Zurück in Bulgarien (048) – “Got you by the balls”

Halbe Arbeit – doppelter Lohn

Eine Folge des Massenexodus arbeitsfähiger und arbeitswilliger Bulgaren ist, dass es praktisch keinen Arbeiter mehr gibt in Bulgarien. Auf obige zweiteilige Klappe, die an eine Saloon-Tür erinnert, habe ich gut ein Jahr gewartet. Zuletzt war das Auto meines Arbeiters kaputt, so dass ich ihn von zuhause abholen und zum Schluss wieder nachhause fahren musste. An seinem Arbeitsplatz habe ich ihm mein Werkzeug zur Verfügung stellen müssen, weil seins konnte er mangels Automobil nicht mitbringen. Darüber hinaus habe ich für ihn gekocht und Kaffee gemacht. Zum Schluss durfte ich noch seinen Arbeitsplatz säubern und am Ende wollte er das doppelte von dem haben, was wir vereinbart hatten, ohne dass er seine Arbeit abgeschlossen hätte. Das muss ich auch noch für ihn erledigen. Das ist kein Einzelfall, sondern in Bulgarien die Regel und demnächst auch in Deutschland. Alles, was ich aus der Heimat höre, deutet darauf hin. Das letzte war, dass es niemanden gibt, der die gesetzlich vorgeschriebenen Wärmepumpen einbauen kann oder will. Und das, obwohl sämtliche Fachkräfte aus dem Ausland schon in Deutschland sind. Im englischen sagt man zu der Situation, in der ich mich hier in Sachen Arbeiter permanent befinde: “They got you by the balls”, wobei mit “balls” nicht irgendwelche Bälle, schon gar keine Fußbälle, gemeint sind, sondern meine Eier. Es ist nicht schön, wenn sie dich an den Eiern haben. Das steht schonmal fest. Schön ist immerhin, dass ich diese Erfahrung schon machen durfte, die vielen in der Heimat noch bevorsteht. Meine Lösung: Ich mache alles selbst. Sieht zwar nicht immer schön aus, aber immer noch besser als wenn sie dich “by the balls” haben.

PS: Dass mein Arbeiter kein Auto hat, liegt daran, dass seins so kaputt ist, dass er sich ein neues kaufen müsste. Geld dazu hat er, das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass der Autoverkäufer in Bulgarien ihm natürlich ebenfalls Schrott andrehen will, so wie der Arbeiter seinen Kunden. Dass jemand anderes dann ihn, meinen Arbeiter, “by the balls” hätte, und das will er natürlich nicht. Aber so lange er andere “by the balls” hat, die ihn fahren, braucht er auch kein neues Auto.

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“If you’re going to San Francisco …” – Besser nicht!

Keine Blumen im Haar, dafür an der Haltestelle

Warum ich bei meinem Besuch in San Francisco Ende Juli ausgerechnet an einen Witz aus DDR-Zeiten denken musste, kann man ab sofort in der Berliner Zeitung nachlesen. Ich möchte soviel verraten: Ich hatte keinen Blumen im Haar und ich traf auch nicht auf sanfte Menschen, wie es der bekannte Song „Are you going to San Francisco“ von John Phillips von „The Mamas & The Papas“ aus den Sechzigern, bekannt in der Version von Scott McKenzie, prophezeit. Obwohl, sanfte Menschen traf ich irgendwie schon, und das jede Menge, allerdings ausschließlich im Sinne von betäubt und abgestumpft. Also das Kommende – auch in Berlin. Deswegen schnell noch meinen Artikel in der Berliner lesen, bevor es zu spät ist.

