Bericht aus Bulgarien (262) – “Heute lass ich’s krachen – und morgen auch”

 

Heute wird bei uns mein gestriger Artikel in der Berliner Zeitung gefeiert. Zum Frühstück gab es frischen bulgarischen Kaviar (110 Gramm, 2,99 Lewa), und zwar auf einem mit feinster deutscher Butter perfekt geröstetem Toast, dazu Medium gekochte Eier, wozu man auf einem Campingkocher in 600 Meter Höhe genau fünf Minuten braucht. Eine Kaviarscham, wenn es sie gibt, habe ich nicht. Dafür habe ich auch gar keine Zeit, denn für heute Abend sind bereits Balkan Burger nach diesem niederländischen Rezept geplant. Morgen geht es, wenn nichts dazwischen kommt, ans Schwarze Meer. Mein Freund, der Dudelsackspieler, hat mich eingeladen, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich kein Geld habe. Ich soll dem Busfahrer sagen, dass ich am Ende der Fahrt in Burgas von ihm abgeholt werde und er dann dort für mich bezahlt. Das geht dann auch klar, denn mein Freund, der Dudelsackspieler, ist in Bulgarien bekannt. Er hat alles da, Schafkäse, Tomaten und Gurken, sagt er. Dazu gibt es Fisch, den wir uns selber angeln, wie richtige Männer.

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Bericht aus Bulgarien (261) – “Dolu Maskite!”

Wassil Lewski Kunstwerk
Graf Ignatiev Straße, Sofia / Bulgarien

Ein Slogan auf den Protesten in Sofia Anfang dieses Jahres, die sich gegen die Corona-Maßnahmen richteten, war “Dolu Maskite!”, also “Runter mit den Masken!”. Ich hatte hier und hier darüber berichtet. Obiges Kunstwerk an einer Häuserwand in Sofia gibt es seit letztem Jahr. Es zeigt Wassil Lewski mit einer Maske und trägt den Untertitel: “Wenn ich wie du wäre, wäre hier noch Türkei”. Wassil Lewski ist einer bekanntesten Nationalhelden Bulgariens, der das wollte, was Wolodymyr Selenskyj heute in der Ukraine macht – er wollte die fremden Herren herauskicken aus Bulgaren, was damals die Osmanen und nicht die Russen waren. Es gibt aber auch Unterschiede. Wassil Lewski war im Untergrund, hatte keinen Präsidentenpalast und auch kein Vogue-Cover von sich und seiner Frau. Er war aber auch nicht verheiratet, höchstens mit seiner Mission. Die wollte er auch ganz alleine, also ohne fremde Hilfe, auch ohne russische, erfüllen. Vielleicht der größte Unterschied zu Personen wie Melnyk und Selenskyj, die nicht selber kämpfen und am liebsten die ganze Welt in ihren Krieg hineinziehen wollen. Genauso ein Typ war Wassil Lewski nicht. Deswegen obiges Kunstwerk in Sofia. Denn Lewski hätte sich seine Maske selber heruntergerissen. Er hätte nicht gewartet, dass ihm dies erlaubt wird. Und wer in Deutschland immer noch darauf wartet, wird wohl bis zum Jüngsten Gericht mit seiner Maske durchs Leben gehen.

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Bericht aus Bulgarien (260) – “Keine Abrechnung”

Taxifahren war mein Leben – jetzt ist es das Schreiben

Heute ist dieser Artikel von mir in der Berliner Zeitung erschienen, worüber ich mich sehr freue, auch weil ich der Berliner zuvor schon einige Artikel erfolglos angeboten hatte. Der Artikel ist sehr persönlich, er beschäftigt sich damit, dass Taxifahren mein Leben war, das durch das illegale Agieren von Uber zerstört wurde. Aber ich will mich nicht beklagen, mein neues Leben in den Schluchten des Balkans ist auch nicht übel. Uber hat mir also auch neue Wege, neue Perspektiven eröffnet. Dem Unternehmen deswegen dankbar zu sein, ist aber zu viel verlangt. Uber hat sich schließlich auch nicht entschuldigt, obwohl es sein Verhalten selbst als “unentschuldbar” bezeichnet hat – aber vielleicht auch gerade deswegen. Die Berliner Zeitung hat zwar nicht das Foto genommen, das ich ihr angeboten hatte, eine Uber-Werbung in Berlin, dafür aber den Text praktisch unverändert gelassen. Das ist nicht selbstverständlich, das sage ich aus eigener Erfahrung. Nur der Titel, der ist nicht von mir, den hat die Berliner geschrieben. Ich erwähne das, weil dort von “einer persönlichen Abrechnung” die Rede ist, was aber nicht stimmt, denn ich habe mit Uber keine Rechnung offen. Uber hat mich vielmehr erleichtert von der Qual, Taxifahrer in Berlin zu sein. Endlich kann ich meinen Ausblick auf die Schluchten des Balkans genießen. Rache- oder auch nur Abrechnungsgedanken habe ich keine. Im Gegenteil. Ich fühle Mitleid. Mitleid mit den Betrüger Uber, aber vor allem mit den Betrogenen, allen voran den armen Uber-Fahrern, die in ihrem kleinen Bangladesh ganz ohne Ausblick mitten unter euch in Berlin leben müssen.

