Bericht aus Berlin (039) – “Tina Turnschuh”

Nach Sibylle Lewitscharroff ist nun auch Tina Turner gestorben, die wir im Osten liebevoll Tina Turnschuh nannten. Sibylle, die deutsche Autorin, und Tina, die US-amerikanische Sängerin, haben eigentlich nichts miteinander zu tun. Immerhin so viel, dass beide es vorzogen in Europa zu leben. Bei Sibylle ist das nicht weiter verwunderlich, immerhin war ihre Mutter Schwäbin und ihr Vater Bulgare. Dass Tina es vorzog Schweizerin und nicht US-Amerikanerin zu sein, sie hatte sogar die Schweizer Staatsbürgerschaft, erinnert mich an meine Frau. Obwohl im sonnigen Kalifornien geboren und aufgewachsen, war ihr schon als Kind klar, dass die USA nicht ihr Land ist. Auf der Suche nach ihrer wahren Heimat ist sie viel gereist, war einige Zeit in Argentinien, aber auch in Asien und selbst in Russland. Die Wurzeln ihrer Vorfahren sind in Deutschland, auch in Berlin, in Albanien und auf Sizilien. Ihr Großvater war Albaner, dessen Vorfahren als die Türken ins Land kamen nach Sizilien ausgewandert waren. Dass meine Frau sich in Bulgarien wohl fühlt, hat auch mit der Nähe zu Albanien zu tun. Natürlich auch damit, dass sie mit dem Bacillus Bulgaricus infiziert wurde, und zwar durch mich. Und auch damit, dass sie sich – so wie ich – die Schweizer Alpen nicht leisten kann, wie Tina das konnte. Andererseits werden die zahlreichen Gebirge in Bulgarien auch als Bulgarische Schweiz bezeichnet. Und “Nicht alles ist Geld”, wie man in Bulgarien sagt. Der Mensch hat bekanntlich auch noch Seele. Wie es um die von Tina bestellt ist, kann man in ihrem Buch “Happiness – Mein spiritueller Weg” nachlesen, das neu in meinen BauchLaden ist. Ich habe es erst vorgestern eingekauft, vermutlich gerade als Tinas letzte Stunde geschlagen hatte. Möge deine Seele in Frieden ruhen, liebe Tina, und danke für Songs wie “Private Dancer” und “We don’t need another Hero”.
PS: “Fire is a good word for her.” (anstelle von Turnschuh)
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Bericht aus Berlin (038) – “Freiheit für Julian Assange”

“Der Fall Assange” – heute um 18 Uhr im Kino Acud

Heute hat Bob Dylan Geburtstag, weswegen ich eigentlich über den Gewinner des Literaturnobelpreises von 2016 schreiben wollte, der sich auf seiner Welttournee von 2021 bis 2024 gerade am anderen Ende der Welt herumtreibt. Da heute auch “Der Fall Assange” im Kino Acud in der Veteranenstraße 21 läuft, will es bei einem Hinweis auf diesen Konzertmitschnitt vom 12. April in Tokio belassen. Wichtig ist mir noch der Mann mit der Spritze, “Der falsche Prophet”, auf dem Konzertplakat.
Jetzt zu Julian Assange. Der Australier sitzt immer noch beim Engländer im Knast, könnte aber bald an den Amerikaner ausgeliefert werden, was fatale Folgen für den Wikileaks-Gründer hätte. Bei einer Verurteilung drohen Assange in den USA bis zu 175 Jahre Haft. Assange hatte unter anderem herausgefunden, dass Friedensnobelpreisträger Obama gar kein Friedensengel, sondern einer der größten Kriegstreiber unserer Zeit ist. Ihnen hatte Bob Dylan seinen Song “Masters of War” gewidmet. Über Kriegstreiber – Die Meister des Krieges – sagt Dylan dort folgendes: 