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Zurück in Bulgarien (047) – “Ein neues zuhause”

Gestern habe ich eine Suppe für meinen neuen Freund gemacht, wobei Suppe etwas übertrieben ist. Ich habe einfach etwas Brot klein geschnitten und Joghurt und Wasser dazu gegeben. Joghurt wegen dem Eiweiß. Da ich selbst kaum Fleisch esse, konnte ich meinem neuen Freund keins dazu tun. Mit dem Topf voller Suppe bin ich dann die zwei Kilometer zu der Müllkippe gelaufen, wo mein neuer Freund wohnt. Leider war er nicht da, was mich bis heute ein wenig besorgt. Wo ist er abgeblieben? Hat ihn jemand anders zu sich genommen? Oder hatte er vielleicht doch ein zuhause, wo mein Freund zurück gegangen ist? Ich hatte am Vortag überlegt, ihn zu behalten. Aber ich habe keinen Zwinger und anbinden wollte ich ihn nicht. Außerdem bin ich immer noch viel auf Reisen und was wird mit ihm, wenn ich nicht da bin? Neben mir leben nur noch Alte hier, wo jedes zweite Haus verfällt oder schon in sich zusammengefallen ist. Die Jungen sind alle im Ausland, in Amerika, in Großbritannien und auch in Deutschland – ich habe mehrfach darüber berichtet. Gestern brachte mich mein Bürgermeister auf die Idee, in Deutschland ein neues zuhause für meinen neuen Freund zu finden. Im Gegenzug würde er Deutschen, die sich Deutschland nicht mehr leisten können, wovon es immer mehr geben soll, einen Ort zum Wohnen zur Verfügung stellen. Kein Mensch muss bei uns auf der Müllkippe wohnen. Eigentlich wollte ich genau über das Prozedere, wie ein Hundeliebhaber in der Heimat meinen neuen Freund bei sich aufnehmen kann, in diesem Beitrag schreiben. Mein Bürgermeister kennt sich übrigens auch mit Hunden aus, er züchtet seit vielen Jahren deutsche Schäferhunde. Jetzt, wo mein neuer Freund verschwunden ist wie er auftauchte, muss ich das erstmal verschieben. Sicherlich taucht er demnächst wieder auf. Ich halte das für sehr wahrscheinlich. Ich werde hier darüber berichten – versprochen!

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Zurück in Bulgarien (046) – “Mein neuer Freund”

Ich traf ihn gestern das erste Mal auf meinem Weg zu RUMEN GTI. Auf dem Foto sieht er gefährlicher aus, als er war. Er hat sich einfach nur riesig gefreut, dass mal jemand bei ihm auf der Müllkippe vorbeischaut. Müll gibt es in Bulgarien an jeder Ecke, auch in der Natur. Vielleicht das schlimmste Verbrechen überhaupt, das Menschen begehen können. Schlimmer als der Klimawandel auf jeden Fall. Der Schmerz in meinen Augen, den ich beim Betrachen von Müll in der Natur habe, ist unbeschreiblich. Aber von irgendetwas muss sich mein neuer Freund, ich weiß gar nicht, wie er heißt, schließlich ernähren. Zum Jagen reicht es (noch) nicht. Er hat, auch wenn der erste Eindruck das nicht vermuten lässt, ganz gute Manieren. Wahrscheinlich hatte er bis vor kurzem noch ein gutes Leben und wurde aus irgendwelchen unerfindlichen banalen Gründen von bösen Menschen ausgesetzt.
Als mir mein neuer Freund heute zum zweiten Mal über den Weg lief, habe ich ihn mit zu mir genommen und mit Brot und Wasser versorgt. Erst wollte er nicht an das Brot ran, was mich schon fast stutzig werden ließ. Lebt er auf seiner Müllhalde vielleicht ein fürstliches Leben? Als er sich dann irgendwann auf das trockene Brot stürzte und in sich hineinschlang, als gäbe es kein Morgen, war klar, dass seine Müllhalde alles andere als das Paradies ist. Fast hätten ihm die Bestien des Nachbarn das Brot streitig gemacht. Aber mein neuer Freund lässt sich sein trocken Brot nicht von irgendwelchen dahergelaufenen Viechern aus dem Wasser fischen. Ich denke, ich werde unsere Freundschaft weiter ausbauen. Alleine schon, um es dem blöden Nachbarn und seinen dummen, ewig bellenden Bestien zu zeigen.

