Bericht aus Bulgarien (266) – “Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen”

und ohne Heimat

“Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen” ist der Titel eines Buches, das demnächst erscheint und möglicherweise der nächste Spiegel-Bestseller wird. Und das, obwohl es voll ist von Beispielen des alltäglichen Faschismus scheinbar ganz normaler und angeblich wohlanständiger Mitbürger in der Heimat in den letzten zweieinhalb Jahren, die man auch im Internet nachlesen kann. Gepaart ist der Faschismus des toll gewordenen kleinen Mannes samt seiner Frau mit dem Narrativ, es handelt sich dabei eher um eine irre Idee bzw. eine verrückte Ansicht, dass es nur noch eine richtige Meinung und Haltung geben würde. Das habe ich noch von den Kommunisten in Erinnerung. Jetzt ist es aber schlimmer als es früher in der DDR war, denn nun will man mir ans Leder. Auch deswegen ist das Corona-Regime für mich ganz klar Faschismus, und zwar der scheinbar ganz normaler und angeblich wohlanständiger Mitbürger und Mitbürgerinnen, ganz genauso wie der Faschismus bei den Nazis funktioniert hat. Ich hatte bereits über das Buch von Marcus Klöckner und Jens Wernicke geschrieben. Dass ich es erneut tue, liegt daran, dass die beiden Autoren meinen, man “muss jetzt nachtragend sein”. Diese Meinung teile ich nicht. Was ich aber nicht tue, ist vergessen. Nein, ich vergesse keine der Beleidigungen, Bedrohungen, Diskriminierungen und Pöbeleien, die mir als Maskenbefreiter, der sich dazu entschlossen hat, sich keinen der unzureichend untersuchten, kaum wirksamen, nicht schützenden, weder selbst noch andere, und mit einer Vielzahl von Nebenwirkungen behafteten Impfstoffe, die diesen Namen nicht verdienen, verabreichen zu lassen, zuteil wurden. Denn sie führten letztendlich dazu, dass ich es vorzog mein Land, und damit meine Heimat samt meiner Muttersprache zu verlassen. Darauf kann man sozusagen Gift nehmen, dass ich all dies nicht vergessen werde, und zwar niemals. Wer dazu aufforderte, die gesamte Republik möge mit dem Finger auf mich und viele andere Landsleute zeigen (in Bulgarien übrigens undenkbar, aber das nur nebenbei), für den war lange genug Zeit, sich dafür zu entschuldigen, und natürlich auch für alle anderen Pöbeleien, Beleidigungen, Bedrohungen und Diskriminierungen der ganz normalen und angeblich wohlanständigen Mitbürger und Faschisten. Eine Entschuldigung ist bisher ausgeblieben und dementsprechend auch die Wiedergutmachung, die der Entschuldigung naturgemäß folgt. Obgleich ich eine Wiedergutmachung für wichtig und richtig erachte, kann ich persönlich auf die Entschuldigung verzichten. Wenn jemand ehrlich und aktiv bereut und aus dieser Reue heraus etwas wieder Gut machen möchte, so halte ich dies nicht nur für ausreichend, sondern auch für das Maximum, was man erwarten kann. Indem man begangenes Unrecht wieder Gut macht, ent-schuldigt man sich, macht sich frei von Schulden. Verzeihen kann einem seine eigenen Vergehen niemand. Verzeihen kann man sich immer nur selbst. Wem dies nicht gegeben oder möglich ist, dem kann nur eine höhere Macht verzeihen.

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Bericht aus Bulgarien (265) – “Hinterlassenschaften”

