In Bulgarien lässt man heute „Oma Martha“ hochleben und begrüßt damit den Frühling, der kalendarisch am 20. März beginnt und dieses Jahr auch der bulgarische „Freedom Day“ ist, ich werde demnächst darüber berichten. „Oma Martha“ muss man sich als launische aber gutmütige Alte vorstellen, die gerne mit Schnee und Schauer auf ihre Begrüßung antwortet, so auch diesmal. Bereits vor Wochen, da war das Wetter schon frühlingshaft, ist in Bulgarien das „Baba Martha“ Fieber ausgebrochen, man kann schon fast von einer „Baba Martha“ Manie sprechen. Auf den Straßen reihen sich Millionen von „Baba Martha“ Ständen, an denen es Milliarden verschiedene „Marthenitzas“ und damit mehr als Bulgaren gibt. Für jeden sind also mehr als genug dabei. Ich habe bestimmt 50 gekauft, zum Verschenken – versteht sich. Das oben ist meins. Das habe ich mir gerade ums Handgelenk gebunden. „Marthenitzas“ sind traditionell in Weiß und Rot, aber heutzutage darf auch etwas Grün oder Blau dabei sein. Mit dem Blau, wie ich es habe, sieht es dann Amerikanisch aus, oder eben auch Russisch. Dass das heute von Bedeutung ist, habe ich nicht gewusst, als ich mein „Marthenitza“ gekauft habe. Unbewusst muss ich es aber geahnt haben. Ich habe auch einen Text darüber geschrieben, den aber keiner veröffentlichen wollte. Bei der Berliner Zeitung gibt es dafür jetzt eine „Open Source“, der mein Text aber zu viel Corona hatte. Dabei geht es dort um den bevorstehenden Krieg, was die bei der Berliner Zeitung aber nicht begriffen haben. So sind die, bei der Berliner Zeitung. Aber nicht nur dort. Journalisten sind allgemein unerträglich geworden. Die meisten wissen vermutlich nicht mal, was das Zeichen auf meinem „Marthenitza“ bedeutet. Aber gut, ich musste es gerade selbst nachsehen. Es ist das Zeichen der Kampagne für Nukleare Abrüstung. – Lang lebe „Baba Martha!“ Lang leben wir alle!
Mein Mineralbad in meinem Dorf sieht so aus wie oben auf dem Bild. Zwei Betonbecken zu ebener Erde, in das fordere fließt rechts in der Ecke das warme, leicht nach faule Eier riechende Mineralwasser; das zweite, hintere Becken ist eine Art Überlaufbecken; im Hintergrund zwei Podeste mit Sitz- und Grillmöglichkeiten, die mein Bürgermeister im letzten Jahr hat bauen lassen; die Becken selbst sind vielleicht 50 Jahre alt.
Da ich nicht in meinem Dorf sondern in Sofia bin, musste ich hier was vergleichbares finden, und zwar den „Komplex Koralite“, wo ich gestern unter freiem Himmel fünf Stunden am Stück im Wasser war. So lange bin ich noch nie am Stück im Wasser gewesen, ausser vielleicht als Kind am Schwarzen Meer. Dass ich so lange im Wasser war, im Wasser sein musste, lag daran, dass der Pool vom „Komplex Koralite“ wie mein Mineralbad in meinem Dorf im Freien ist, wo die Temperaturen gestern um den Gefrierpunkt waren, man dafür aber einen genialen Blick aufs Gebirge hatte, in dem Fall auf die mit Schnee bedeckten Berge des Vitosha.
Aber nicht nur das, gestern gab es im Pool vom „Komplex Koralite“ auch eine Geburtstagsparty. Vier Menschen, die ich nicht kannte, wie ich auch sonst niemanden kannte, feierten zusammen ihren Geburtstag im Pool vom Komplex. Alle waren im Wasser, sogar die drei Sängerinnen. Und ich war plötzlich Teil dieser Geburtstagsparty im Pool unter freiem Himmel.
Einer der „Geburtstagskinder“ war ein Augenarzt, und jetzt habe ich auch einen Augenarzt in Bulgarien. Kennengelernt habe ich ihn durch eine Mitfeiernde im Pool, die ich zuvor auch nicht kannte, und die mich mit ihm bekannt gemacht hat. Sie war eine der vielleicht fünfzig feiernden Gästen, und sie arbeitet in einer Botschaft in Sofia. Welche Botschaft genau darf ich nicht sagen, das wäre sozusagen Geheimnisverrat.
Auf jeden Fall war es die Botschaft eines NATO-Mitgliedslandes hier in der bulgarischen Hauptstadt, wo ich mich gerade befinde, und wo heute der Frühling in Form von „Oma Martha“ begrüßt wird, obwohl seit Sonntag der Winter zurückgekehrt ist. Fällt mir gerade ein, dass ich auch noch über „Baba Martha“ schreiben muss. Das mache ich dann gleich. Nicht vom Pool aus, sondern vom Schreibtisch des Sohnes meines Freundes.
PS: Was den „Komplex Koralite“ angeht, der ist auf den Bildern natürlich noch schöner als in der Realität. Aber wenn die Sonne nicht scheint, es zudem noch Winter und kalt ist, sieht die Welt eben einfach anders aus.