Ihr, die ihr euch hinter Mauern versteckt
Ihr, die ihr euch hinter Schreibtischen versteckt
Ich möchte nur, dass ihr wisst:
Ich kann eure Masken durchschauen

Dass das Tragen von Masken nicht nur nicht vor Viren schützt, sondern auch nicht davor durschaut zu werden – das wusste schon Dylan. Julian Assange ist kein Kriegstreiber. Im Gegenteil, er ist einer, der den Kriegstreibern die Maske vom Gesicht reißt. Das macht ihn so gefährlich für sie. Möglicherweise ist er deswegen auch schon Antisemit, denn neuerdings gibt es nur noch zwei Meinungen im Land: “meine” und “Nazi”. Wenn dem so wäre, würde ich natürlich nicht ins Acud gehen.

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Bericht aus Berlin (037) – “Älter werden”

Schlüpfer, denen Millionen Männer vertrauen

Die allermeisten Menschen in der Heimat scheinen nur älter geworden zu sein während meiner Abwesenheit. Ob die Männer unter ihnen jetzt obige Schlüpfer tragen, entzieht sich meiner Kenntnis. Laut Eigenwerbung vertrauen ihnen Millionen von Männern. Warum eigentlich keine Frauen? Ist das nicht diskriminierend? Wenn Millionen oder auch nur eine Mehrheit, egal ob Mann oder Frau, jemandem oder auch nur etwas vertraut, gehen bei mir immer sofort die Alarmanlagen an. Aber das nur nebenbei. Zurück zum älter werden. Sicher ist, dass auch ich älter geworden bin, obwohl ich manchmal Zweifel daran habe. Das liegt daran, dass man mir seit meiner Rückkehr aus Bulgarien immer wieder sagt, dass ich jünger aussehen würde, was insoweit stimmt, dass ich jetzt mehr das Kind bin, das ich einmal war. Ob dies von den Beobachtern gemeint ist, da bin ich mir nicht sicher, denn ich frage nicht nach. Dazu habe ich keine keine Zeit, denn ich freue mich wie ein Kind über das tolle Kompliment. Was kann einem schöneres passieren, als zwei Jahre weg zu sein und dann gesagt zu bekommen, man würde jünger aussehen. Ich scheine einiges richtig gemacht zu haben. Am Ende bin natürlich auch ich gealtert, wenngleich langsamer als viele Landsleute in der Heimat, denen die vergangenen drei Jahre offensichtlich ziemlich zugesetzt haben. 

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Bericht aus Brandenburg (001) – “Neue Modelle braucht das Land”

“Neue Modelle braucht das Land”, so hieße mein gerade erschienener Beitrag, ginge es nach mir. Da viele das Lied “Neue Männer braucht das Land” der Ina-Deter-Band aus den Achtzigern, auf das sich mein Titel bezieht, nicht mehr kennen, wurde daraus nichts, was aber nicht weiter schlimm ist. Schließlich geht es um Inhalte und nicht um Etiketten. Der Inhalt hat es auf jeden Fall in sich. Es geht um eine neue Partei, die keine Partei sein möchte, dafür mit einem neuen Gesellschaftsmodell aufwartet – deswegen “Neue Modelle braucht das Land”, und bei der darüber hinaus jeder mitmachen kann. Ganz genau geht es darum, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und Verantwortung zu übernehmen. Ein wenig wie “Chance 2000 – wähle Dich selbst” von Christoph Schlingensief, den vermutlich auch niemand mehr kennt. Wenn man selbst ins Handeln käme, bräuchte es auch beigefügter aktueller Graffitis nicht mehr, die es so nur in Berlin und nicht im Brandenburgischen gibt, wo die neue Partei gegründet wurde. Menschen in der Hauptstadt brauchen die Inspiration aus der Provinz. Nicht umsonst kommen die allermeisten, die es in Berlin zu etwas gebracht haben, gar nicht aus Berlin. Beispielsweise auch Christoph Schlingensief. Der kam aus Oberhausen.