Hier herrscht Ordnung
Obwohl die Saison vorbei ist, begegnen einem gelegentlich immer noch Landsleute, die man, wenn man sie nicht an der gemeinsamen Sprache erkennt, an ihren besonders zweckmäßigen, um nicht zu sagen bescheuerten Klamotten ausmachen kann, aber vor allem an ihrem scheinbar auf alle Eventualitäten vorbereitet Sein, dieses bekannte deutsche Kontrollding, das auf lange Sicht allerdings zu den typisch deutschen Depressionen führt, und zwar wenn der Teutone und natürlich auch die Teutonin aus dem Norden realisieren, dass Kontrolle eine Illusion ist – die Kontrollillusion. Aber nicht nur an ihrem Kontrollzwang, sondern auch an ihren Hinterlassenschaften erkennt man die Deutschen, denn da, wo sie waren, herrscht Ordnung. Die Stühle sind aufeinander gestellt, die Begrenzungsmauer aus Steinen mit dem Ausgang zum Meer noch vorhanden, nur der Müll, der wurde unterm Tisch liegen gelassen. Aber auch das hat seinen Grund, denn damit werden hiesige Arbeitsplätze gesichert. Der Deutsche hat, wie man sieht, mal wieder an alles gedacht. Anders beim Griechen. Der hat sein Revier nicht markiert, die Stühle nicht übereinander gestellt und darüber hinaus noch seinen Sonnenschirm stehen lassen. Seinen Müll scheint er dafür mitgenommen zu haben, auch das alles andere als nachhaltig. Für mich hat es immerhin den Vorteil, dass ich einfach Platz nehmen kann, ohne vorher fragen oder gar eine Steinmauer überwinden zu müssen, und sogleich unter einem Schatten spendenden Schirm am Meer sitze. Das erinnert mich an den Spruch, mit dem ich neulich noch Landsleute am Strand begrüßt habe: Gott schütze mich vor Regen und Wind, und vor Landsleuten, die im Ausland sind.
Hier auch – nur eine andere
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Bericht aus Bulgarien (264) – “Der Putin von Budapest”

Ich bin mir nicht sicher, ob man Viktor Mihály Orbán schon so genannt hat: “Der Putin von Budapest”. Sicher bin ich mir, dass er genauso wie aktuell in Berlin-Mitte bei der Berliner Zeitung und dem Cicero, er auch in meinem Berliner Zeitung all das hätte sagen können, was er in obigem Interview sagt. Beispielsweise, dass er als ungarischer Ministerpräsident natürlich die Interessen der Ungarn vertritt und nicht die der Ukrainer, wie die deutsche Aussenministerin Angela Baerbock es tut.
Video BerlinerZeitung
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Bericht aus Bulgarien (263) – “Stopp der illegalen Einreisen über den Balkan”

Mit Gewalt ginge es – vielleicht

“Stopp der illegalen Einreisen über den Balkan”, das fordert die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD), wie ich aus dem ehemaligen Nachrichtenmagazin aus Hamburg erfahre, in das ich immer mal wieder schaue, damit ich weiß, was ich wissen muss und denken soll. Sogleich fällt mir der Migrationspakt ein, nachdem es gar keine illegale Migration mehr gibt und somit auch keine illegalen Einreisen. Also warum sollten diese gestoppt werden? Und wieso fordert dies ausgerechnet eine SPD-Politikerin? Nancy Faeser ist doch nicht etwa rechts? Oder zumindest “rechts offen”? Ist unsere Innenministerin etwa eine Rassist*in oder gar eine Nazi*in? – Die Beurteilung überlasse ich meinen Landsleuten in der Heimat. Das Beurteilen und vor allem das Verurteilen sind beliebte Beschäftigungen im Land der Richter und Henker, wenn nicht gar die Lieblingsbeschäftigungen meiner deutschen Landsleute. Ich habe besseres zu tun, und zwar zusammen mit meinem Bürgermeister die neuerdings auch durch unser Dorf Durchreisenden zu stoppen – bisher allerdings ohne Erfolg. Keiner der Flüchtlinge möchte länger als nötig in den Schluchten des Balkans verbleiben, was auch der Berichterstattung beispielsweise der taz über sie geschuldet ist. Gerne würde ich und mein Bürgermeister die leidgeprüften Landsleute entlasten, aber zum Hierbleiben kann man niemanden zwingen, will man keine Gewalt anwenden. Und das wollen wir nicht. Das überlassen wir lieber den Deutschen. Mit der Gewalt verhält es sich wie mit dem Tod – der ist bekanntlich ein Meister aus Deutschland.

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Bericht aus Bulgarien (262) – “Die taz-Ente”

in Berlin

Da ich selbst Artikel über die Wahlen in Bulgarien geschrieben habe, hat mich natürlich interessiert, was andere Medien darüber schreiben, was ich besser nicht getan hätte. Denn was musste ich da wieder in der taz aus Berlin lesen: Der 43-Jährige ergeht sich regelmäßig in Hetz- und Hasstiraden gegen Minderheiten, wie die Roma und Angehörige der LBGTQ-Community. Gemeint ist Kostadin Kostadinow, der Chef der Partei “Wiedergeburt”, und mit über fünf Prozent Zuwachs der größte Wahlgewinner. Da mir nach mehr als einem Jahr in Bulgarien bisher nichts von den in der taz erwähnten regelmäßigen “Hetz- und Hasstiraden” zu Ohren gekommen ist, die vermutlich auch hier den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, habe ich die taz in Berlin kontaktiert und um Beweise für ihre Behauptungen gebeten. Bisher habe ich keine Antwort bekommen, und ich gehe davon aus, dass ich auch keine bekommen werde, denn was aussieht wie eine Ente und quietscht wie eine Ente, das ist eine Ente – eine taz-Ente.