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Bericht aus Bulgarien (259) – “Sei solidarisch mit deinem Gehirn”

Graefekitz – früher Kreuzberg – heute Friedrichshain-Kreuzberg
Frühjahr 2021

Schaue gerade den neue StandUp Auftritt von Heulboje Karl und seinem Kumpel, diesmal live in der Bundespressekonferenz. Da ich nicht ich verstehe, was Karl und sein Kumpel sagt, kann ich nicht lachen. Es geht glaube ich ums Maske tragen. Der Vortrag klingt nach End-Achtziger, beide scheinen mit einer Menthol-Zigarette betäubt zu sein. Karl wäre mehrfach fast eingeschlafen, zum Glück war sein Kumpel dabei, der für ihn eingesprungen ist. Vielleicht sollte Karl und sein Kumpel ihr Glück auf einem Maskenball versuchen. Dann natürlich vorher richtig ausschlafen, früher aufstehen und vor allem keine Drogen – das ist klar. Vermutlich hat Heulboje Karl einfach nur zu viel Maske getragen. Das führt zu Sauerstoffmangel im Gehirn, das ist wissenschaftlich erwiesen. Deswegen habe ich auch alle meine Masken weggeschmissen, und das schon vor Monaten. Vielleicht solltest du das auch tun, so wie früher die Frauen ihren BH weggeschmissen haben. Einfach deinem Gehirn zuliebe. Sei solidarisch mit deinem Gehirn, du brauchst es eventuell noch einmal.

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Bericht aus Bulgarien (258) – “Mein Esel Winnetou”

Winnetou & Old Shatterhand

Hatte ich mich gestern noch gefreut, endlich einen neuen alten Esel für mich gefunden zu haben, muss ich heute erfahren, dass Winnetou nicht nur out, sondern verboten ist. Wie ich das dem Esel Winnetou beibringe, der hier zusammen mit seinem Freund Old Shatterhand auf seine Abholung wartet, das weiß ich im Moment noch gar nicht. Dazu muss man wissen, dass Esel sehr soziale Tiere sind, man also nach Möglichkeit keinen Esel alleine halten soll, weil sich dann der Esel nicht wohl fühlt. Ich fühle mich ehrlich gesagt sehr unwohl damit, dass Winnetou und Old Shatterhand jetzt nicht mehr zu mir kommen können, weil sie ein Orts- und Namenwechsel zur selben Zeit in ihrem Alter überfordern würde. Mit Sicherheit unwohler als die, die sich bei Winnetou unwohl fühlen. Wie sich Winnetou und sein Freund Old Shatterhand deswegen jetzt fühlen, das werden wir wohl nie erfahren.
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Bericht aus Bulgarien (257) – “Balkanische Verhältnisse im deutschen Regierungsflieger”

Be “Happy”! – Come to Bulgaria!

