Bericht aus Bulgarien (143)

Vor dem Rathaus in Sofia

Heute hat Bob Dylan Geburtstag und in Bulgarien ist Feiertag. Am 24. Mai wird hier traditionell aber nicht Robert Zimmermann, wie Bob Dylan eigentlich heißt, sondern den Brüdern Kyrill und Method gedacht, die mit dem glagolitischen die Vorstufe für das kyrillische Alphabet geschaffen, das sich wiederum ihre Schüler ausgedacht haben, und das auch andere slawische Brudervölker bis heute benutzen, unter ihnen das russische und das ukrainische, was ein Grund mit sein dürfte, warum nicht nur in Deutschland und den USA, sondern auch in der Ukraine viele Bulgaren leben. Die offizielle Bezeichnung des heutigen Feiertages ist „Tag der bulgarischen Volksbildung und Kultur und des slawischen Schrifttums“.

Neulich habe ich einen Text zum Krieg in der Ukraine verfasst, der sich auch mit der kyrillischen Schriftsprache beschäftigt, und den ich unter anderem der Berliner und der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) angeboten habe. Von der NZZ hat sich jetzt der Autor des Artikels bei mir gemeldet, wofür ich ihm sehr dankbar bin, auf dessen vor vier Jahren verfassten Artikel sich mein Beitrag bezieht, in dessen Zentrum das Denkmal der Sowjetischen Armee in Sofia steht. Der NZZ-Autor ließ mich wissen, dass er meine Argumente spannend und oft auch treffend fand, und dass er heute einige Dinge sicher anders schreiben würde im Kontext des Ukraine-Krieges.

Bevor ich Ausschnitte meines Artikels veröffentliche, möchte ich noch etwas zum obigen Foto sagen. Ich habe es vor zwei Wochen in Sofia vor dem Rathaus der bulgarischen Hauptstadt aufgenommen, als Demonstranten eines von der Partei „Wiedergeburt“ organisierten Protestes versuchten dort im Rahmen eines Happenings die ukrainische Fahne vom Balkon zu holen. Aber nicht, weil man etwas gegen die Ukraine oder Ukrainer hätte, viele von ihnen haben sich nach Bulgarien in Sicherheit gebracht, sondern weil man der Meinung ist, dass hier Bulgarien und nicht die Ukraine ist.

Da das Happening vorher angemeldet worden war, nicht umsonst sind die Bulgaren auch als „die Preußen des Balkans“ bekannt, waren zuvor Polizisten in Kampfuniform vor dem Rathaus aufgezogen, die man bisher auf den Protesten hier im Gegensatz zu Demonstrationen in der deutschen Hauptstadt in der Vergangenheit kaum gesehen hat. Die Demo in der bulgarischen Hauptstadt verlief absolut friedlich und ohne Zwischenfälle und die ukrainische Fahne ist bis heute auf dem Balkon des Sofioter Rathauses.

Das Rathaus der bulgarischen Hauptstadt befindet sich in der „ulitza Moskovska“, das ganze auf kyrillisch, was auf deutsch die Moskauer Straße ist. Niemand in Deutschland würde auf die Idee kommen, die Moskauer Straße, selbst wenn sie sich in Sofia befindet, als „ulitza Moskovska“ zu bezeichnen, genauso wie niemand plötzlich „Moskwa“ anstelle von Moskau sagt. Warum das bei „Harkiw“, das gestern noch Charkow hieß, und auch bei „Wolodymyr“ so gemacht wird in Deutschland, bleibt unklar. Was dahinter stecken könnte, damit beschäftigt sich mein Text:

Weltherrscher oder Friedensherrscher

Zum ersten Mal historisch belegt ist der Name Wladimir für den bulgarischen Herrscher Wladimir Rassate (um 850 bis nach 893). Der männliche Vorname setzt sich aus den beiden Worten „Macht“ oder „Herrschaft“ und „Frieden“ oder „Welt“ zusammen. Er kann „Weltherrscher“, aber auch „Friedensherrscher“ bedeuten. Wolodymyr ist Wladimir auf Ukrainisch.

Dass Wladimir zum ersten Mal in Bulgarien aufgetaucht ist, kommt nicht von ungefähr. Die Bulgaren haben den slawischen Völkern Europas den christlichen Glauben und Teilen von ihnen auch die kyrillische Schrift gebracht. Wladimir Rassate war der älteste Sohn des bekannten bulgarischen Zaren Boris I, der 865 das Christentum zur Staatsreligion erklärte und sich seither Michail nannte. Verbunden damit war, vielleicht das wichtigste, dass er in seinem Reich eine slawische Schrift und den Gottesdienst in slawisch-bulgarischer Sprache, dem so genannte Kirchenslawisch, einführte.