Nun beklagt sich ausgerechnet die taz im selben Artikel darüber, dass bei der Medienfreiheit in Bulgarien so einiges im Argen liegen würde. Zuerst dachte ich an einen Witz, aber die taz meint das wirklich ernst. Und in der Tat ist es um die Medienfreiheit in Bulgarien schlecht bestellt, denn kein Medium hat hier das Recht Unwahrheiten zu verbreiten, so wie die taz es tut. Das war auch einmal in der Heimat so, aber das ist lange her. Das weiß man auch bei der taz. Oder die Denke ist dort: Über Bulgarien kann man schreiben was man will, das kriegt eh keiner mit. Hauptsache, es ist die richtige Haltung. Wen interessiert da die Wahrheit.

Im richtigen Leben ist es um die Meinungsfreiheit in Bulgarien recht gut bestellt. Aktuell wurde beispielsweise das Buch “Angstgesellschaft” von Hans-Joachim Maaz, das gerade auf bulgarisch erschienen ist, im staatlichen Radiosender “Christo Botew” besprochen – in Deutschland ein Unding – und zwar wie folgt:

Angst ist in der heutigen Gesellschaft unser ständiger Begleiter. Sie ist ein natürliches Phänomen angesichts des Unbekannten, aber auch eine Waffe zur Massenmanipulation. Sie wurde mehr als einmal absichtlich angeheizt, aber seit Beginn der Covid-Pandemie ist sie allgegenwärtig geworden. Sie beeinflusst, wie wir uns zueinander verhalten; sie bestimmt unsere Entscheidungen; dominiert unser Leben. Aber ist die anormale gesellschaftliche Entwicklung ein Symptom des Massenwahns, für den es viele Anzeichen gibt, oder ist sie Folge und Absicht eines politisch-ökonomisch-ideologischen Plans?

Panikmache hat sich als die erfolgreichste Methode erwiesen, mit undemokratischen Mitteln wirtschaftspolitische Ziele zu erreichen. Ängste verengen die Perspektive und entkräften die freie Wahrnehmung, wodurch ihre Opfer anfällig für die Maßnahmen der Diktatur werden. In der Herrschaft der Angst werden unsere Zukunftsängste politisch missbraucht, um durch den Zusammenbruch des alten Spiels der Demokratie eine „neue Normalität“ des Regierens zu etablieren. 

Hans-Joachim Maatz führt uns hinter die Fassade der Gesundheitsdiktatur. In seinem Buch seziert er die politische und mediale Repräsentation von Angst, analysiert, was unseren tatsächlichen Ängsten zugrunde liegt und wie sie unser Verhalten prägen. Und nicht zuletzt: Es weist den Weg in ein freies, selbstbestimmtes und angstfreies Leben.

Das Interview von Petar Volgin vom staatlichen bulgarischen Rundfunk (BNR) mit dem Übersetzer Martin Petrushev auf bulgarisch kann man hier nachhören.

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Bericht aus Bulgarien (261) – “No German will freeze in Greece”

And no Amerikanka too

“No German will freeze in Greece”: So buhlte der griechische Tourismusminister zuletzt um Gäste aus Deutschland. Das scheint sich gelohnt zu haben. – Das kann ich bestätigen. Keiner, der zahlreichen Deutschen, die wir hier getroffen haben, hat gefroren, und auch keine Amerikanka, wie Amerikanerin auf Bulgarisch heißt. Die meisten meiner Landsleute waren auch gut gelaunt – noch, bis wir auf ihre bevorstehende Rückkehr zu sprechen kamen. Da zog sich Norbert aus Hannover gestern sogleich zum Rasieren in seinen Camper zurück, obwohl seine letzte Rasur erst eine Woche zurücklag. Zum Vergleich: Bei mir ist es drei Wochen her, dass ich mich das letzte Mal rasiert habe. Ich lasse mir aber nicht nur einen Bart stehen, sondern auch meine Haare wachsen, und zwar weil ich irgendwann (genauer Zeitpunkt steht noch nicht fest) in die Schluchten des Balkans zurückkehren werde, und die sind bekanntlich weit weniger gut geheizt als die Griechischen Gestaden, obwohl auch die zum Balkan, genauer: zur Balkanhalbinsel, gehören.

