Bericht aus Bulgarien (366) – „Bulgarisch mit Poesie lernen“

Mein Verständnis für Lyrik, die auf bulgarisch Poesie (поезия) heißt, ist zwar bei Brecht stehen geblieben, aber warum nicht bulgarisch mit Poesie lernen. Das hat mir Antina Zlatkova bei der Vorstellung ihres neuen Lyrik-Bandes gestern Abend in Montana in obiges Buch geschrieben. Es ist zwar nicht ihr neuester, dafür ist er zweisprachig: deutsch – bulgarisch. Alleine der Titel „fremde geografien“ gefällt mir gut. Erschienen ist er bei der „Edition Exil“ in Wien, wo Antina auch lebt, die eigentlich aus Montana kommt. Hier eine Kostprobe aus „fremde geografien“:
abfahrt
mit gepäck
in der schuhschachtel
voller karten
fahre ich
an einem trägen morgen ab
ohne jemandem
bescheid zu geben

statt souvenirs
sammle ich steine
und kaufe dir postkarten
ohne sie mit stempel abzusenden

schwanger mit wörtern
und koffern
werde ich
an einem dämmrigen abend
zurückkehren
und es wird keinen mehr geben
der auf mich wartet
Auf der Lesung gestern in Montana, die von dem bekannten bulgarischen Verlag „Janet 45“ (жанет45) organisiert war, wo Antinas neues Buch erschienen ist, wurde die junge Autorin unter anderem gefragt, was sie zum Schreiben treibt. Ihre Antwort war: die Liebe zur Sprache, was ich großartig fand, auch weil ich es so noch nie gehört hatte. Vielleicht lag es aber nur daran, dass sie es auf bulgarisch sagte.
PS: Hier das Gedicht auf bulgarisch, schließlich ging es darum, bulgarisch mit Poesie zu lernen.
заминаване
с багаж
в кутия от обувки
с пастелени
и акварелни карти
ще потегля
някоя ленива сутрин
без да се обаждам

ще сьбирам камьчета
вместо сувенири
ще ти купувам картички
без да ги изпращам

ще се вьрна
някоя привечер
бремени с думи
и куфари
и няма да има
кой да ме чака
Gedicht AntinaZlatkova
Buch EditionExil
Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (365) – „Ich als Ratte“

 
Im Schatten des Reiterdenkmals in Sofia
Die allermeisten Proteste in den Schluchten des Balkans finden im Schatten des Reiterdenkmals statt, das an das Reiterstandbild des Preussenkönigs Friedrich II. unter den Linden in Berlin-Mitte gegenüber der Humboldt-Uni erinnert. Das Denkmal des Russischen „Zar Befreier“ Alexander II. in Sofia kenne ich länger als das des Preussenkönigs im ehemaligen Ost-Berlin, obige Aufnahme ist gut 50 Jahre alt. Im Hintergrund sind die Alexander-Newski-Kathedrale und das Bulgarische Parlament zu sehen. Zur selben Zeit, als in Deutschland Demonstrationen mit massiven, aggressiven Polizeieinsätzen bekämpft und kriminalisiert wurden, später sogar Spaziergänge verboten waren, durfte in der bulgarischen Hauptstadt ohne Masken und Abstände und von der Polizei, die weder Kampfausrüstung noch Helme sondern Pudelmützen trug, unbehelligt protestiert werden. Lange habe ich mich auf einer Demonstration nicht so frei gefühlt, wie auf den Protesten in Sofia, über die ich hier und hier berichtet habe. Dass ich praktisch keine Angst hatte, liegt aber nicht nur daran, dass mir der Ort schon von Kindesbeinen an vertraut ist, sondern daran, dass den allermeisten Bulgaren der gesunde Menschenverstand selbst nach Jahren der Angst- und Panikmache bis heute nicht abhanden gekommen ist. Man kann alles verlieren, seine Arbeit, sein Auto und selbst seine Wohnung, aber man darf es nicht dazu kommen lassen, dass man auch seine Würde als Mensch verliert. Beispielsweise indem man Kinder, die wir alle einmal waren, mit Ratten vergleicht, wie Jan Böhmermann, der seinen gesunden Menschenverstand ganz offensichtlich verloren hat, es Anfang des Jahres getan hat.