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Zurück in Bulgarien (045) – “RUMEN – GTI”

Zwischen dem Genossen Stalin und mir liegt RUMEN-GTI begraben. Direkt an der Straße, die dort eine Kurve macht. So ein Grabstein an einer Straße in Bulgarien ist nichts ungewöhnliches. Ungewöhnlich ist, dass es eine Kurve gibt. Die meisten Grabsteine befinden sich auf einer graden Strecke. Bis heute kommen viele Bulgaren auf grader Strecke ums Leben, weswegen man von einem Krieg spricht, der auf der Straße stattfindet. Der Unterton dabei ist: Wenn ihr uns neue Autos gebt, müsst ihr uns auch neue Straßen geben. Um das Foto von dem Grabstein von RUMEN-GTI zu machen, bin ich hingelaufen. Oft bin ich mit dem Auto an ihm vorbeigefahren. Da es aber direkt an einer Kurve liegt, habe ich nie angehalten, um ihn zu fotografieren. Das lag auch daran, dass ich RUMEN-GTI nicht kannte. Ich kenne nur seinen Grabstein. Begraben ist RUMEN-GTI vermutlich woanders und nicht direkt an der Straße. Das ist aber nur eine Vermutung. Was ich mit Sicherheit weiß, ist, dass der bulgarische Genosse Stalin noch lebt. Auch das wieder ein Unterschied, diesmal zu Russland, wo der russische Genosse Stalin, genau müsste man sagen der georgische Genosse Stalin, schon lange tot ist. Der bulgarische Genosse und Patriarch Stalin erfreut sich bester Gesundheit. Auch sein “Komplex”, genau ist es der “Komplex Stalin”, mit Forellen-Restaurant, Pool und Hotel scheint bestens zu laufen. Und das, obwohl gleich nebenan eine riesige Baustelle ist. Seit vielen Jahren lässt der Genosse Stalin dort etwas schönes, neues und vor allem Großes bauen. Was es genau werden wird, weiß Genosse Stalin vermutlich selbst noch nicht. Möglicherweise wird es sein Mausoleum. Einen Grabstein direkt an der Straße mit der Aufschrift GENOSSE STALIN wird es mit Sicherheit nicht geben.

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Zurück in Bulgarien (044) – “Brennnesselsuppe nochmal”

Nachdem ich meine Brennnesselsuppe eine Nacht habe stehen lassen, schmeckt sie heute noch einmal besser. Leider will mir nichts einfallen, womit ich sie vergleichen könnte. Spinat schmeckt anders, und Brokkoli auch. Brennnesseln schmecken irgendwie eigen, weswegen ich sie wirklich jedem empfehlen kann. Natürlich auch wegen dem Eisen, das sie enthalten. Dass man beim Essen Handschuhe anziehen muss, wie ich hier schrieb, stimmt übrigens gar nicht. Schon gar nicht im Mund.

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Zurück in Bulgarien (043) – “Brennnesselsuppe”

Die kräftigsten Brennnesseln gibt es natürlich im Frühjahr. Aber die Brennnesseln im Herbst sind auch nicht von schlechten Eltern, zumindest in Bulgarien. Man zieht sich auf jeden Fall besser Handschuhe an, wenn man sie schneidet, um daraus eine Suppe zu machen. Brennnesselsuppe ist gar nicht schwer, man braucht dazu neben den Brennnesseln nur noch Kartoffeln, Zwiebeln und etwas Öl bzw. Butter. Zuerst werden die Zwiebeln angeschmort, dann kommen die Brennnesseln dazu und danach die Kartoffeln mit etwas Wasser oder besser Gemüsebrühe. Das ganze köchelt im geschlossenen Topf so lange vor sich hin, bis die Kartoffeln durch sind. Zum Schluss setzt man den Pürierstab oder auch Stabmixer an. Jetzt kann man die Suppe schon essen. Man braucht dafür wieder die Handschuhe, diesmal im Mund.

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