Kirchenslawisch oder auch Altbulgarisch ist die Sprache, in der üblicherweise in Ländern wie Russland, Serbien, Ukraine, Bulgarien und Weißrussland, deren orthodoxe Kirchen autokephal, also selbständig sind, die Liturgie stattfindet. Deswegen wird Kirchenslawisch oder auch Altbulgarisch, obwohl ansonsten eher eine „tote“ Sprache wie Latein, von gläubigen Menschen in diesen Ländern bis heute verstanden.

In Bulgarien weiß man also um die Bedeutung von Wladimir und Wolodymyr, und dass Wolodymyr nichts anderes als Wladimir auf Ukrainisch ist, und auch was Krieg bedeutet, selbst wenn offiziell kein Krieg stattgefunden hat im Land. Nicht wenige Bulgaren haben ganz reale Ängste, mit der „militärtechnischen Hilfe“ für die Ukraine zum Kriegsteilnehmer geworden zu sein. Waffen in Kriegsgebiete zu liefern oder diese auch nur instant zu setzen, trägt keinesfalls zum Frieden bei. Auch das weiß man in Bulgarien, und man wusste es auch in Deutschland, scheint es aber aktuell vergessen zu haben. Dafür schäme ich mich selbst in den Schluchten des Balkans noch.

So können aus Wolodymyr und Wladimir keine Friedensherrscher werden. Im Gegenteil, der Westen, allen voran die USA, trägt mit seinen Waffenlieferungen aktiv dazu bei, dass einer von ihnen oder am Ende gar beide sich zu Weltherrschern, ganz genauso wie der Präsident der Vereinigten Staaten, dem im Deutschland vor kurzem noch ganz offiziell sowohl die Fähigkeit als auch das Recht „die Welt zu führen“ attestiert wurde, aufschwingen und damit ein dritter Weltkrieg droht. Das ist kein Film, das ist die Realität.


PS: Aktuell ist dieser Artikel mit dem „schönen“ Titel „Bulgarien: Regierungskrise, geheime Waffenlieferungen und ein genialer Schachzug“ bei der Deutschen Welle erschienen. Mit dem „genialen Schachzug“ ist gemeint, dass am 4. Mai im bulgarischen Parlament „militärtechnische Hilfe“ für die Ukraine beschlossen wurde, wobei gilt: „Was genau in Bulgarien repariert werden soll, bleibt jedoch vorerst unklar.“ Direkte Waffenlieferungen sind also ausgeschlossen, zumindest offiziell, denn inoffiziell wird „Bulgarien damit fortfahren, Waffen an die Ukraine zu verkaufen“, ganz unabhängig davon, was man im Parlament beschließt. (Wozu braucht man dann überhaupt noch ein Parlament?) Die Begründung: „Verdeckter Waffenhandel war schon im Kalten Krieg die Spezialität von Kintex, das damals vom bulgarischen Geheimdienst geführt wurde.“ Das ganze gegen den Willen einer übergroßen Mehrheit der bulgarischen Bevölkerung. Laut aktuellen Umfragen lehnen 80 Prozent der Bulgaren jegliche militärische Unterstützung der Ukraine ab. – Dass dies, wie reden von nichts geringerem als von der Aushebelung des Parlaments, also des demokratischen Systems, ausgerechnet von der Deutschen Welle als „genialer Schachzug“ gefeiert wird, auch dafür schäme ich mich.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (142)

Gewerkschafterin spricht zu ihren Leuten vor dem Finanzministerium
Letzten Mittwoch gab es einen „Nationalen Protest“ der Transportbranche in Bulgarien. In Sofia kamen deswegen etwa 3.000 Männer und Frauen vor dem Finanzministerium zusammen, um auf ihre prekäre Lage vor allem angesichts der stetig steigenden Spritpreise hinzuweisen. Dies nehme ich zum Anlass, darauf aufmerksam zu machen, dass Proteste in Bulgarien immer sehr weiblich sind, und so auch dieser. Das liegt daran, dass viele Frauen wie zu sozialistischen Zeiten arbeiten gehen, arbeiten gehen müssen, um die Familie ernähren zu können. Auch in der Transportbranche arbeiten viele Frauen, nicht nur als Sprecherin der Gewerkschaft, sondern zum Beispiel als Straßenbahnfahrerin, aber auch bei der Polizei und bei den Medien, als Moderatorin beispielsweise. Wo man auch regelmäßig Frauen antrifft, das sind die Tankstellen im Land. Dort stehen sie nicht „nur“ wie bei uns hinter der Kasse, sondern füllen einem selbst noch den Sprit ab. Und da Bilder mehr als tausend Worte sagen, möchte ich auch heute wieder Fotos sprechen lassen.
Polizistin mit Regenschutz

