Nichts Neues von der Müllfront

Nachdem sie nicht an die Front in der Ukraine gezogen sind, um unsere Freiheit zu verteidigen, sollen sie nun in der Heimat auf die Barrikaden gehen. Diesmal geht es nicht um die Freiheit, sondern um “unsere” Demokratie, also “ihre”. Auch wenn ich der Meinung bin, dass da jemand Demokratie nicht verstanden hat, was schlimm genug ist, mache ich mir keine Sorgen. Aber nicht, weil ich weit weg bin vom Tollhaus Deutschland, sondern weil die Heimatfront sich ganz schnell in heiße Luft auflösen wird. Man schaue sich nur die wohlstandsverwahrlosten Gestalten an, die zum auf die Barrikaden gehen aufrufen. Ein paar Kinder-Tattoos auf Wade oder Handgelenk machen noch keinen Krieger. Sie taugen eigentlich nur zum Fremdschämen. Trotzdem habe ich Mitleid mit ihnen. Und weil mein Herz für Verlierer schlägt, bin ich heute wieder losgezogen. Und zwar um Müll einzusammeln, von dem es in Bulgarien jede Menge gibt. Im Herzen bin ich nämlich ein Grüner. Hinzu kommt, dass Müll einsammeln dem Tag Struktur und dem Leben einen Sinn gibt.

Es gibt nichts schöneres

Ein Freund hat mir gerade sein Leid geklagt über das Wetter in Berlin, und ich hab’s mir angehört. Was soll ich sonst auch machen. Die Leute in Deutschland sind so froh, wenn ihnen mal jemand zuhört. Das Thema ist dabei egal. Das schönste an der Sache für mich war, dass ich, während ich dem Freund zuhörte, obigen Blick in den Himmel über Bulgarien hatte. Es gibt nichts schöneres.

Der Desillusionist bei der Arbeit

Schon vor Wochen hatte man mich zum “Sofia Masquerade Event” eingeladen. Bis eben hatte ich Null Bock, wegen so einem Quatsch in die bulgarische Hauptstadt zu fahren. Es sind zwar nur 100 Kilometer, aber da ich übers Balkangebirge drüber muss, sind das jeweils zwei Stunden Fahrt. Dass ich meine Meinung geändert habe, liegt daran, dass ich mich daran erinnert habe, dass da ja neulich noch was war mit Maske und so. Ich hab auch sogleich vier Exemplare in meiner Hütte gefunden, wobei eine Maske keine Staubschutzmaske sondern zum Schlafen im Flugzeug ist. Zur Sicherheit nehme ich alle vier mit nach Sofia. Ich muss vorher nur noch zwei Löcher für die Augen reinschneiden. Ich denke, das kriege ich hin. Vor allem interessiert mich, wie meine Maskerade ankommt, immerhin ist es ein offizielle Business-Event. Wobei ich dazu sagen muss, dass ein offiziellen Business-Event in Bulgarien anders ist als ein offiziellen Business-Event in Deutschland, wo die allermeisten nicht nur Business-Typen einen Stock im Arsch haben. Übrigens, fällt mir gerade ein: Mein vom Jobcenter gefördertes Business als freier Autor und Journalist heißt ganz offiziell “Desillusionist”. Als solcher bin ich gespannt, was mich am Donnerstag in Sofia erwartet.

Faktenchecker in Bulgarien

Auch in Bulgarien gibt es Faktenchecker. Oder sollte ich sagen: noch? Fakt ist: Faktenchecker sind in Bulgarien eine neue Entwicklung. Eine Übernahme aus dem Westen, an die man aber nicht wirklich glaubt. Obige Graffitis an einem Supermarkt in Montana sind ein Beweis dafür. In großen Buchstaben steht dort: # Das System belügt Euch. Darunter so klein, dass man es nur schwerlich lesen kann: # Das System sagt die Wahrheit. – Hier noch ein anderes Graffito aus Montana:

Der Himmel über Bulgarien

Ein Freund in Berlin schreibt mir gerade, dass er wieder mal krank sei. Es regne jeden Tag, und er habe ein bisschen viel Winterblues. Blaues habe ich auch, aber auch Rotes. Die Grüne Katrin Göring-Eckardt sagte einmal, dass sich Deutschland drastisch ändern wird, dass es bunt werden würde, und dass sie sich darauf freut. Das war vor zehn Jahren. Viel scheint in Sachen Buntheit nicht passiert zu sein in der Heimat, wenn ich die Nachricht des Freundes richtig verstehe. Liegt natürlich auch an der Jahreszeit. Immerhin, Rot spielt auch dort eine immer größere Rolle. Allerdings leider nicht am Himmel, sondern auf Weihnachtsmärkten und in Parkanlagen.

Bulgaria deserta

Der Titel “Bulgaria deserta” ist von dem Taxifahrerfilm “Night on Earth” inspiriert. Dort fährt Roberto Benigni durch das nächtliche Rom und muss feststellen, dass die Stadt verlassen ist: “Roma deserta”. Ich bin nicht Nachts sondern am hellichten Tag durch meinen Kiez gezogen, wobei diese Aufnahmen entstanden. Benigni fragt sich, wo all die Römer hin sind. Genau das frage ich mich auch bezüglich der Bulgaren. Benigni meint, sie wären nach Bergamo gegangen. Ob das stimmt? Zumindest hätten sie dann nicht das Land verlassen so wie jeder dritte Bulgare.