 

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Bericht aus Bulgarien (036) – “Gratismut”

Aktuelles Plakat in Berlin

“Gratismut” ist ein neues Wort in unserer Sprache, ein zusammengesetztes Substantiv um genau zu sein. Im Unterschied zur Gendersprache ist “Gratismut” DAS Wort zur Zeit. Berlins neuer Regierender Bürgermeister Wegner (CDU) hat gerade angekündigt, dass es in seiner Verwaltung keine Gendersprache geben wird, wozu eine Portion echten Mutes gehört. “Gratismut” ist dagegen das, was früher die Hunde waren und bis heute sind, die bellen aber nicht beißen. In Deutschland, das von der Türkei mehr als 2.000 Kilometer entfernt ist, gegen Erdogan zu sein, dazu bedarf es keines Mutes. Obwohl, vielleicht doch, und zwar wenn man mit den türkischen Nachbarn ins Gespräch kommt, die möglicherweise Erdogan wählen.

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Bericht aus Berlin (035) – “Geschäfte mit dem Tod”

Aktuelle Angebote* und Todesanzeige (obere Reihe)

Kürzlich ist Sibylle Lewitscharoff verstorben. Mein Freund aus Bremen hat mich darauf hingewiesen. Jetzt werde ich auch im politisch korrekten Antiquariat/Café, dem Tatort meiner Büchersucht, auf den Tod der deutsch/bulgarischen Autorin aufmerksam gemacht. Ich soll ihre Bücher kaufen, von denen mich aber nur eins interessiert. Es ist “Apostoloff”, das ich schon mehrfach gelesen habe. Dass ich das Roadmovie durch Bulgarien schon mehrfach gelesen habe, liegt daran, dass Sibylle Lewitscharoff dort behauptete, ich wäre mit ihr durch Bulgarien gefahren. Ihr Buch beginnt ganz und gar mit dem Kapitel “Unterwegs mit Rumen”. Schon lange wollte ich eine Gegendarstellung schreiben. Jetzt, wo Sibylle Lewitscharoff tot ist, ist es dafür wohl zu spät. – Möge deine unruhige Seele Ruhe finden, Sibylle Lewitscharoff.

“Der Untertan” von Heinrich Mann in der unteren Reihe ist Pflichtlektüre!!!

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Bericht aus Berlin (034) – “Ratschläge sind Schläge”

Irgendwo in Ostdeutschland

Seit ich zurück bin in Berlin, das sind jetzt auch schon wieder fast zwei Monate, höre ich von Menschen, dass man dies und jenes nicht sagen oder schreiben darf. Etwas, was ich aus Bulgarien, wo ich die letzten beiden Jahre verbracht habe, nicht kenne. Auch in der DDR gab es so etwas in der Form nicht. Möglicherweise liegt es daran, dass man damals in der DDR und auch heute in Bulgarien gleicher ist, und dass man vor allem nicht so viel zu verlieren hatte. Praktisch nur seine Ketten, wie es die Klassiker nannten. Die Menschen in Deutschland heute haben immer noch etwas zu verlieren. So denken sie zumindest. Viele leben auch einfach immer noch in ihrer kleinen heilen Welt. Das war auch bis zum Ende in der DDR so. Angesichts dessen verstehe ich ihre Zurückhaltung. Also rein menschlich, und auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Dieser wird regelmäßig überschritten, wenn dieselben Menschen denken anderen Menschen Ratschläge erteilen zu müssen. Ratschläge können auch Schläge sein. Dass immer mehr Menschen meinen Schläge in Form von Ratschlägen erteilen zu müssen, erkläre ich mir so, dass auch bei ihnen ein Umdenken eingesetzt hat. Das finde ich gut. Wie wär’s, wenn sie zur Abwechslung einfach über ihre Zweifel sprechen würden, anstatt anderen Ratschläge zu erteilen?

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