Das wirklich Allerletzte

Darauf einen “Wodka Ruskaja” aus sozialistischen Zeiten

Jetzt doch keine “Nationale Notlage”. Merz rudert zurück. Wenn er überhaupt rudern kann. Mich erinnert der Vorgang, ich nenne ihn bewusst nicht Rückzieher, an Orwells “1984”. Ganz genau an das Buch „Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus“ von Emmanuel Goldstein, aus dem Winston seiner Geliebten Julia im zweiten Teil vorliest: Über lange Zeiträume scheinen die Oberen ungefährdet an der Macht zu sein, doch früher oder später kommt der Augenblick, in dem sie entweder ihr Selbstvertrauen verlieren oder die Fähigkeit, wirksam zu regieren, oder beides. Dieser Moment scheint mir gekommen. Dann passiert laut George Orwell regelmäßig dies: Sie werden dann von den Mittleren gestürzt, die die Unteren dadurch auf ihre Seite ziehen, dass sie ihnen vorspiegeln, für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Sobald die Mittleren ihr Ziel erreicht haben, stoßen sie die Unteren wieder in ihre alte Knechtschaft zurück und werden selber zu den Oberen. Das ist schon ganz schön gemein, denke ich. Das Ende ist dann aber richtig blöd: Schon bald spaltet sich von einer der beiden anderen Gruppen oder von beiden eine neue Mittelgruppe ab, und der Kampf beginnt von Neuem.

“Nationale Notlage”

Seit heute: Gefangener des Goethe Instituts

Eigentlich wollte ich heute nichts mehr schreiben, aber jetzt muss ich, denn in der Heimat wurde mal wieder eine “Nationale Notlage” ausgerufen. In Bulgarien, wo die Menschen seit 35 Jahren in einer Notlage leben, weiß man: Wenn man in Deutschland eine “nationale Notlage” ausruft, dann bedeutet das genau: NICHTS. Das ist wie mit den Verkehrsschildern, die auf Löcher in den Straßen hinweisen. In Bulgarien gibt es sie nicht, einfach weil jeden Meter eines stehen müsste, und in Deutschland kommen keine Löcher nach den Schildern. Zumindest war das früher so. Worin besteht nun die “Nationale Notlage” in der Heimat? Ist es die Berliner Stadtautobahn? Oder ist es wieder Corona? Oder diesmal die Affenpocken? Gibt’s kein Klopapier? Oder nur keines für die nächste Wahl? Will niemand mehr an die Ostfront? Oder nur nicht in den Osten? – Nein, die illegale Migration ist der Grund für die “Nationale Notlage”. Echt jetzt? Und was ist mit der irregulären? Will man plötzlich keine Ausländer mehr in Deutschland. Ohne die geht es doch bekanntlich nicht. Was wird dann aus der kulturellen Bereicherung? Ach deswegen heißt die neuerdings Aneignung. Oje, Wannseekonferenz ick hör dir trapsen! Darf ich überhaupt noch zurück? Bin ich gar Teil der “nationalen Notlage”? Bin ich gefangen, ausgewiesen oder gar schon ausgebürgert? Ist der neue Hitler schon an der Macht? Einer muss schließlich der Bluthund sein, das wusste schon SPD-Mann Noske. Oder ist es nur der Merz, also der Friederich, denn der ist mitunter – das ist bekannt – ein arger Wüterich.

“Er hat Jehova gesagt!”

Ich schrieb es bereits mehrfach: Aus der Ferne hat man die nötige Distanz, um die Dinge klarer zu sehen. Die Situation im deutschen Irrenhaus erinnert mich immer mehr an Monthy Pythons “Das Leben des Brian”, und da insbesondere an die Szene, wo der Alte nur das Wort Gott, also Jehowa, in den Mund nimmt, wofür er sogleich gesteinigt wird. Allen voran von Frauen, aber das nur nebenbei. Am heutigen Tag der Befreiung dürfen in der Zentrale des deutschen Irrenhauses keine Fahnen der Befreier gezeigt werden. Gut, so verrückt ist das gar nicht. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde man verhaftet, wenn man das eigene Grundgesetz hoch hielt. So gesehen ist das heute nur der “ganz normale” Wahnsinn. Trotzdem erlaube ich mir, ihm etwas entgegen zu setzen, und zwar das Magazin “Hintergrund”, für das ich neulich aus Bulgarien berichtet habe. Gerade wurde dort ein lesenswerter Artikel der NachDenkSeiten mit dem schönen Titel “Tag der Geschichtsverfälschung” verlinkt. Das Magazin “Hintergrund” gibt es auch heute mit obigem Cover im Bahnhofsbuchhandel, im gut sortierten Zeitungschriftenhandel und in ausgewählten Lebensmittelgeschäften. Das nur als Info an die ganz Mutigen.

“Sag mir, wo die Bulgaren sind? Wo sind sie geblieben?”