Moderatorin des Fernsehsenders NOVA
im Hintergrund eine Polizistin

Demonstrantinnen mit Schild “Nationaler Protest”
hing auch in vielen Bussen und Straßenbahnen

Polizistin mit Schirmmütze und Regenschutz

Filmende Fotografin des Protestes

Moderatorinnen vom Staatlichen Bulgarischen Fernsehen (BNT)
Nochmal die Gewerkschafterin vorm Finanzministerium
Fotos&Text TaxiBerlin

Filmtipp für Freitag: „Volksvertreter“ – Der neue Film von Andreas Wilcke

 

Mein Freund und Filmemacher Andreas Wilcke hat mich gebeten, etwas Werbung für die Premiere seines neuen Films „Volksvertreter“ am Freitag um 19:30 Uhr im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz zu machen. Andreas hat vor einigen Jahren den bis heute sehenswerten Film „Die Stadt als Beute“ über den Ausverkauf Berlins gemacht, der lange in den Kinos der Hauptstadt lief.
Irgendwann habe ich ihn zufällig auf dem Flohmarkt Boxhagener Platz in unserem gemeinsamen Friedrichshainer Kiez kennengelernt, wo ich, als ich noch in Berlin gelebt habe, nicht nur regelmäßig nach Büchern gesucht, sondern auch immer mal wieder selbst Bücher verkauft habe. Dazu muss man wissen, dass Andreas und ich die Sucht nach Büchern teilen. Seitdem ich trocken bin, muss ich aufpassen, dass meine Büchersucht nicht ausufert, ganz einfach weil die Summe aller Süchte immer gleich bleibt, was aber schon wieder ein anderes Thema ist. 
Zurück zu dem neuen Film „Volksvertreter“ von Andreas, für den er drei Jahre lang Filmaufnahmen bei der AfD gemacht hat. Filmaufnahmen bei der AfD zu machen ist nicht schwer. Schwer dagegen ist es heute einen Film zu machen, der ohne Kommentar auskommt, weil man den Zuschauer für klug genug hält, sich seine eigene Meinung bilden zu können.
Da ich von den Kämpfen und Schwierigkeiten weiß, die Andreas damit hatte, würde ich sagen, es ist zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Ohne Kommentar – keine Förderung, und somit kein Film, zumindest in den allermeisten Fällen. Andreas ist da eine ganz große Ausnahme, weil er Film-verrückt ist, genauso wie er Bücher-verrückt ist.
Alleine deswegen ist der Film, von dem ich Ausschnitte gesehen habe, sehenswert. Denn nicht nur von Journalisten wird heute eine Haltung erwartet, natürlich immer nur die richtige – das ist klar, sondern auch von Filmemachern und Schriftstellern, damit dieser einen Film herausbringen und jener ein Buch veröffentlichen kann. Was für ein merkwürdiges Menschenbild muss man haben?!?
Andreas, der sich zu „Volksvertreter“ unter anderem von dem Film „Aggregat“ von Marie Wilke hat inspirieren lassen (wir haben ihn zusammen in einem Kino im Friedrichshainer Kiez gesehen), der eine ähnliche Thematik hat und auch ganz ohne Kommentare auskommt, wurde auch schon – wie zu erwarten – angefeindet wegen seinem neuen Film. Er würde Rechten ein Plattform bieten, wurde ihm vorgeworfen, weswegen ich Andreas dieses Zitat von Lao Tse geschickt habe: „Wenn du dich darum kümmerst, wie andere dich sehen, wirst du immer ihr Gefangener sein.“
Überhaupt ist „Rechts“ sein zwar nicht schön, aber (noch) nicht verboten. Meiner Beobachtung nach gibt es aber eine Entwicklung seit einigen Jahren, dass alles, was ehemals „Rechts“ war, nunmehr sogleich in die Nazi-Ecke gestellt wird, und zwar von Leuten, die ansonsten den Nazi-Vergleich ablehnen, zumindest bei anderen, um sich nicht mit den Inhalten und den Themen überhaupt auseinandersetzen zu müssen. Das ist praktisch und passt dann wiederum zum erwähnten Menschenbild.
In welche Schublade einen diese Menschen tun, darauf hat man keinen Einfluss, das ist zumindest meine Erfahrung. Ich wurde selbst schon einmal auf dem Boxhagener Platz von selbsternannten „Nazi-Hunter(n)“ (stand wirklich auf der Jacke einer meiner Verfolger) der „Antifa“, die so antifaschistisch ist, wie der antifaschistische Schutzwall es war, als „Nazi“ beschimpft, beleidigt und bedroht, nur weil ich eine gelbe Weste trug, mit der ich gegen das illegale Agieren von Uber & Co auf den Berliner Straßen und Plätzen protestierte, dem ich letztendlich meine Arbeitslosigkeit zu verdanken habe.
Als ich meine Verfolger von der „Antifa“ darauf hinwies, bekam ich zur Antwort, dass man Taxifahrer dort noch nie leiden konnte. Ein Beweis dafür, dass die „Antifa“ nur die nützlichen Idioten des Neoliberalismus sind, wofür Uber & Co steht. Die herbeigerufene Berliner Polizei konnte (besser: wollte, weswegen der Fall auch in keiner Statistik auftaucht, auftauchen kann) mir nicht sagen, ob „Nazi“ eine Beleidigung ist oder nicht. Von den von mir angerufenen Freunden kam nur Andreas, alle anderen hatten wichtiges zu tun, beispielsweise Kaffee in einem naheliegenden Café trinken.
Dafür bin ich Andreas bis heute dankbar, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind. Vor gut einem Jahr, als ich noch in Berlin war, meinte Andreas beispielsweise zu mir, dass man es selbst in der Hand hätte, in welche Schublade beziehungsweise in welche Ecke man von anderen gestellt wird, indem man bestimmte Sachen einfach nicht sagt, obwohl sie eigentlich gesagt werden dürften und wohl auch müssten.
Ich glaube daran nicht (mehr), und ich bin gespannt, ob Andreas das nach den Erfahrungen mit seinem neuen Film „Volksvertreter“, der an meinem Geburtstag am Freitag um 19:30 Uhr Premiere im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte hat, immer noch so sieht.
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (141)

