Waffen sind gerade im Angebot, nicht nur bei Uncle Sam aus Amerika. In Bulgarien gibt’s zur guten alten AK-74 die Handgranate gratis dazu. In Deutschland werde die Schreie nach neuen schweren Waffen für die Ukraine immer lauter. Ausgerechnet der Deutsche, der nicht mal weiß, was schwere Waffen sind! Der letzte Krieg und mit ihm “Nie wieder Krieg!” liegt lange zurück – für viele zu lange. Sie wollen’s wieder wissen, wie Krieg sich anfühlt, diese Kriegstreiber. Doch, nur wer bereit ist, selber in den Krieg zu ziehen, darf Waffen für andere fordern. Alles andere sind Maulhelden. Deutschland ist voll von ihnen, diesen Maulhelden. Noch nie selbst eine Waffe in der Hand gehabt, aber anderen eine Waffe in die Hand drücken wollen. Nimm vorher wenigsten eine Kalaschnikow aus Plastik in die Hand, du dummer Deutscher. Und vergiss nicht, das passende T-Shirt dazu anzuziehen.
Bei mir im Dorf ist einiges los dieses Wochenende. Gestern wurde ein Buch über die Geschichte unseres Dorfes vorgestellt. Ich komme auch vor in dem Buch, genauer gesagt meine Eselwanderung mit einer Eselin aus unserem Dorf quer durch Bulgarien. Und natürlich die beiden Bücher, die ich nach meiner Wanderung beim Wieser-Verlag herausgegeben habe. Die Autorin, sie kommt natürlich auch aus unserem Dorf, hat mich Ende letzten Jahres dafür interviewt. Ich bin der vorletzte, der im Buch erwähnt wird. Nach mir kommt nur noch ein Lehrer. Dafür firmieren wir unter der Überschrift “Bekannte Persönlichkeiten”. Die Buchvorstellung fand wieder in unserem Kino-Saal statt, der mit fast 100 Menschen gut gefüllt war. Am Ende hatte jeder mindestens ein Buch in der Hand, manche trugen sogar 10 unterm Arm nach hause. Der Preis ist 14 Lewa, was sieben Euro sind. Der Verleger war auch anwesend und hat unser Dorf, das eine eigene Mineralquelle hat, als eines der schönsten Dörfer Bulgariens bezeichnet. Was den Ausblick angeht, stimmt das auf jeden Fall. Unser Blick auf die Berge ist phänomenal. Dazu die klare Luft und die Ruhe. Diese wird heute unterbrochen von dem Auftritt von Radostina Panjova. Ab 19 Uhr singt sie Downtown, da wo der Brunnen mit dem Mineralwasser ist. Sie ist der Star unseres Dorf-Kirmes, der auf bulgarisch “Sbor” heißt. Der “Sbor” ist das wichtigste Fest im Jahr, und weil er letztes ausgefallen ist, sind dieses Jahr alle ganz heiß darauf, endlich mal wieder gemeinsam um den Brunnen zu tanzen. Die Polizei wird unser Dorf wieder weiträumig absperren, weil die Durchfahrt wegen den Tänzern nicht möglich ist. Die meisten Insassen der nicht weiter kommenden Fahrzeugen gesellen sich zu den Tanzenden dazu. So ist es Tradition. Einige Einwohner unseres Dorfes sind extra aus Sofia und manche sogar aus dem Ausland zum “Sbor” angereist. Dorthin sind sie gegangen, mussten sie gehen, um ein Auskommen zu haben, von dem sie leben können. Im Dorf selber leben vor allem alte Menschen. Sie können nicht weggehen, denn dazu fehlen ihnen die Mittel. Außerdem braucht sie niemand – nirgendwo. Und das, obwohl sie auf der Tanzfläche, was unsere Durchfahrtstraße ist, immer die ersten sind, allen voran die alten Frauen. Sie sind sozusagen die Eintänzer, zu denen sich sogleich die Jungen und die Kinder gesellen. Beim Tanzen fassen sich die Menschen an, so verlangt es der “Horo”, der klassische bulgarische Reigen. Wo hat man so etwas in Deutschland gesehen, dass alt und jung gemeinsam tanzt und sich dabei auch noch anfasst? Heute schon gar nicht mehr, aber vorm “Social Distancing” war es auch schon so. Vom bulgarischen Standpunkt aus gesehen, wäre “Social Distancing” für Menschen im Westen gar nicht nötig gewesen. Jetzt haben sie immerhin einen Begriff dafür und auch eine Theorie, die ihnen sagt, dass sie mal wieder alles richtig machen und vor allem die Guten sind – vielleicht das wichtigste überhaupt. Menschen in Bulgarien, das ist meine Beobachtung, brauchen eine solche Bestätigung nicht, schon gar nicht auf dem Dorf. Sie sind einfach, wie sie sind, und das ist auch gut so.
