Bericht aus Bulgarien (274) – “An alle Waschlappen”

 

Das halbe Jahr war vorgestern vorbei, ich musste meinen Gasspeicher auffüllen. Beim Russen fülle ich nur wegen der Aussicht auf, das musst du mir glauben. Die Preise sind überall dieselben in Bulgarien: 1,22 Lewa für das Kilo Flüssiggas. Bei zehn Kilo sind das 12,20 Lewa. Damit komme ich bis ins neue Jahr. Alles hätte gut sein können. Aber nein, was muss ich wieder aus Deutschland hören, das Russland ruinieren will. Man beklagt sich allen Ernstes über den bösen Putin, der angeblich nun kein Gas mehr liefert. Aber genau das wolltet ihr doch nicht haben, das blöde Russengas. Lieber wolltet ihr frieren für den Frieden. War doch so, oder? Jetzt ist noch nicht mal Herbst, und ihr jammert schon in Deutschland? Du meine Güte, was seid ihr für Waschlappen! Apropos: War da nicht was mit ‘nem Waschlappen?

Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Grossbritannien – “No More Lockdown”

Mehrfach habe ich schon über meinen besten englischen Freund Jerry geschrieben, der drei Dörfer weiter wohnt, und der am liebsten Deutscher wäre, zumindest bis vorgestern. Manchmal geht es mir nun wie Jerry, nur umgedreht, und zwar dass ich gerne Engländer wäre. Gut, was da jetzt von den britischen Medien kommt, sogar von der BBC, ist nicht wirklich neu, zumindest nicht für Bulgaren, von denen viele in Grossbritannien ihr Geld verdienen. Der Unterschied scheint mir zu sein, dass wenn der Engländer etwas sagt, dann hat es irgendwie mehr Gewicht. Wobei schwer zusagen ist, woran das genau liegt. Ob es alleine an der Sprache liegt, oder an den vielen Banken in der Londoner City, die das Gesagte aufwerten, oder einfach nur an dem Umstand, dass das Vereinigte Königreich einst ein Weltreich war und zum Teil immer noch ist. Jedenfalls ist es so, dass wenn der Bulgare etwas sagt, dann sagt es eben nur ein dummer Bulgare. In dem Zusammenhang frage ich mich gerade, ob Van Morisson, den ich neulich, also vor Corona, noch live in Berlin erlebt habe und von dem obiger Song “No More Lockdown” aus dem Jahre 2020 ist, eigentlich immer noch ein Covidiot ist, oder doch eher jemand mit Weitsicht? Was mit mir als halber und dummer Bulgare ist, danach frage ich besser erst gar nicht.
Song VanMorisson
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (273) – “No matter what my german voters think” – Annalena Baerbock

Annalena Baerbock vorgestern in Prag
Bei den letzten Wahlen in Bulgarien im November lag die Wahlbeteiligung bei 40 Prozent. Die nächsten Wahlen gibt es am 2. Oktober, also heute in einem Monat. Die Wahlbeteiligung wird dann aller Wahrscheinlichkeit weiter fallen. Davon würde ich ausgehen, wenn die Außenministerin Bulgariens Annalena Baerbock heißen würde. So einfach darf man es sich nicht machen, das schreibt zumindest der Spiegel. Wenn unsere Außenministerin sich einen Dreck um ihre Wähler in Deutschland schert, dann hat natürlich der Russe Schuld. Das meint allen Ernstes das ehemalige Nachrichtenmagazin aus Hamburg, wo alle mit Menthol-Zigaretten gedopt zu sein scheinen. Ich weiß nicht, wie viele Menschen diesen Quatsch noch glauben in Deutschland. Meine Befürchtung ist, dass es nur allzu viele sind. Anders in Bulgarien. Die Menschen hier mögen einfach sein, aber nicht dumm. Vor allem kriegen sie mit, wenn sie verarscht werden, was mir hier der Fall zu sein scheint. Kriegstreiberin Annalena Baerbock empfehle ich, wenn sie so geil auf Krieg ist, dann soll sie an die Front gehen und in erster Reihe mitkämpfen, und sich nicht bequem im Sessel fläzen und ihre Wähler in der Heimat für dumm verkaufen, die sie mit ihrer “pro westlichen”, sprich “make America great again” Politik, gerade dabei ist zu ruinieren. Noch mehr Delegitimation geht eigentlich nicht mehr.
Video YouTube
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (272) – “Go Sahra go!”

 

Gerade erfahre ich, dass Sahra Wagenknecht ausgeladen wurde, am Montag auf der von ihrem Parteikollegen Sören Pellmann organisierten Demo in Leipzig zu sprechen. Während man in Deutschland noch versucht herauszufinden, wer hinter der Ausladung steckt, ist man in Bulgarien schon wieder einmal weiter. Bereits am 11. Mai dieses Jahres haben diese beiden Frauen auf einer Demo vor dem Parlament gesprochen. Ich bin hundertprozentig mir sicher, dass keine der beiden Frauen eine Einladung hatte, um auf der Demonstration zu sprechen. Weder die große Frau oben im roten Jacket, noch die kleine Frau unten in den weinroten Leggins. Sie haben es einfach getan. Die ganze Diskussion in Deutschland erinnert mich an einen Ausspruch, der Lenin zugeschrieben wird. Lenin hieß eigentlich Wladimir Iljitsch Uljanow und war Russe. Ich sag es besser vorher, damit es später keine Beschwerden gibt. Besagter Lenin sagte über deutsche Revoluzzer folgendes: “Deutsche Revolutionäre besetzen einen Bahnhof erst nach Kauf einer Bahnsteigkarte.” – Genau das möchte ich Sahra Wagenknecht auf den Weg geben. Kümmere dich nicht um irgendeine Einladung. Geh nach Leipzig und sprich zu den Menschen. Sie wollen dich hören, deine Stimme, dein Charisma, deine Intelligenz, deine Weit- und Durchsicht. Vergiss die Einladung, du brauchst sie nicht! – Und: Es ist richtig, dass du mit dem “Laden” DIE LINKE nichts mehr zu tun haben willst. Übernimm endlich den “Laden” BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND, Sahra!
PS: Der, die, das Deutsche am Fahrkartenschalter: “Einmal Revolution bitte!” – Nachfrage der Deutsche Bahn Mitarbeiterin: “Einfache Fahrt oder mit Rückfahrt?”

Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (271) – “Überlegungen in der Ferne”

“Je korrumpierter das Land, desto zahlreicher seine Gesetze.” (Tacitus)
Werbetafel in Sofia

In letzter Zeit muss ich immer öfter an Menschen denken, die mir ab Mitte der Achtziger in der DDR begegnet waren, und die sagten, dass sie nichts dem System geben würden, es nicht unterstützen würden, weder mit ihrer Arbeitskraft, noch mit Geld. Zugegeben, es waren ihrer nicht viele, aber es gab sie. Damals war es viel einfacher, mit wenig Geld über die Runden zu kommen als heute. Die Preise waren niedrig und die Mieten ebenso. An zwei von ihnen erinnere ich mich besonders gut. Auf ihren Fahrrädern brachten sie damals alten Menschen das Mittagessen nach hause, gekocht hat es die “Volkssolidarität”, die es bis heute gibt, und die die beiden vermutlich bar bezahlt hat. Andere wiederum haben nur von Flohmärkten gelebt. Für eine Schallplatte aus dem Westen konnte man dort damals 100 Mark der DDR oder mehr bekommen. Ich selbst habe auch schon mal fünf Schallplatten verkauft und konnte damit nach Bulgarien fahren. Einmal sind wir sogar per Anhalter gefahren. Doch zurück zu den Menschen, die in der DDR nichts dem System geben wollten. Für viele Zeitgenossen war das natürlich unvorstellbar, solche Ansichten zu vertreten und dann auch noch danach zu leben. Auch ich konnte und wollte es mir nicht so recht vorstellen damals. Dazu muss man wissen, dass die allermeisten Menschen in der DDR bis zum Schluss ein ganz normales Leben geführt haben. Praktisch so wie heute, solange man sich nicht mit dem System anlegt. Nach Wende und Mauerfall waren viele Menschen überrascht, dass es so etwas wie Stasi und Überwachung gab. Immerhin davon hatte ich eine Vorstellung bekommen, denn der Vater meiner ersten großen Jugendliebe war bei der Stasi, weswegen er unsere Freundschaft rasch unterband. Damals gingen die meisten, die das System nicht mehr mittragen wollten, in den Westen, wurden gar in den Westen hinausgeworfen oder von ihm freigekauft, hatten keinen Personalausweis mehr, konnten sich also innerhalb der DDR nicht frei bewegen, oder saßen einfach im Knast. Die meisten Menschen dachten damals genauso wie heute, dass das böse Menschen seien. Man hatte es ihnen gesagt und es stand auch so in der Zeitung. Es war nicht nur das Einfachste, daran zu glauben, sondern auch das Beste, wollte man sich nicht selbst in Schwierigkeiten bringen. Und warum sollte man sich in Schwierigkeiten bringen, wenn man nicht wusste, wann es mit dem System vorbei ist. Das wussten ja nicht einmal die allergrößten Experten im Westen. Komisch wurde es dann nach der Wende, als viele von diesen ehemaligen DDR-Menschen plötzlich behaupteten, es schon immer gewusst zu haben, dass der Sozialismus, das sozialistische System nicht funktionieren kann. Komisch war es vor allem deshalb, weil die Menschen selbst daran zu glauben schienen. Sie waren fest davon überzeugt, es schon immer gewusst zu haben. Und dagegen war nichts zu sagen, denn niemand, außer sie selbst, konnte wissen, ob es wirklich so war oder nicht. Was ich mit Sicherheit sagen kann, ist, dass sie dieses Wissen zuvor nie zum Ausdruck gebracht hatten. Zumindest die allermeisten von ihnen nicht. Für den Außenstehenden sah es so aus, musste es so aussehen, dass man mal wieder von nichts gewusst hatte, von nichts gewusst haben wollte. Mir persönlich stieß vor allem die Penetranz dieser Menschen auf, die von einem Tag auf den anderen Dinge behaupteten, die zuvor zu keinem Zeitpunkt von ihnen zu vernehmen waren. Dass mir diese Geschichten gerade jetzt einfallen, erkläre ich mir damit, dass uns vermutlich etwas ähnliches bevorsteht. Klarkommen muss damit jeder selber. Das war damals so und ist heute nicht anders. Was ich aus meiner persönlichen Erfahrung sagen kann, ist, dass es Menschen gab und auch heute gibt, die diesen Selbstbetrug durchschauen, und damit auch die Heuchelei dieser Menschen. Das scheint mir ganz klar festzustehen.

Foto&Text TaxiBerlin