Wechselstube / обменно бюро / Change

Das ist die Wechselstube in der Graf-Ignatiev-Straße in Sofia mit den besten Wechselkursen, vor der es immer eine kleine Schlange gibt. Der Herr links wechselt kein Geld, sondern die Ziffern auf der analogen Tafel. Seit Kriegsbeginn bekommt man mehr Lewa für den Dollar. Da ich keine Dollar sondern Euro habe, an den der Lewa fix gekoppelt ist (1 Euro sind etwa 1,95 Lewa), so wie er früher an die DM gekoppelt war (1 DM war 1 Lewa), der Fachbegriff ist “currency borad”, hat sich für mich (noch) nichts geändert seither. Etwas anderes ist auch so geblieben wie es war. Das wenige Geld, das ich habe, habe ich cash. Deswegen muss ich regelmäßig zu einer Wechselstube oder einer Bank, wobei ich lieber in einer Wechselstube mein Geld tausche, weil man dort nicht registriert wird. Auch in Bulgaren zahlen immer mehr insbesondere junge Menschen mit Karte. Warum das so ist, kann ich nur vermuten. So weit ich weiß, gibt es (noch) keine Studie, die beweisen würde, dass mit Karte bezahlen gesünder ist oder gar Leben retten würde. Ich kann jedem, der will, dass es auch morgen noch Bargeld gibt, nur empfehlen, heute bar zu bezahlen, und das möglichst alles. Fällt mir dazu noch ein: ein Freund von mir in Berlin hat neulich sogar sein Auto in bar bezahlt. Das ging auch, schließlich will das Autohaus seine Autos verkaufen.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Halle/Saale (1)

 

Hab gerade obiges Interview mit “dem Therapeuten meines Vertrauens” zu der Fragestellung “Denke ich selbst, oder werde ich gedacht?” gefunden, dass ich “in alter Anonymer Alkoholiker Tradition” mit meinen Lesern “teilen” möchte. Hans-Joachim Maaz war übrigens vor kurzen auch an Corona erkrankt. Wer mehr darüber erfahren möchte, dem empfehle ich dieses Interview, wo “der Therapeut meines Vertrauens” bei der Gegenüberstellung des Durchschnittsalter der “an, mit oder im Zusammenhang mit” Corona Verstorbenen und der durchschnittlichen Lebenserwartung in Deutschland zu dem Schluss kommt, dass “an, mit oder im Zusammenhang mit” Corona Verstorbenen eigentlich allesamt schon tot waren – also laut Statistik.
Interview HansJoachimMaaz
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (140)