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Bericht aus Bulgarien (260) – “Der alte Mann und das Meer”

wird gerade umgeschrieben

“Der alte Mann und das Meer”, die bekannte Novelle von Ernest Hemingway, für die der Autor sowohl den Pulitzer- als auch den Nobel-Preis erhielt, wird gerade umgeschrieben. Denn es kann nicht sein, dass ein alter Mann – dazu noch weiß – im Mittelpunkt eines ganzen Werkes steht. Auch der Titel kann nicht bleiben. Im Gespräch sind “Der Mensch ohne Gebärmutter und das Meer”, wobei nicht klar ist, ob jener noch ein Mensch ist, weswegen “Das Wesen auf zwei Beinen ohne Gebärmutter und das Meer” bessere Karten hat. Möglicherweise fällt der Fisch ganz aus dem Buch, bzw. wird durch “Kunst-Fisch” oder gar “Fake-Fish” ersetzt.

PS: In dem Eimer des Mannes heute morgen bei mir vor der Tür befanden sich zwei Fische, die zwar nicht so groß waren wie der in “Der alten Mann und das Meer”, aber doch größer als erwartet. Für den Fall, dass das jemanden interessiert.

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Bericht aus Bulgarien (259) – “I ❤️ BOTOX”

Mein Luxus Botox-Körper und ich am Meer

In Bulgarien, ich erwähnte das schon mehrfach, ist vieles anders und das meiste sogar umgedreht, beispielsweise die Impfquote. Die liegt beim Bulgaren seit über einem Jahr wie festgenagelt bei noch nicht einmal 30 Prozent. Da viele in der Heimat den Bulgaren bis heute nicht wirklich verstanden haben, erkläre ich ihn meinen Landsleuten noch einmal anhand des aktuellen Auftritts von Margarete Stokowski in der Bundespressekonferenz zusammen mit Karl Lauterbach. Sie trug dort nicht nur eine rosa Brille Maske, sondern auch ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift “I ❤️ BOTOX”. – Etwas, was in Bulgarien niemand tun würde, obwohl natürlich alle – so wie ich auch – Botox nehmen. Wenn Margarete sagt: „Ich kann nur dazu raten, auch im Freien Maske zu tragen.“, dann weiß der Bulgare, dass er sich dort besser ohne aufhält. Wenn Margarete weiter darauf angesprochen, ob sie nicht daran zweifele, ob die beworbenen Impfstoffe sie wirklich so gut geschützt hätten, und wie sie sich erkläre, dass sie mehrfach geimpft trotzdem so schwer erkrankt sei, antwortet: „Keine Ahnung. Kann ich mir nicht erklären.“, dann weiß der Bulgare, dass es auf jeden Fall besser ist, weiterhin ungeimpft zu bleiben. Denn der Bulgare ist auf seine Art ein Bauer, der nicht nur nichts isst, was er nicht kennt, sondern sich auch nichts Unbekanntes injizieren lässt.  –  Und das ist auch gut so.

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Bericht aus Bulgarien (258) – “Vier Fische – Fünf Euro”

Frisch vom Markt

Gestern waren wir mal wieder auf dem Markt direkt am Meer, wo die Fische praktisch aus dem Wasser heraus verkauft werden. Für die vier Fische haben wir fünf Euro bezahlt, was absolut OK ist. Der größere ist eine Dorade, den Namen von den drei kleineren habe ich vergessen. Die Dorade war nicht von einer Fischfarm, von dort sind sie größer, sondern wild aus dem Meer. Ausnehmen musste man sie selbst. Dann nur noch etwas Salz und Mehl zugeben und ab in die Pfanne mit etwas Olivenöl. Dazu gab es einen Grünen Salat und Weißbrot – besser als in jedem Restaurant! – Am Donnerstag gehen wir wieder auf den Markt, um Fisch zu kaufen.

