Bericht aus Berlin (018) – „Antworten finden“

gestern auf dem Flohmarkt

Auch heute noch wird Nietzsche gelesen. Gestern habe ich drei Bücher von ihm verkauft. Alle drei an junge Menschen. In Bulgarien suchen junge Menschen Antworten bei Klassikern des Kommunismus wie Marx und Mao. Hierzulande greifen sie zu Schopenhauer und Nietzsche. Bei Schwab und Harari sind keine Antworten zu finden. Deswegen werden sie morgen auch schon vergessen sein.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (017) – „Mach‘ den IQ-Test!“

In Berlin
Beide Aufnahmen sind aktuell, in beiden geht es um einen Test und beide entstanden an einem Bahnhof. Die eine in Berlin am Bahnhof Charlottenburg. Die andere an einem Bahnhof in Ostdeutschland, was früher DDR war. Die untere Aufnahme könnte auch in Bulgarien entstanden sein. Dort übrigens sogar überall.
IQ-Test- und gleichzeitig Sonntagsfrage: Wofür stehen die Buchstaben D D R ?
In Ostdeutschland
Fotos&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (016) – „Letzte Generation jagt Billy the Kid“

Frankfurter Allee / Friedrichshain

Die junge Aktivistin mit dem grünen Schal gibt uns noch ein, maximal zwei Jahre. Also genau wohl dem Klima, wenn ich es richtig verstanden habe, und was ich für mich so übersetzte: Spätestens in zwei Jahren ist der Spuk vorbei. Das ist kein Problem für mich, ich wollte sowieso zurück in die Schluchten des Balkans, um mich auf die nächste Pandemie vorzubereiten. Die hat Billy the Kid bereits für 2025 angekündigt, der sich offensichtlich mit der Letzten Generation abgesprochen hat.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (015) – „Meine neue Freundin“

Fundstück

Neulich habe ich eine Frau kennengelernt. Auf der Straße. Wo sonst?! Sie ist ehemalige Friseurin, so wie ich ehemaliger Taxifahrer bin. Seit unserem Kennenlernen vor zehn Tage sehen wir uns regelmäßig und reden miteinander, wobei miteinander reden nicht ganz richtig ist, zumindest nicht im Verständnis vieler Menschen. Denn wir sprechen weder über das Wetter, noch über den Krieg und schon gar nicht über das Klima. Wir reden über uns und wie es uns in dem Moment geht, wo wir miteinander reden. Gestern hat meine neue Freundin mal über andere gesprochen, und dass es den meisten nicht gut geht gerade. Ich weiß das nicht, weil ich lange nicht da war. Auch deswegen bin ich froh, dass ich jetzt diese neue Freundin habe. Irgendwie bin ich noch gar nicht richtig angekommen, obwohl ich schon einen Monat hier bin. Komisch wirken sie schon, wie sie mit ihrem Latte an kleinen Tischchen auf dem Bürgersteig sitzen, als wäre alles wie immer. Die meisten laufen wie gehabt mit einem Bier in der Hand betäubt und orientierungslos durch die Gegend. Ich habe es mir abgewöhnt, in ihre Gesichter zu sehen. Ich schaue jetzt nach unten auf die Straße, wo ich gestern obiges Reclam-Bändchen fand. Ich habe Jung nie gemocht, aber das Zitat ist gut. Das meint auch meine neue Freundin. Auch sie niemanden heilen kann. Nicht mal als Friseurin.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (014) – „Bulgarien ohne Bulgaren“

In 10 Jahren hat Bulgarien 11,5 % seiner Bevölkerung verloren – ist der demographische Kollaps noch umkehrbar? Das fragt sich ganz aktuell das Bulgarische Nationalradio BNR.

Wichtig ist, worüber nicht berichtet wird

„Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten!“, so lautet der vielleicht wichtigste journalistische Schlachtruf. Auch hier gibt es Ausnahmen, und zwar wenn die Nachricht ein Land betrifft, das niemanden interessiert, weil die allermeisten es gar nicht kennen, weswegen sie es regelmäßig mit dem Nachbarland verwechseln. Und doch sind die schlechten Nachrichten auch für uns von Interesse, denn wir sind Profiteure des Niedergangs. Des einen Leid ist des anderen Freud. Oder mit den Worten der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt: „Wir kriegen jetzt plötzlich Menschen geschenkt.“ Das ganze auf einer Synode der evangelischen Kirche in Bremen. Das muss man sich einmal vorstellen. – Menschenverachtender geht es kaum. Selbst Sklavenhändler bekommen für Menschen, die sie verkaufen, Geld. Gut, manchmal wird auch ein Sklave verschenkt – an besonders gute Kunden.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (013) – „Amerika ist ein Fehler“

„Amerika ist ein Fehler; ein gigantischer Fehler, aber ein Fehler.“ – Sigmund Freud
Flughafen San Francisco (SFO)

