Bericht aus Bulgarien (362) – “The Balkan is my Base”
Den Aufstieg immer vor Augen
Früher fand ich es immer ziemlich bescheuert, wenn Leute sagten: “Berlin is my Base” oder “I’m based in Berlin”, und wenn ich ganz ehrlich sein soll, finde ich es immer noch bescheuert – vielleicht sogar noch bescheuerter, als ich es früher fand. Das liegt nicht an den Leuten, die das sagen, sondern daran, dass Berlin immer bescheuerter geworden ist in den letzten Jahren. Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, in Berlin zu leben. Jetzt ist der Balkan mein Pflaster. Das ist nicht neu, aber gerade fiel mir “The Balkan is my Base” ein, womit die Schluchten des Balkans gemeint sind, was ich gar nicht schlecht finde. OK, viel besser wie “Berlin is my Base” oder “I’m based in Berlin” hört sich “The Balkan is my Base” im ersten Moment nicht an. Aber es geht auch nicht darum, wie sich etwas anhört, sondern wie ich es sich anfühlt. Und da fühlt sich der Balkan, fühlen sich die Schluchten des Balkans für mich echter, authentischer und auch richtiger für mich an. Sie sind aber nicht irgendeine “Base” für mich, wobei mir bis heute nicht klar ist, was die Leute mit “Base” genau meinen. Mein Eindruck ist, dass es vor allem ein Ausdruck von Heimatlosigkeit und Wurzellosigkeit, wenn nicht gar Hoffnungslosigkeit ist, wenn sie den Begriff “Base” verwenden. Vielleicht verwenden sie den Begriff “Base” auch im Sinne von “Basislager” bzw. “Biwak”, weil sie sich im Aufstieg auf einen Gipfel wähnen, obwohl sie sich doch nur in einem Hamsterrad von täglicher Arbeit und monatlichen Miet- und anderen Zahlungen befinden. All das sind die Schluchten des Balkans für mich nicht. Ich habe zwar eine so genannte Inversionsbank, mit der ich mich auf den Kopf stellen kann, um meinen Rücken zu trainieren. – Es ist nicht ganz unwichtig in diesen Tagen, seinen Rücken zu trainieren, “denn Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel!” – Ein Hamsterrad ist diese Inversionsbank aber nicht. Meine “Base”, die Schluchten des Balkans, sie sind wirklich mein “Basislager” bzw. “Biwak”, von dem aus ich jeden Tag aufs Neue auf den Gipfel steigen kann, der sich direkt vor meiner Haustür befindet, und wozu mir Flugzeuge den Weg weisen.
Foto&Text TaxiBerlin