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Bericht aus Bulgarien (257) – “Vom Augen offen halten”

damit einem nicht die Eier abgeschnitten werden

Unser Freund Konstantin, in dessen Ferienwohnung wir wohnen, hat sich gestern gemeldet und gesagt, dass er sich freut, dass wir hier sind, auch wenn es nicht der wärmste Ort im Winter sei. Noch ist aber kein Winter, im Gegenteil, die Temperaturen sind immer noch Spätsommerlich und die kommende Woche soll schön werden, wie mir eine ältere Griechin bestätigte, die ich auf der Straße traf und die deutsch sprach, weil sie viele Jahre in Deutschland gearbeitet hat. Unser Freund Konstantin arbeitet auch viel, wenn er nicht auf seiner Esel-Farm ist, die genau genommen ein Esel-Asyl ist, kastriert er Straßenhunde und -katzen in Griechenland und Bulgarien. In Griechenland gibt es viele von ihnen, viel mehr als in Bulgarien. Dort gab es das Phänomen in den Neunzigern. Parkanlagen und Straßen waren voll von Hunderudeln, die von ihren Besitzern, die sie beschützen sollten, ausgesetzt worden waren, weil sie irgendwann festgestellt mussten, dass sie kaum genug Geld hatten, sie selbst zu ernähren, geschweige denn ihren Hund. Ein Phänomen, das wohl demnächst wiederkehren wird, möglicherweise auch in der Heimat, und dem Ilija Trojanow sein Buch mit dem Titel “Hundezeiten” gewidmet hat, das sich aber um Bulgarien dreht. Damit die Hunde- und Katzenpopulation auf den Straßen und Plätzen und auch in den Parkanlagen abnimmt, werden sie von Tierärzten wie Konstantin eingefangen und kastriert und dann wieder freigelassen. Ich habe dabei auch schon mal mitgeholfen, sowohl auf der Straße beim Einfangen, als auch beim Kastrieren in der Klinik. Das ist kein Problem für mich, ich komme vom Dorf, hatte selbst Tiere als Kind, habe in der “Tierproduktion” gearbeitet und auch Veterinäringenieur studiert. Mein Problem ist die Vorstellung, dass man mich, von der Straße, meiner Universität wegfängt, wie man die Hunde und Katzen von dort wegfängt, um mir die Eier abzuschneiden, so wie man sie den männlichen Tieren wegschneidet, besser: herausoperiert, beim Kastrieren. Immer, wenn ich daran denken muss, dass mir das passieren könnte, schaudert es mich. Dagegen hilft auch nicht, was ich neulich von meinem Freund Konstantin erfahren habe, dass sich Kollegen von ihm beim Kastrieren kennengelernt haben, die jetzt glücklich verheiratet sind und Kinder haben. Das stimmt wirklich. So wie ich als Taxifahrer Menschen im Taxi und auf der Straße kennengelernt habe, beispielsweise auch meine Frau, so lernen sich Tierärzte beim Kastrieren kennen. Neulich hat mir das sogar eine Tierärztin bestätigt, die ich direkt danach gefragt hatte. Damals hatte ich noch keine Ahnung und dementsprechend eher mit einem “auf dem Rücken von Pferden” gerechnet. Aber nein, es war beim Kastrieren. Warum nicht. Und auch ich werde wohl übernächste Woche wieder beim Kastrieren Hilfestellung leisten, wenn ich bei meinem Freund Konstantin in Süd-Bulgarien vorbeischaue. Das bin ich ihm sozusagen schuldig, nachdem er uns seine Ferienwohnung hier an den griechischen Gestaden zur Verfügung gestellt hat. Aber trotzdem bleibt ein mulmiges Gefühl, das wie gesagt daher rührt, ich könnte selbst dieser Hund oder diese Katze sein, der bzw. die von der Straße weggefangen wurde. Neuerdings müssen sich sogar kleine Jungen bei kleinen Mädchen für ihre Männlichkeit entschuldigen. So hat es mir neulich in Sofia ein Historiker, kein Tierarzt, erzählt. Es handelt sich dabei um die “Entschuldigung an die göttliche Weiblichkeit”. Keine Frage, dass die Frau “Der Ursprung der Welt” ist. Aber sich als Mann für seine Männlichkeit entschuldigen, ist eine andere Geschichte. Ist diese denn nicht auch göttlich? Für mich ist sie das jedenfalls. Und so interpretiere ich auch meine “Kastrationsangst”. Schön und gut, wenn Tierärzte sich beim Kastrieren kennenlernen und glücklich sind. Sollen sie. Aber die zu Kastrierenden haben sich auch nicht dafür entschuldigt, dass der liebe Gott sie mit Eiern ausgestattet hat. Also warum sollte ich es. Ich halte die Augen jetzt besser noch etwas weiter offen.

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