Ab dem 11. Mai darf auch ich wieder nach Amerika reisen. Seit einiger Zeit bin ich nicht nur Deutscher und Bulgare, sondern auch Amerikaner, habe ich Familie in den Vereinigten Staaten. Nach Bulgarien durfte ich jederzeit, und natürlich auch nach Deutschland, aber da wollte ich gar nicht hin. Ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten, dem „Land der Freien“ und der „Heimat der Tapferen“, durfte ich anderthalb Jahre nicht. Meine Schwiegermutter musste mich letztes Frühjahr in den Schluchten des Balkans besuchen, damit wir uns mal sehen. Es war wie früher zu Mauerzeiten. Meine West-Berliner Oma durfte mich in der DDR besuchen, ich aber nicht sie in Neukölln. Seit einigen Wochen liegt meine Schwiegermutter im Krankenhaus, und ich müsste eigentlich zu ihr nach Kalifornien. Als es mit Corona losging, konnte ich mir das Demonstrieren nicht leisten, jetzt kann ich mir das Fliegen nicht mehr leisten – fällt mir dazu ein. Immerhin, ab dem 11. Mai soll es wieder möglich sein, worüber ich einen aktuellen Artikel geschrieben habe. Er ist mir nicht leicht gefallen, den ganzen Tag habe ich an ihm gearbeitet. Gestern Abend wurde er veröffentlich, mit einem Foto von mir, aufgenommen bei der Ankunft am Flughafen in San Francisco. Oben eine Aufnahme vom Flughafen bei der Abreise.

Foto&Text TaxiBerlin

Bericht aus Berlin (012) – „Der tägliche Kampf“

Internationaler Kampftag der Arbeiterklasse ist einmal im Jahr, der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben ein täglicher. Was die Meetings der Anonymen Alkoholiker damit zu tun haben und welches Potenzial in ihnen steckt.
Ich war dabei!

Am 1. Mai, dem Maifeiertag, wird in Form von Demonstrationen und feuchtfröhlichen Feiern unserer täglichen Arbeit gedacht. Traditionell starteten die revolutionären Kämpfe am Vorabend in der Walpurgisnacht in Berlin-Kreuzberg. Dieses Jahr in Form einer Queer-feministischen Demo, auf der Männer ausdrücklich unerwünscht waren.

In Steinwurfnähe in der St. Michael-Kirche im Stadtbezirk Mitte fand zeitgleich ein Marathon-Meeting der Anonymen Alkoholiker (AA) und der Al-Anon Familiengruppen statt, eine weltweite Selbsthilfeorganisation von Angehörigen von Alkoholkranken. Marathon-Meeting deswegen, weil es am 30. April um 12 Uhr begann und am 1. Mai um 12 Uhr endete.

In jeweils zweistündigen Veranstaltungen zu Themen wie „Die Wurzeln unserer Schwierigkeiten“, „Liebe und Toleranz“ und „Demut – Der wahre Weg zur Freiheit“ wurde in der drittältesten katholischen Kirche in Berlin, die nach der Reformation errichtet wurde, die Nacht zum Tag gemacht. Ganz ohne Bengalos und Böller, Alkohol oder sonstige Drogen.

In der Abschlussrunde am 1. Mai von 10 bis 12 Uhr mit dem Titel „Ein spirituelles Leben ist keine Theorie“ sprachen drei Betroffene jeweils 25 Minuten über ihren Weg in ein Leben ohne Alkohol. Dabei fielen Sätze wie „Spiritualität statt Spirituosen“, „Das Leben neu Lernen“ und „Ein Leben aus der Seele heraus“. Eine Sprecherin nannte aus eigener Erfahrung Alkoholiker „Kinder des Zorns“ und das Besuchen von Meetings das „Gesunden der Seele“.

Sucht wird in unserer Gesellschaft in aller Regel als persönliches Problem des Einzelnen betrachtet. Man kann es auch als ein gesellschaftliches Problem sehen. Ich begreife unsere Gesellschaft als eine süchtige Gesellschaft. Wir leben in einem Suchtsystem.

In einem Suchtsystem ist die gesamte Gesellschaft süchtig, selbst wenn einzelne ihrer Mitglieder keinen Alkohol und auch keine anderen Drogen zu sich nehme. Deswegen gibt es die Al-Anon Familiengruppen, in denen sich Angehörigen von Alkoholkranken organisieren, denn sie sind als Co-Abhängige ebenfalls von der Sucht betroffen.

Eine Veränderung der Gesellschaft kann nur bewerkstelligt werden, wenn sich der Einzelne verändert. Das Einfache, was so schwer zu machen ist, denn wir alle haben Angst vor Veränderungen, die allerdings anstehen – so oder so. Eine Gemeinschaft wie die der Anonymen Alkoholiker und allen voran ihre Treffen, auf denen jeder von sich und seinem Befinden im Moment spricht, könnten ein Weg sein. – Vielleicht der einzige.

Der Kampf gegen die Sucht findet nicht nur an einem Tag im Jahr statt und auch nicht an zweien, sondern ist ein täglicher. Der tägliche „Schlachtruf“ der Anonymen Alkoholiker ist „Gute 24!“, denn es geht an erster Stelle immer „nur“ darum, die nächsten 24 Stunden trocken zu bleiben, das erste Glas stehen zu lassen.

Zum Leben im Hier und Jetzt gehört auch, dass ein jeder bei den Meetings willkommen ist. Die einzige Voraussetzung für den Besuch ist der Wunsch, mit dem Trinken aufzuhören, den Teufelskreis der Sucht verlassen zu wollen.

Ein „Du gehörst hier nicht hin!“ gibt es bei den Anonymen Alkoholikern nicht. Eine Ausnahme gab es am Wochenende schon: Hunde mussten leider draussen bleiben.

Foto&Text TaxiBerlin