Nachdem neulich die bulgarischen Bauern auf die Straße gegangen sind, ist für den 19. Oktober der nächste landesweite Protest angemeldet. Er richtet sich diesmal gegen die hohen Strompreise im Land und ist unter anderem vom Verband Unabhängiger Gewerkschaften und der bulgarischen Industrie- und Handelskammer organisiert. In Bulgarien befürchtet man, dass viele Betriebe wegen der hohen Strompreise schließen müssen und noch mehr Menschen ihre Arbeit verlieren. Eine realistische Sorge, die auch viele Menschen in Deutschland umtreibt oder gar auf die Straße treibt, was sie dort allerdings automatisch zu Rechten macht, wenn ich es richtig verstanden habe. Eines von vielen Dingen, die es so in Bulgarien nicht gibt. Überhaupt ist die Unterscheidung zwischen links und rechts in den Schluchten des Balkans praktisch unbekannt. Als ich noch Taxi in Berlin gefahren bin, war links und rechts für mich nur der Hinweis darauf, dass ich demnächst abbiegen muss. Das liegt vor allem daran, dass die Linken in der Heimat die nützlichen Idioten des Neoliberalismus und der Postdemokratie sind, und die so genannte Antifa so antifaschistisch ist, wie der einstige antifaschistische Schutzwall es war. Um den Menschen kümmern sich die, die sich Linke oder Antifa nennen (die neulich noch alle Menschen zwangsimpfen wollte), dort schon lange nicht mehr (aktuelles Beispiel die Partei DIE LINKE), weswegen wohl Linke Linke die zutreffendere Bezeichnung ist. Eine Entwicklung, die nun auch in Bulgarien einzusetzen scheint. So deute ich den Hinweis der Veranstalter des Protestes am 19. Oktober vor dem Sitz der bulgarischen Regierung in Sofia, dass der Protest nicht politisch sei (Протестът не е политически!). Einen nicht politischen Protest kenne ich nicht. Im Gegenteil, ich bin damit groß geworden, dass im Leben immer alles auch politisch ist. Wenn ein Protest nicht politisch sein soll, dann kann ich auch gleich zuhause bleiben, was wohl auch viele Bulgaren machen werden. Ich vermute bereits bei der Wahl am 2. Oktober. – Wahrscheinlich das nächste, was nicht mehr politisch ist: Wahlen. Oder sind sie es gar schon? Jedenfalls muss eine Regierung, die bei einer Wahlbeteiligung von nur 40 Prozent, wie bei der letzten Wahl hier in Bulgarien im November vergangenen Jahres, von niemandem mehr delegitimiert werden. Sie hat es bereits selbst getan, indem sie die Wahl angenommen hat.
Foto&Text TaxiBerlin
Meine Recherche zu dem Artikel “Wir haben den Leuten eine Lüge verkauft“, der heute auf Multipolar erschienen ist, begann bereits vor der Veröffentlichung der “Uber Files” durch den englischen Guardian. Als der englische Guardian diese Anfang Juli veröffentlichte, war mein Artikel fast fertig. Jetzt musste ich noch einmal ganz von vorne anfangen. Aber nicht nur deswegen hat der Artikel so lange gedauert. Es ist mir wahnsinnig schwer gefallen, ihn zu schreiben, den richtigen Ton zu treffen, weil ich wegen Uber meine Arbeit als Taxifahrer in Berlin verloren habe. Taxifahren war nicht einfach nur ein Job für mich. Taxifahren war mein Leben. 25 Jahre bin ich auf den Straßen und Plätzen der deutschen Hauptstadt unterwegs gewesen. Das war jetzt einfach mal futsch, von einem Tag auf den anderen. Corona war nur der Anlass. Uber war die Ursache. Es ist also keine Überraschung, dass ich mich schwer tat, an das Thema als professioneller Journalist heranzugehen. Ob es mir gelungen ist, darüber kann sich jeder sein eigenes Urteil bilden, indem er meinen Artikel liest. Auch was er damit macht, kann ich niemandem vorschreiben. Für mich steht fest, dass ich niemals für Uber fahren werde, so wie Bob Dylan nie wieder auf “Maggie’s Farm” gearbeitet hat. Ich bin auch noch nie mit einem Uber mitgefahren, aber das versteht sich von selbst. So wie es aussieht, werde ich auch nie wieder Taxi fahren. Der Grund dafür ist, dass nun auch nicht nur die Ortskunde für Taxifahrer weggefallen ist, also sich kein Taxifahrer mehr in seiner Stadt auskennen muss, sondern selbst ortskundige Taxifahrer – wie ich – laut Gesetz immer mit Navi fahren sollen, obwohl allgemein bekannt ist, dass Navigationsgeräte dumm und orientierungsblöd machen.
* Uber leitet sich vom deutschen Wort “über” ab.
Oldtimer, das haben mir mehrere Quellen unabhängig voneinander bestätigt, sind gerade eine sichere Geldanlage in der Heimat. Allen voran der Trabant, das alte Plastik-Schwein (“plastic pig”), wie mein englischer Freund Jerry ihn nennt, der am liebsten Deutscher wäre. Ob obiger Moskwitsch auch zu den sicheren Geldanlagen gehört, lässt sich im Moment nicht eindeutig sagen, immerhin ist er in der Sowjetunion hergestellt. Das müsste man also noch herausfinden. Was dafür bereits herausgefunden wurde, ist, dass seit einiger Zeit besonders dicke Neuwagen mit ukrainischen Kennzeichen auf den Berliner Straßen unterwegs sind. Oft sind es Modelle, die kennt der deutsche Normalverbraucher gar nicht, weil sie für ihn unerschwinglich sind, wie die Frauen in ihnen. Das selbe Phänomen gibt es auch in Bulgarien. Auch hier fahren Modelle von Mercedes, BMW und Porsche herum, die mir völlig unbekannt sind, die ich noch nie zuvor gesehen habe. Es gibt also auch kulturelle Unterschiede, was eine sichere Geldanlage ist. Als halber Deutscher halte ich’s wie der Schuster, der besser bei seinen Leisten bleibt. Ich empfehle jedem Deutschen dringend, bei seinen Oldtimern zu bleiben, und die Finger von Autos zu lassen, die ihm nicht bekannt sind, und noch mehr von Frauen, die er nicht kennt.
Foto&Text TaxiBerlin