Dass ich in den letzten Tagen meist über Deutschland geschrieben habe, liegt vor allem daran, dass Bulgarien keine Regierung hat, genauer keine gewählte Regierung. Die hatte man hier zuvor auch nicht, wie auch, bei 40 Prozent Wahlbeteiligung. Ich bin gespannt, ob sie bei der nächsten Wahl am 2. Oktober noch einmal fallen wird, in den Keller sozusagen. In diesem Beitrag soll es aber in die Lüfte gehen, und zwar mit der deutschen Regierung, denn ob gewählt oder nicht gewählt, jedes Volk hat am Ende die Regierung, die es verdient. Und da, also mit unserer, der deutschen Regierung ist es so, dass zwar Wasser gepredigt aber Wein getrunken wird, und dass sogar über den Wolken, im Regierungsflieger. Für mich ist das keine Überraschung, aber nicht, weil unsere Heulboje Karl dies bereits bei seinem StandUp Versuch vorgeführt hat. Nein, deswegen natürlich nicht. Sondern weil ich es aus Bulgarien nicht anders kenne. Bereits auf meinem Rückflug nach Sofia am 1. Juli hat dort niemand eine Maske getragen. In Bulgarien selbst kann ich die Maskenträger an einer Hand abzählen. Also warum jetzt die Aufregung über nach Amerika jettende Befehlsempfänger, die dabei keine Maske tragen, sozusagen ihr wahres Gesicht zeigen. Der Bulgare war auch hier dem Deutschen wieder einmal voraus. Der letzte “pro westliche” Ministerpräsident Bulgariens Petkow ist bereits im Mai nach Washington geflogen. Vorausgegangen war die im Sinne Amerikas verlaufene Abstimmung im bulgarischen Parlament für eine “militärtechnische Hilfe” der Ukraine, von der bis heute niemand so Recht sagen kann, was darunter zu verstehen ist. Petkow hat in den USA auch über die Lieferung von Flüssiggas gesprochen, also genau das, was die deutsche Regierung jetzt fast vier Monate später auch beabsichtigt, das man ihm zu einem extrem günstigen Preis verkaufen wollte. Ob dieser Preis immer noch aktuell ist, daran darf gezweifelt werden, auch weil Petkow nicht mehr Ministerpräsident ist. Wer ihm das billige Gas verkaufen wollte, das will Petkow bis heute nicht verraten, weil die Nachfrage nach billigem Gas so groß sei auf der Welt, so seine Begründung damals. Vielleicht hätte die deutsche Regierung, die Russland im Auftrag der USA zu ruinieren beabsichtigt, bevor sie sich auf den Weg nach Washington begibt, erst einmal nach Sofia fliegen sollen, um genau dies herauszufinden. Dann wäre das mit den fallen gelassenen Masken auch kein “Big Deal” gewesen, denn in Bulgarien trägt wie bereits erwähnt kaum noch jemand Maske, schon gar nicht im Flieger, beispielsweise von “Bulgaria Air”. Ich kann die bulgarische Fluggesellschaft nur wärmstens empfehlen, auch weil es in ihrem Bordmagazin regelmäßig genau solche Geschichten zu lesen gibt wie diese hier, zwar nicht auf deutsch, aber immerhin auf bulgarisch und auf englisch.

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Bericht aus Bulgarien (256) – “Grüße vom Gaswerk”

Gerade ist die Gasrechnung für meine Berliner Boheme Bude eingetroffen. Ich soll jetzt doppelt so viel zahlen, wie ich eh schon zahle, obwohl ich gar nicht in Berlin bin. Es ist aber nur eine Empfehlung – ich muss nicht. Und ich mach’s auch nicht. Wer weiß, was ich morgen zahlen soll. Hinzu kommt noch eine Umlage. Der Staat will natürlich auch mitverdienen an dem, was ich nicht habe, das ist klar. Wie hoch die Umlage ist, kann das Gaswerk nicht sagen. Immerhin ein kommunales in Mecklenburg-Vorpommern und nicht die Berliner Gasag. Gegen Mecklenburg-Vorpommern kann ich nichts Negatives sagen, im Gegenteil. Deswegen würde ich auch nicht in Mecklenburg-Vorpommern auf die Straße gehen, sondern in einer großen Stadt, wo die ganzen Entwurzelten leben, wie der Mann oben auf Sofias Straßen. Wahrscheinlich wird es dort auch demnächst wieder Demonstrationen geben, auch wenn in Bulgarien kaum jemand mit Gas heizt. In den Städten wird mit Strom geheizt und auf dem Land mit Holz. Vielleicht hole ich mir noch einen Ofen aus der Stadt. Im Sommer sind sie dort im Angebot. Mittlerweile überlege ich mir jede Fahrt in die Stadt, weil ich mir auch den Sprit nicht leisten kann und noch keinen eigenen Esel habe. Das kommt vermutlich als nächstes. Wenn ich könnte, würde ich am 5. September nach Leipzig zur Demo kommen. Flugscham habe ich keine, nur keine Kohle. Mit dem Esel müsste ich langsam losmachen, aber einen Esel habe ich nicht. Und mit dem Auto geht nicht, weil ich damit nur nach Montana fahren werde, wegen dem neuen Ofen. Ein Teufelskreis, aber immer noch besser als auf der Straße zu leben. Am 5. September in Leipzig auf die Straße zu gehen, das empfehle ich trotz allem allen. Ist aber nur eine Empfehlung, wie die vom Gaswerk.
PS: Hass auf Putin verspüre ich Null – für den Fall, dass das jemand interessiert.

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