Mein Mittagessen gestern

Gestern war ich in der bulgarischen Kantine in Sofia, wo ich zu Ostern schon mit meinem Freund essen war, und wo es uns beiden gut geschmeckt hat. Bulgarische Kantinen sind oft preiswert, aber nicht alle sind so gut wie die in der Ljuben-Karawelow-Straße 17 nahe der Graf-Ignatiew-Straße und unweit des Wassil-Lewski-Stadions. Da ich Appetit auf Fisch hatte, habe ich mir panierten Hecht geleistet, 340 Gramm für sechs Lewa und 80 Stotinki (drei Euro 40 Cent). Dazu eine Hühnersuppe für zwei Lewa und 50 Stotinki (ein Euro 25 Cent) und 220 Gramm Gurkensalat für zwei Lewa und 20 Cent (ein Euro 10 Cent). Insgesamt habe ich also 11 Lewa und 50 Stotinki (fünf Euro 75 Cent) bezahlt. Die Suppe hat nicht nur geschmeckt, sondern war sogar richtig heiß, was in Bulgarien eher ungewöhnlich ist. Der Gurkensalat war gut, aber der Fisch hätte etwas heißer sein können, war aber ansonsten OK.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bremen (3)

Das “Hotelschiff” auf der Weser
In zehn Tagen werde ich nun meinen Leser und Sponsor Joachim aus Bremen hier in Bulgarien persönlich kennenlernen, und auch seine Frau. Bisher kennen wir uns nur per e-mail, das aber schon seit gut vier Monaten. Auch ich bin schon sehr gespannt, Joachim, der für mich zu einem älteren Bruder geworden ist, nun auch leibhaftig zu treffen. Und auch ich habe dieselben Überlegungen wie er im nachfolgenden dritten Bericht aus Bremen. Teil Eins hatte einfach nur den Titel “Bulgarien” und Teil Zwei “Gegengifte”. Das Foto zum Text hat auch wieder Joachim beigesteuert.
Ich selbst bin seit gestern Abend in Sofia, wo heute früh um acht die Transportbranche, zu der auch Taxis gehören, sämtliche Straßen blockieren will. Öffentliche Verkehrsmittel werden dann wohl nicht mehr fahren, was für die Schüler ein Problem sein dürfte, die heute ihre Reifeprüfung schreiben. Sie müssen, wollen sie an der Prüfung teilnehmen, so wie ich zu Fuß gehen. Am Abend will ich zu “Carmina Burana”, wo die russische Frau von meinem besten bulgarischen Freund Martin mitsingen wird. Außerdem recherchieren Martin und ich für einen gemeinsamen Text zur “militärtechnischen Hilfe” der Ukraine durch Bulgarien. Wenn nichts dazwischen kommt, wird noch im Mai ein neuer Text von mir auf Multipolar erscheinen, der mit Bulgarien nichts zu tun hat. Das genaue Thema will ich aber noch nicht verraten – das bringt Unglück.
Bericht aus Bremen (3)

Was machen eure Vorbereitungen, es sind doch nur noch vierzehn Tage, fragt Rumen. Da möchte ich zurückfragen: Wie bereitet man sich vor auf einen Urlaub in einem Land, das noch völlig unbekannt ist? Wir waren vor Jahren in Ecuador, auch das ein völlig fremdes und für uns unbekanntes Urlaubsziel. Damals jedoch konnten wir von unserem Sohn durchs Land, zumindest einem Teil davon, geführt werden. Er war schon ein Jahr lang dort und wir wussten uns aufgehoben und gut begleitet.

Aber Bulgarien? Gut, es gibt die Hin- und Rückflugzeiten. Es gibt auch die Planung der Route. Die genauen Adressen erhalten wir bei Ankunft, ebenso wie eine ausgedruckte Version der detaillierten Reisebeschreibung. Klingt konspirativ. Soweit aber sind wir vorbereitet. Doch Bilder zu den Landschaften und Menschen, den Städten und Dörfern, existieren nur bruchstückhaft in meinem Kopf. Da mag das Lesen von Büchern helfen, zumal dann, wenn sie so lebhaft geschrieben sind wie der Bulgarienführer von Sibila Tasheva. Ihr gelang es, mir Land und Leute in leuchtenden Farben näher zu bringen.