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Bericht aus Bulgarien (364) – „Deutsche lieben anal“

Deutsche stehen auf anal, und das schon 2018. Das erfahre ich aus obigem Vortrag der Sexual- und Paartherapeutin Dr. med. Heike Melzer, den ich in seiner Gänze empfehlen kann, auch wenn er eine lange Einleitung hat. Für mich schließt sich mit der Information, dass der Deutsche anal präferiert, ein Kreis. Endlich verstehe ich, warum der Deutsche so Klopapier-fixiert ist. Wer anal-fixiert ist, ist zwangsläufig auch Klopapier-fixiert, das eine bedingt das andere. Davon profitiert nicht nur die Klopapierindustrie, die neben dem gesamten Online-Handel, der Impfstoff- und neuerdings auch der Waffenindustrie die größten Profiteure der letzten Jahre sind, sondern auch die Pornoindustrie. Spätestens seit Corona ist es nun so, dass nicht nur Menschen in meinem Alter praktisch keinen Sex mehr haben, was nicht weiter schlimm ist, weil wir sowieso schon so gut wie tot sind. Nein, es gibt laut Dr. Heike Melzer auch immer mehr junge Menschen, die mit 13 angefangen haben Pornos zu schauen, jetzt 23 sind und noch nicht einmal Sex gehabt haben. Im dümmsten Fall haben sie noch keinen einzigen Kuss und auch keine Zärtlichkeiten ausgetauscht. Alleine das wäre Grund genug, sich das Leben zu nehmen. Dazu bedarf es nicht der Vorstellung, dass sich daran auch nichts ändern wird. Dass diese bedauernswerten Zeitgenossen möglicherweise niemals in ihrem Leben Sex haben, vielleicht noch nicht mal einen Kuss erleben und auch keine Zärtlichkeiten austauschen werden.
PS: Was die sexuellen Präferenzen der Bulgaren angeht, lässt sich sagen, dass die wenigen im Land verbliebenen selbst keinen Sex mehr haben, weil praktisch alle jungen Bulgaren im Ausland sind, beispielsweise in Berlin. Deren Dienste nimmt dann dort der erwähnte 23-Jährige aus Mitte, Prenzlauer Berg und Charlottenburg beispielsweise im „FKK“-Club „Artemis“ in Anspruch, um überhaupt einmal Sex in seinem Leben zu haben, den er bis zu dem Zeitpunkt nur aus dem Internet kannte.
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Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (363) – „9 zu 7 1/2“

Der heutige 21. Dezember ist der kürzeste Tag im Jahr, auch Wintersonnenwende und kalendarischer Winteranfang genannt. In Bulgarien ging die Sonne heute um 7:54 Uhr auf und um 16:55 Uhr wird sie untergehen. Wenn der Himmel klar ist, so wie gerade, bedeutet das ziemlich genau neun Stunden Sonnenschein. In Berlin ging die Sonne heute um 8:15 Uhr auf, und um 15:53 Uhr wird sie untergehen, was gerade mal sieben Stunden und 37 Minuten Sonnenschein bedeuten würden, vorausgesetzt, es ist nicht bedeckt. Bulgarien ist Berlin also nicht nur in der Zeit voraus, da um genau eine Stunde, sondern auch was die Sonnenstunden angeht. Hier sogar um fast eineinhalb Stunden. Gleich ist, dass es ab sofort bergauf geht, die Tage länger werden, damit auch die möglichen Sonnenscheinstunden, und das sowohl in Berlin, als auch in Bulgarien.

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Bericht aus Bulgarien (362) – „The Balkan is my Base“

Den Aufstieg immer vor Augen
Früher fand ich es immer ziemlich bescheuert, wenn Leute sagten: „Berlin is my Base“ oder „I’m based in Berlin“, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, finde ich es immer noch bescheuert – vielleicht sogar noch bescheuerter, als ich es früher fand. Das liegt nicht an den Leuten, die das sagen, sondern daran, dass Berlin immer bescheuerter geworden ist in den letzten Jahren. Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, in Berlin zu leben. Jetzt ist der Balkan mein Pflaster. Das ist nicht neu, aber gerade fiel mir „The Balkan is my Base“ ein, womit die Schluchten des Balkans gemeint sind, was ich gar nicht schlecht finde. OK, viel besser wie „Berlin is my Base“ oder „I’m based in Berlin“ hört sich „The Balkan is my Base“ im ersten Moment nicht an. Aber es geht auch nicht darum, wie sich etwas anhört, sondern wie ich es sich anfühlt. Und da fühlt sich der Balkan, fühlen sich die Schluchten des Balkans für mich echter, authentischer und auch richtiger für mich an. Sie sind aber nicht irgendeine „Base“ für mich, wobei mir bis heute nicht klar ist, was die Leute mit „Base“ genau meinen. Mein Eindruck ist, dass es vor allem ein Ausdruck von Heimatlosigkeit und Wurzellosigkeit, wenn nicht gar Hoffnungslosigkeit ist, wenn sie den Begriff „Base“ verwenden. Vielleicht verwenden sie den Begriff „Base“ auch im Sinne von „Basislager“ bzw. „Biwak“, weil sie sich im Aufstieg auf einen Gipfel wähnen, obwohl sie sich doch nur in einem Hamsterrad von täglicher Arbeit und monatlichen Miet- und anderen Zahlungen befinden. All das sind die Schluchten des Balkans für mich nicht. Ich habe zwar eine so genannte Inversionsbank, mit der ich mich auf den Kopf stellen kann, um meinen Rücken zu trainieren. – Es ist nicht ganz unwichtig in diesen Tagen, seinen Rücken zu trainieren, „denn Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel!“ – Ein Hamsterrad ist diese Inversionsbank aber nicht. Meine „Base“, die Schluchten des Balkans, sie sind wirklich mein „Basislager“ bzw. „Biwak“, von dem aus ich jeden Tag aufs Neue auf den Gipfel steigen kann, der sich direkt vor meiner Haustür befindet, und wozu mir Flugzeuge den Weg weisen.
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Bericht aus Bulgarien (361) – „Wer hält dagegen?“