Verlassenes Bulgarien

Anders als in Deutschland, wo immer von “unserer Demokratie” die Rede ist, wird hierzulande von “unserem Land” gesprochen, wenn es um Bulgarien geht. Gerade erfahre ich vom staatlichen Bulgarischen Nationalradio, dass es Ende letzten Jahres in “unserem Land” 199 Siedlungen ohne einen einzigen Einwohner gab. Jetzt dürfte die Zahl schon wieder höher liegen, immerhin haben wir bereits Anfang Mai. Zu den 199 Siedlungen ohne einen einzigen Einwohner kommen unzählige mit nur einem Einwohner oder einem plus X. In Anlehnung an den bekannten Song “Sag mir, wo die Blumen sind? Wo sind sie geblieben?” (das Lied ist von Pete Seeger, die Melodie geht auf russische und ukrainische Musik zurück), frage ich mich immer öfter: “Sag mir, wo die Bulgaren sind? Wo sind sie geblieben?” Ich habe auch eine Antwort: Unter anderem in Deutschland. Ein Beispiel gefällig? Laut Euractiv lag 2023 das Durchschnittsalter einer bulgarischen Krankenschwester in “unserem Land” bei 58 Jahren. Das durchschnittliche Verhältnis zwischen Krankenschwestern und Ärzten sollte 2:1 betragen, in Bulgarien kommen 0,9 Krankenschwestern auf einen Arzt. Sei ehrlich: Wie heißt die Pflegekraft, die sich für wenig Geld um deine Angehörigen kümmert? Ist es noch die Olga aus Polen? Oder bereits die billigere Borislawa aus Bulgarien?

Hollunderblütensirup-Im-und-Export

Am Ende sind es genau viereinhalb Liter feinster Hollunderblütensirup geworden, der nicht nur toll schmeckt, sondern der auch farblich sehr ansprechend ist. Ich genieße ihn wie gesagt nur mit dem Mercedes unter den Sprudel-Wassern: Soda-Club von Schweppes. Es hat mich auch schon eine erste Bestellung aus der Heimat in den Schluchten des Balkans erreicht, also an meinem Hollunderblütensirup, nicht am Soda. Vielleicht ist das mein neues Standbein: Hollunderblütensirup-Im-und-Export. Vermutlich bist Du aber schneller hier, als dass das Geschäft angelaufen ist, aber vor allem als Du denkst, einfach weil Du dir Deutschland nicht mehr leisten kannst.

„Lock-in-Effekt“

Ein Irrsinn von vielen (wie ist eigentlich die Mehrzahl von Irrsinn?) in der Heimat ist, dass immer alles seinen Namen haben muss. Ein Beispiel: Wenn Du plötzlich auf der Straße sitzt, bist Du nicht etwa obdachlos, sondern nur vom “Lock-in-Effekt” betroffen. Ist doch toll, oder? Hört sich auf jeden Fall gut an. Fast so schön wie “Ampel”. (Wie heißt eigentlich die aktuelle Regierung? Wie wär’s mit “SchMerz”? Und wäre es nicht schöner ohne ihn?) Doch zurück zum “Lock-in-Effekt”. In der Zentrale des deutschen Irrenhauses führt er dazu, dass die Mieten um 74 Prozent steigen und die Investoren jubeln – die Mieter allerdings verzweifeln. Nun, das muss nicht sein! In den Schluchten des Balkans gibt es jede Menge Leerstand (Foto). Aber nicht nur das. Die meisten zahlen hier keine Miete, denn sie wohnen in ihren eigenen vier Wänden. Das kannst auch Du! Gut, am Dach müsste was gemacht werden. Aber das kriegst Du eher hin als 74 Prozent mehr Miete zu zahlen. Dafür ist der Anbau rechts neu. Dürfte das Bad sein. Ist nicht gut genug? Dann warte auf den “Knock-out-Effekt”, bis die Miete um 150 Prozent steigt!

Der “Knock-out-Effekt” beschreibt in der Regel eine sehr schnelle und starke Wirkung, die ein Objekt oder eine Person schlagartig außer Gefecht setzt oder eliminiert.

Irrsinn hat keinen Plural. Es ist ein Substantiv, das in der Regel nicht in der Mehrzahl verwendet wird. Erklärung: Irrsinn (der) wird als abstraktes Substantiv betrachtet, das eine allgemeine Idee oder einen Zustand bezeichnet. Solche Substantive haben in der deutschen Sprache oft keinen Plural.

Hollunderblütensirup

Gestern habe ich Hollunderblütensirup gemacht, den ich heute abfülle, wozu ich ihn nochmal warm mache. Die Nacht über stand er kühl im Flur. Man kann den Sirup auch zwei oder drei Tage dort stehen lassen. Mein Sirup riecht aber so intensiv, dass ich ihn heute schon abfülle. Dass er so intensiv riecht, liegt daran, dass ich genug gepflückt habe, der große Topf war praktisch voll, und dass er völlig unbehandelt ist. Dann habe ich Wasser, Zucker und Zitronen dazu gegeben, genau Zitronenschalen. Vorher habe ich die Zitronen gepresst, und den Saft natürlich auch dazu getan. Das erhitzt man alles zusammen und lässt es, wenn überhaupt, nur ganz kurz aufkochen. Dann kommt es auch schon in den Flur zum Abkühlen. Bevor man es abfüllt, erhitzt man es noch einmal. Das mache ich jetzt. Ich habe vier Literflaschen vorbereiten, die hoffentlich reichen. Abgefüllt kommen sie erst in den Flur und dann in den Kühlschrank. Getrunken wird mein Hollunderblütensirup mit dem besten Selterswasser (газирена вода – gazirena voda), was man in Bulgarien bekommt: Club-Soda von Schweppes. Manchmal muss man es richtig krachen lassen, auch im Armenhaus Europas, nur eben nicht jeden Tag.

PS: Ein Leser aus Berlin, der so wie ich jetzt in Bulgarien lebt, hat mich darauf hingewiesen, dass mit Kohlensäure versetztes Wasser – kurz Soda – auf Bulgarisch “газирана вода – gazirana voda” heißt. Ich hatte “газирена вода – gazirena voda” geschrieben – ein Buchstabe war verkehrt. Darüber hinaus wurde ich gefragt, ob es roter oder schwarzer Hollunder sei. So weit ich weiß, ist es beides: die Blüten sind weiß und die Trauben später schwarz.