Rumens Vorschlag, doch die Leitscharoff als Gegengift zu lesen, hat nicht funktioniert. Ich kümmerte mich nicht um ihre persönlich gefärbten Meinungen. Davon gab es einige, die allerding sehr platt und undifferenziert daherkamen. So zum Beispiel, als sie schreibt “Rumen Apostoloff möchte uns die Schätze Bulgariens zeigen. Meine Schwester und ich wissen es besser: solche Schätze existieren nur in den bulgarischen Hirnen. Wir sind überzeugt, Bulgarien ist ein grauenhaftes Land – nein, weniger dramatisch: ein albernes und schlimmes.” 

Beim Lesen merkte ich, dass ich nach den Stellen Ausschau hielt, die mir ein positives Bild vermitteln. Es gibt nicht viele davon, doch es gibt sie. Zum Beispiel dort, wo sie über Plovdiv, der zweitgrößten Stadt Bulgariens, schreibt: “Wirklich eine Freude, wohin man sich wendet. Die Häuser sehen überraschend anders aus, als wir sie aus gut erhaltenen westeuropäischen Städten kennen. Der raffinierte Oberbau aus Holz mit seinen Erkern, den Medaillons und Schmuckbändern, die zu Gevierten sich schließende Bebauung, die Farbenspiele – rostrot ausgeziertes Holzdunkel oben, Sandhelle unten, dazwischen ein kräftiges Blau –, eine Augenweide sind sie.” 
 
Nun, ich werde andere Gegengifte wirken lassen oder zumindest ausprobieren. Rumens Liste enthält noch interessante Titel. Unter anderen, etwas älteren historischen Werken stachen mir zwei ins Auge, die möglicherweise die Vater-Problematik wieder aufnehmen: “Vaters Land” von Evelina Jecker Lambreva und “Der bulgarische Arzt” von Nicki Pawlow. Ich habe mich für die in Luzern lebende Psychotherapeutin Evelina Jecker Lambreva entschieden. Ob sie mir die positiven Flausen austreiben wird? Das wird sich zeigen.

Unsere Vorbereitungen bisher: Zugticket und Flugticket hin und zurück gebucht, eine Karte (wasserfest) und einen richtigen Reiseführer gekauft. Und, fast verschämt möchte ich es hier gestehen, einen Sprachführer, der ständig danach ruft, doch endlich aufgeschlagen und gelesen, wenn nicht sogar auswendig gelernt zu werden! Dem Sprachführer habe ich dann doch noch ein Schnippchen geschlagen. Ich kaufte mir ein Gerät, dass Bulgarisch synchron ins Deutsche übersetzt und umgekehrt. Ich werde mir blöd vorkommen, wenn ich meinen bulgarischen Gesprächspartnern dieses Gerät hinhalte, doch stelle ich mir vor, dass sie es selbst praktisch finden werden, auf diese Art in ein Gespräch zu finden. Auch dies wird sich zeigen.

Ab und an kommen mir Gedanken in den Kopf, die auch in die Vorbereitung gehören. Es sind eher Fragen, deren Beantwortung noch aussteht. Wie werden wir untergebracht sein? Wie wird das Essen wirklich schmecken dort? Stimmt es, dass die Duschköpfe in manchen Bädern über der Toilette angebracht sind und keine Duschkabinen oder Duschvorhänge existieren? (Hier kommt der verwöhnte Warmduscher zum Vorschein). Wie wird die Internetverbindung sein? (Angeblich eine der besten weltweit.) Natürlich ist die Internetanbindung bei der Erkundung eines neuen Landes nicht wichtig. Es wäre sogar angesagt, sich eine Internet-Auszeit aufzuerlegen, um mehr im direkten Kontakt und Austausch zu bleiben als totes Wissen aus zweiter Hand zu konsumieren. Dennoch, ich bin Fernlehrdozent und werde unterwegs noch eine Abendsitzung bestreiten müssen.

Zur geistigen Vorbereitung zählt für mich auch die Frage, wie es sein wird, dem Berliner Taxifahrer in den Schluchten des Balkans ein erstes Mal zu begegnen. Werden wir überrascht sein über unser Aussehen im “Real Life”? Ich traf einst einen Online-Kurs Teilnehmer in echt und konnte fast nicht glauben, dass dieser so groß gewachsen war. Auf dem Bildschirm sah ich ihn nur ab Brust aufwärts und wähnte ihn auf gleiche Größe wie ich. Werden wir befangen sein beim ersten Treffen ob der Situation in der Fremde (für mich) und der Wahlheimat (für ihn)? Ist das Sprechen befremdend, wo wir uns bisher doch nur schriftlich begegneten? Wird uns eine (Un-)Art im Sprechen, im Bewegen oder an der Kleidung triggern und eher auf Abstand halten?