Foto&Text TaxiBerlin
Unser Freund Klaus vom Weltwirtschaftsforum hat sie alle nicht nur bei sich zu Hause und im Bett gehabt, sondern er hat sie alle auch schon „penetriert“, den Kanadier und auch den Argentinier. Es ist also keine Verschwörungstheorie – es stimmt wirklich. Man muss nur gut zuhören können, aber das habe ich im Taxi gelernt. Ich habe mich dort zu einem Extrem-Zuhörer entwickelt. Auch das stimmt – man kann Zuhören zu einem Extrem-Sport machen. Das nützt aber alles nichts, wenn man das Gesagte nicht mehr versteht. Dann ist alles für die Katz. Dann kann man es lassen mit dem Zuhören, sondern weiter schlafen und sich auch vom Klaus in den Ar*** fi**** lassen dabei.
Geradezu die Volksversammlung, links der Ministerrat und rechts der Sitz des Präsidenten, das ist das „Machtdreieck“ von Sofia, auf dem am Mittwoch der zweite nationale Protest stattfand. Es waren immerhin 3.500 Menschen gekommen, nicht ganz so viel wie gestern im Tiergarten. Kalt duschen müssen hier dafür jetzt schon einige von ihnen, einfach weil man ihnen den Gashahn abgedreht hat, weil sie das Gas nicht mehr bezahlen können. In Berlin, so habe ich gehört, wollen die Menschen lieber kalt duschen, als Gas vom Aggressor Putin zu beziehen. Sie sind dazu ganz herzlich nach Bulgarien eingeladen, auch ich stelle „Meinen kleinen Gulag“ dafür gerne zur Verfügung.
Foto&Text TaxiBerlin
Auch in Bulgarien gibt es Polizisten, die eine Kampfausrüstung ihr Eigen nennen. Das Land ist zwar nicht reich, aber so arm nun auch wieder nicht. Die meisten Polizisten, die am Mittwoch zum zweiten nationalen Protest vor dem Ministerrat in Sofia waren, trugen trotzdem ganz normale Kleidung. Nur wenige hatten ihre Kampfmontur dabei, und noch weniger trugen sie auch. Masken haben auch Polizisten kaum getragen. Abstände waren und sind kein Thema in Bulgarien. Überhaupt ist soziale Distanz hier bis heute unbekannt. Auch auf Demonstrationen spricht man gerne miteinander, und nicht übereinander, selbst wenn man scheinbar auf der anderen Seite steht. Scheinbar auch deswegen, weil die allermeisten Polizisten die Forderungen der Protestierenden teilen dürften. Am Mittwoch ging es nicht nur gegen den Grünen Pass und die Masken, beides soll am 20. März fallen, dem „Den na Svobodata“ (Tag der Freiheit) in Bulgarien. Diesmal demonstrierte man auch gegen die steigenden Preise und die drohende Inflation. Ich selbst habe schon einmal eine miterlebt in Bulgarien, das war 1996/97, da waren am Ende des Jahres 1.000 Mark nur noch eine wert. Selbst der bulgarische Finanzminister rechnet mit sechs bis acht Prozent Inflation, und der muss es wissen, denn er hat in Harvard studiert. Ich bin mir sicher, dass er sich bald nach oben korrigieren wird, weil er seine Prognose noch vor den Kampfhandlungen in der Ukraine abgab. Genau darüber hat sich die Frau am Mittwoch vor dem Ministerrat mit dem netten Polizisten unterhalten, der ihr Sohn hätte sein können.
Foto&Text TaxiBerlin
In Bulgarien gehen die Menschen nicht zum Psychiater, sondern zum Pathologen. Und der untersucht dann, ob man noch lebt. In der Heimat sind viele schon tot, und sie wissen es gar nicht. In Bulgarien kann es dagegen passieren, man wacht früh einfach nicht mehr auf, weil sie einem die Heizung oder den Strom abgestellt haben, oder weil man einfach nichts mehr zu essen hat. Trotzdem erklären sich Bulgaren nun bereit, von denen selbst einige in der Ukraine leben, Flüchtlinge von dort aufzunehmen. Man bietet ihnen Unterkunft und Arbeit an. Und das, obwohl einigen Gemeinden hier gerade der Strom abgestellt wurde, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen können.
Foto&Text TaxiBerlin
Es soll Menschen geben, die ernsthaft erwägen, obiges Denkmal im Herzen von Sofia abzureißen. Bisher ist es nur ein Gerücht, vermutlich von einem verrückten Deutschen in die Welt gesetzt. Und obwohl ich nicht daran glaube, habe ich mich auf den Weg gemacht, um es noch einmal zu fotografieren. Sicher ist sicher. Sicher ist auch, dass heute in der Heimat das Demonstrieren erlaubt ist, aber nur heute. Morgen ist es schon wieder verboten. Dann sind selbst Spaziergänge nicht erlaubt. Ich habe heute meinen Spaziergang durch Sofia gemacht. Aber nicht, weil das Spazierengehen in Bulgarien morgen verboten wäre. So ist es nicht, im Gegenteil. In Bulgarien ist vieles anders, und das meiste sogar umgedreht ist. Wenn ich hier Menschen erzähle, dass in Deutschland Spaziergänge verboten sind, dann schauen sie mich an, als hätte ich den Verstand verloren.
PS: Das Verbot von Demonstrationen & Spaziergängen korrespondiert, so denke ich, mit der „Kritik am System“ als Kündigungsgrund beim ZDF, also bei Öffentlich/Rechtlich, die mit dem Bildungsauftrag.
Foto&Text TaxiBerlin