Es ist noch nicht so lange her, da wurde all denen, die sich gegen die Impfung entschieden, der sichere Tod vorhergesagt. Obiger Beitrag mit seinem plakativen Titel „Leben | Tod“ ist nur ein Beispiel von vielen. Ginge es nach ihm und ihrer Macherin, müsste ich längst tot sein. – Das Blatt ist gerade dabei sich zu drehen, und zwar zu „Tod durch Impfen“. Immer mehr Menschen sterben möglicherweise infolge der Impfung. Nun fordert sogar der Bundestags-Vizepräsident, dass jeder unerklärliche Todesfall, der innerhalb von 14 Tagen nach einer Impfung auftritt, automatisch als Verdachtsfall beim Paul-Ehrlich-Institut registriert wird. Es sollen sogar „regelhaft“ Obduktionen bei allen Menschen vorgenommen werden, die innerhalb von zwei Wochen nach der Impfung verstorben sind. – Beim Wort „regelhaft“ geht mir das Herz auf, denn ich liebe Regeln. Leider musste ich in letzter Zeit immer öfter die Erfahrung machen, dass sich nicht jeder an Regeln hält. Eher im Gegenteil: Regeln wurden regelmäßig regelrecht ignoriert. Dasselbe wird wohl auch mit der Forderung des Bundestags-Vizepräsident geschehen. Das ist sozusagen die neue Regel, auf die ich glatt zehn Euro wette! – Wer hält dagegen?
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Text TaxiBerlin

Bericht aus Bulgarien (360) – „Gesund bleiben“

Gerade in meinem Ofen

Seit vor vier Wochen der erste Schnee gefallen und es kalt geworden ist, schlafe ich mit Pudelmütze. Das habe ich auch schon letzten Winter getan, denn in meinem Schlafzimmer gibt es keine Heizung. Die gibt es nur im Wohnzimmer, eine Art Wohnküche, wo ich gerade am Ess- und Schreibtisch bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Stolle* diesen Bericht verfasse. Zuvor habe ich den Ofen sauber und ein Feuer aus bereitstehendem Holz gemacht, denn es waren nur noch 11 Grad im Raum. Mein Ziel sind mindestens zehn Grad mehr, was etwas dauert. Ich komme darauf, weil ich gehört habe, dass das in Deutschland schon zu warm ist. Das hat mich wiederum an einen meiner ersten Eindrücke im Westen erinnert, genau genommen war es in West-Berlin, wo ich viele Verwandte habe, und die ich nach dem Mauerfall sogleich aufsuchte. Die Mauer fiel im November, es war kalt, aber die Wohnung meines Onkels war nicht warm. Wäre ich jetzt in Deutschland, hätte ich gerade vermutlich genau dieses Déjà-vu an meinen ersten Besuch in West-Berlin. Alles kommt wieder, auch die kalten Wohnungen. In Bulgarien sind die Wohnungen im Normalfall auch nicht komplett geheizt. Der Unterschied zu Deutschland ist, dass es mindestens einen warmen Raum gibt. In der Regel ist das die Küche, bei mir die Wohnküche. Das ist wichtig, dass man einen richtig warmen Ort hat, wo man sich aufwärmen kann, und das kann ich auch nur jedem in Deutschland empfehlen. Deswegen werde ich nicht krank, wie gerade viele in der Heimat. Und deswegen kann ich auch kalt schlafen, wenngleich mit Pudelmütze.

* Die Stolle ist von meinem Bäcker aus meinem Heimatort. Ich werde ihn jetzt gleich mal anrufen, um ihm zu sagen, wie gut seine Stolle ist. Denn wir waren Klassenkameraden und haben zusammen Handball gespielt, wo er im Tor stand.

Foto&Text TaxiBerlin