Ich wünschte mir, unbefangen sein zu können. Manchmal gelingt es mir. Immer dann, wenn ich daran denke, dass vieles sich fügt im Leben, wenn man den ersten Schritt ins Neue gewagt hat. In meinem Nachbarort im Süden Deutschlands wohnte Hermann Hesse Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Aus seinem Gedicht “Stufen” stammt das Zitat “Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.” Daran erinnere ich mich gerne, wenn mir zweifelnde oder gar ängstliche Fragen zu meinem Vorhaben in den Sinn kommen.
Foto&Text JoachimBremen

Bericht aus Bulgarien (139)

Gestern im Angebot: Laptop mit Schnappsbrennanlage

Gestern war ich in der Stadt Montana, es gibt sie wirklich, sie ist die Hauptstadt der ärmsten Region Bulgariens im Nordwesten des Landes, auf dem Flohmarkt. Der findet immer Montagvormittags statt, ist aber wegen der Pandemie lange ausgefallen.
Weil ich deswegen noch nie auf ihm war, ich aber ein großer Flohmarkt-Fan bin, war ich sehr gespannt zu sehen, was mich in Montana erwartet, und auch weil ich weiß, dass es Flohmärkte im deutschen Sinne, wo auch Privatpersonen ihre Sachen verkaufen, praktisch nicht gibt oder zumindest schwer zu finden sind in Bulgarien.
Ich wurde nicht enttäuscht, es gab auch private Verkäufer auf dem Flohmarkt in Montana, wenn auch nicht viele. Die meisten Verkäufer haben Werkzeug angeboten, gefolgt von Ersatzteilen und Krims Krams, wie beispielsweise obige Schnappsbrennanlage zusammen mit einem Laptop.
Ich habe ein mittelalterliches Bild von einem bulgarischen Dorftanz mit einem Dudelsackspieler in der Mitte für einen Lewa (50 Cent), den Film „Crash“ auf DVD für zwei Lewa (ein Euro), das Buch „Every“ von David Eggers für drei Lewa (ein Euro 50 Cent), ein kleines, neues Stativ mit Hülle, die ich verloren habe, Made in China für meine kleine Kamera für 10 Lewa (fünf Euro) und ein gebrauchtes, aber neuwertiges Bügeleisen der Marke Braun, voll funktionsfähig, wie sich zu hause herausstellte, ebenfalls für 10 Lewa gekauft.
Jetzt brauchte ich nur noch ein paar Hemden, die ich bügeln kann. Die fand ich in einem der zahlreichen Second Läden Montanas, in dem nach Gewicht verkauft wird, und in dem Montag mit drei Lewa (ein Euro 50 Cent) das Kilogramm der preiswerteste Tag ist. Ich fand fünf schöne und neuwertige Hemden, drei mit langen und zwei mit kurzen Ärmeln, die zusammen vier Lewa (zwei Euro) kosten sollten. Insgesamt habe ich gestern also 30 Lewa (15 Euro) in Montana, der Hauptstadt der ärmsten Region Bulgariens, gelassen.
Nun überlege ich, selbst einmal meinen überflüssigen Kram zu verkaufen, so gut hat mit der Flohmarkt gefallen. Man muss dafür zwar früh da sein, zwischen Sechs und halb Sieben, aber der Stand kostet nur fünf bis zehn Lewa (2,50 bis fünf Euro). Ich würde ihn mir mit einem deutschen Paar, das ich neulich kennengelernt habe, und Jerry, meinem englischen Freund, teilen. Die Schnappsbrennanlage blieb übrigens bis zum Schluss unverkauft, und auch der dazugehörige Laptop, was aber nicht an dem Polizeiauto im Hintergrund lag. Dass es auf dem Flohmarktgelände stand, war Routine – Polizei Routine.
In der Vergangenheit sollen auch Autos auf dem Flohmarkt, der in Bulgarien Basar heißt, verkauft worden sein, aber gestern habe ich nur Fahrräder und kleine Mopeds für Kinder gesehen. Das Buch „Every“ von David Eggers, ich habe sofort angefangen zu lesen, ist vielleicht der größte Schatz, den ich gestern gefunden habe. Wie das Exemplar in deutscher Sprache seinen Weg auf den Flohmarkt in Montana gefunden hat, ist ein großes Rätsel.
Obwohl das Buch erst letztes Jahr erschienen ist, schreibt der Autor, von dem auch „Der Circle“ ist, in ihm bereits von der Zeit „nach den beiden Pandemien“. Ein wichtiges Buch über das, was uns möglicherweise bevorsteht oder ganz und gar schon in Vorbereitung ist. Ende Mai, um genau zu sein nächste Woche, sollen die Regierungen der Länder, die Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind, dem bereits vorbereiteten Plan zustimmen, dass in Zukunft ausschließlich die WHO darüber entscheidet, was eine Pandemie ist und was nicht.
Zur Erinnerung: die WHO ist nicht demokratisch legitimiert, im Gegenteil. WHO-Geldgeber wie Bill Gates, der als Großaktionär der Impfindustrie direkt an den Impfstoffen mitverdient, dürften sowohl an neuen Pandemien, als auch an neuen Impfungen interessiert sein. Aus diesem Grund gab es vor jetzt etwas mehr als 10 Jahren einen Beitrag im öffentlich/rechtlichen Rundfunk mit dem Titel „Was gesund ist, bestimmt Bill Gates“, der jetzt nur noch schwer zu finden ist, zumindest in seiner original Version, weil heute angeblich Fake News.
In Zukunft kann die von Gates & Co gekaperte WHO an der Regierung deines Landes vorbei darüber entscheiden, ob man dich mittels Lockdown einsperren, du wieder Masken tragen und auch ob du dich wieder impfen lassen musst. Wie es „nach den Pandemien“ aussieht, das erfährst du wie gesagt aus „Every“ von David Eggers. Ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen, ich habe letzte Nacht kein Auge zugemacht, sondern es in einem Zug durchgelesen.
PS: Ich plane morgen nach Sofia zu fahren, um zusammen mit meinem neuen bulgarischen Freund Martin für einen Artikel zu recherchieren und bin schon sehr gespannt, wie das wird, weil morgen die Transportbranche, also auch Taxis, landesweit die Straßen blockieren will. Gerade erfahre ich aus dem Bulgarischen Nationalradio „Christo Botew“, dass die Blockade erst um neun und nicht wie geplant um acht Uhr beginnen soll, wenn die Schüler schon in der Schule sind. Überlege jetzt, ob ich morgen wieder Schüler sein soll.

Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (138)

Sommerdusche mit Ausblick

Heute möchte ich nun endlich über meine Sommerdusche schreiben, so wie ich es bereits vor Tagen angekündigt hatte. Meine Sommerdusche ist ein großes Fass, was ich bereits vor Jahren schwarz angemalt habe, weil es ursprünglich hellblau war. Ein dunkle Farbe, am besten schwarz, ist besser, weil die Sonne dann das Wasser, was sich im Fass befindet, wärmer macht. Im Sommer, wenn es ganz doll heiß ist in Bulgarien, mit 40 Grad im Schatten und so, ist das Wasser in meiner Sommerdusche richtig schön pisswarm. Im Moment ist es das noch nicht, was auch ein Grund ist, dass ich jeden Tag immer noch in den Wald in mein kleines Mineralbad gehe. Dort fließt kontinuierlich etwa 30 Grad warmes Mineralwasser ins Becken. Bisher war ich dort immer alleine, aber langsam kommen die Wanderer aus ihren Löchern, die wenigen, die noch im Land verblieben sind, die meisten sind ja ausgewandert. Manche von ihnen laufen auch an meiner Hütte vorbei, weswegen meine Sommerdusche einen Sichtschutz hat – das Handtuch. Meine Sommerdusche steht auf einem Podest, damit das Fass die nötige Höhe hat. Der Podest ist aus Steinen, die ich jedes Jahr aufs Neue aufschichten muss, weil ich sie nicht draußen lassen will, damit sie mir keiner klaut. Apropos klauen: dieses Jahr werden es 20 Jahre, dass ich die Hütte habe, und noch nie wurde mir etwas geklaut. Doch zurück zur Sommerdusche. Da ich auch beim Duschen sparsam bin, reicht das Wasser im Fass meiner Sommerdusche etwa eine Woche. Dann muss ich es auffüllen. Mein Boiler im Keller bleibt im Sommer komplett ausgeschaltet. Das wenige Geschirr, was ich brauche, wasche ich kalt ab. Beim Duschen habe ich den phantastischen Ausblick auf die Berge des Balkans, von dem ich schon öfters Fotos hier auf meiner Seite veröffentlicht habe, und der vielleicht das schönste ist am Sommerduschen überhaupt.

Foto&Text TaxiBerlin