dem mittels staatlich organisierter Kriminalität (Danke liebe Bundesregierung dafür!) die Fahrgäste abhanden gekommen sind, und dessen Chef wegen dem Lockdown, der das bereits miese Geschäft praktisch zum Erliegen brachte, seine Wagen verkaufen muss und mich damit seit März arbeitslos gemacht hat (auch hierfür vielen Dank!), einfach nicht weg von der Straße. Heute bin ich auf den Straßen und Plätzen nicht mehr mit meinem Taxi, sondern mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs. Als Fußgänger traf ich gestern einen ganz alten Kollegen, der mit mir vor mehr als 25 Jahren den Taxischein gemacht hat, und der auch zu Fuß unterwegs war. Im Gegensatz zu mir fährt der Kollege noch Taxi, aber nur um seinem Chef einen Gefallen zu tun. Bisher war es nämlich so, dass sein Chef ihm, der nur fünf Schichten im Monat für seinen Lebensunterhalt brauchte, immer sehr entgegengekommen ist. Damit dieser seine Taxifirma jetzt nicht dichtmachen muss, wie mein Chef und viele andere Taxiunternehmer es mussten, fährt er auch jetzt in der Plan-Demi für ihn, und zwar doppelt so viel wie vor der Krise, also zehn Schichten pro Monat. In einer Schicht, das sind zehn bis zwölf Stunden im Taxi, macht er manchmal nur 30 (dreißig!) Euro Umsatz. Eine knappe Stunde unterhielt ich mich mit dem alten und guten Kollegen bei leichtem Nieselregen auf dem Bürgersteig vor seinem Mietshauses in unserem gemeinsamen Kiez über Gott und die Welt. Das schöne daran war, dass wir über wirklich alle Themen sprechen konnten, eben über Gott und die Welt. Das ist ja heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Viele Menschen sagen bei bestimmten Themen, dass sie über die nicht mehr reden würden, weil sie es nicht mehr hören könnten. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch irgendwie lächerlich, weil es meist dieselben sind, die behaupten, dass alle Themen breit und öffentlich diskutiert werden würden. Dass dies nicht der Fall ist, das ist nun ja schon beim Spiegel angekommen, und dann wird es wohl auch stimmen. Mit meinem guten und alten Kollegen sprach ich gestern, bevor ich den Artikel gelesen und kommentiert hatte. Unser Gespräch hat also damit nichts zu tun. Der Kollege bestätigte aber das, was dann später in dem Spiegel-Artikel stand. Aber nicht nur das. Der gute alte Kollege ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass es viele Menschen gibt, die eine breite und öffentliche Diskussion wünschen, weil genau diese bisher eben nicht stattgefunden hat. Keiner ist also mit seinen Zweifeln alleine, ganz im Gegenteil. Und wer bisher keine Zweifel hatte an der Politik unserer Regierung, an den Maßnahmen und an dem, was in den Medien steht, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. So würde ich es jetzt mal ganz, ganz, ganz vorsichtig formulieren.

Foto&Text TaxiBerlin