Höre gerade zum ersten Mal vom Philanthrokapitalismus. Wenn ich es richtig verstehe, kann man sich den Philanthrokapitalismus so vorstellen. Man nehme einen Philanthropen wie Bill Gates. Der verdient an Netzen, die gegen Malaria schützen sollen. Um sicher zu gehen, dass sie auch gebraucht werden, lässt er parallel Mücken, die Malaria verbreiten, gentechnisch so verändern, dass sie „robuster“ werden, wie man herausgefunden hat. Was wie ein guter Plan klingt, ist in Wirklichkeit ein alter Hut. Schon Oscar Wilde war er bekannt, als er über Philanthropen wie Bill Gates sagte: „Philanthropen verlieren jedes Gefühl für Menschlichkeit. Das ist ihr hervorstechender Charakterzug.“ Und weiter über Philanthropie meinte Oscar Wilde: „Die Philanthropie ist einfach die Zuflucht solcher Leute geworden, die ihre Mitmenschen zu belästigen wünschen.“ – Gut, den Philanthrokapitalismus, den kannte Oscar Wilde noch nicht. Den Philanthrokapitalismus mittels Aphorismus zu beschreiben, das ist unsere Aufgabe.
Von Martins Kanal „Rationaler Widerstand“
Am Donnerstag war ich zusammen mit meinem besten bulgarischen Freund Martin zu einem Vortrag von Iwan Spirdonow zum Thema Transhumanismus. Iwan Spirdonow hat das erste Buch in Bulgarien zu dem Thema geschrieben, es ist 2021, also letztes Jahr, erschienen. Der von Martins „Ost-West“ Verlag organisierte Vortrag fand in einer Art Künstler-Villa statt, dem „Haus Sofia“, und ungefähr 50 Menschen haben sich zu ihm eingefunden. Nach dem Vortrag wurden Fragen gestellt, eigentlich an den Autor, aber eine ist auch an mich herangetragen worden. Ich wurde gefragt, ob es derartige Vorträge und Veranstaltungen zu solchen oder ähnlichen Themen aktuell auch in Deutschland gibt. Ich tat mich schwer, die Frage zu beantworten, weil ich nicht in Deutschland lebe, und ich wollte auch nichts Falsches sagen. Deswegen möchte ich die Frage an meine Leser in der Heimat weitergeben. Damit diese eine Vorstellung davon bekommen, wie und worüber in Bulgarien diskutiert wird, veröffentliche ich obiges Interview, das mein Freund und Übersetzer Martin in dieser Woche mit seinem englischen Freund Joseph geführt hat, den ich neulich auf dem Jazz-Festival in Sofia kenngelernt habe. Dort war ich mit meinem englischen Freund Jerry, der auch Martins englischen Freund Joseph kennengelernt hat. Bei der Gelegenheit stellte sich heraus, dass beide aus demselben Vorort von London kommen. Die Welt ist ein Dorf, Bulgarien sowieso, das ist bekannt, man trifft sich aber mittlerweile nicht mehr in Berlin oder Prag, sondern in Sofia, was neu ist. Auch um ohne verschwörungstheoretischem Schaum vorm Mund ganz normale Themen zu diskutieren, erlaube ich mir hinzuzufügen.
Nach „Corona für alle“ gibt es in den Schluchten des Balkans jetzt „Geld für jeden“ („пари за всеки“), beispielsweise beim Tanken. Seit wenigen Tagen bekommt man in dem kleinem Land am Rand, das Deutschland in der Zeit voraus ist, 25 Stotinki (13 Cent) pro Liter zurück. Offiziell ist es eine „Anti-Inflations-Maßnahme“ der Regierung, die kürzlich ein Misstrauensvotum verloren hat. Sie wurde also nicht gestürzt, wie es in Deutschland zu lesen war, sondern demokratisch im Parlament abgewählt, ist aber übergangsweise noch im Amt. Und nachdem die pro-westliche, sprich neo-liberale, also im Sinne der USA Politik machende Regierung neulich noch 70 russische Diplomaten ausgewiesen hat, sollen nun auch noch die eigenen Leute besser überwacht werden. Denn der eigens fürs Zurückzahlen der 25 Stotinki ausgebildete Tankstellen-Mitarbeiter muss dabei die Daten der „Glücklichen“ aufnehmen und speichern, selbst bei Barzahlung. Da man fürs Aufnehmen und Speichern der Daten eine spezielle Software benötigt, die über 3.000 Lewa (1.500 Euro) kostet, können dies nur große Tankstellen, darunter die der russischen Kette „Lukoil“, leisten. Das hat zur Folge, dass hierzulande derzeit keiner an den kleinen Tankstellen tankt, denn nicht wenige Bulgaren brauchen die 25 Cent pro Liter Benzin schlichtweg um zu Überleben. Die demokratisch abgewählte, aber übergangsweise noch amtierende pro-westliche, sprich neo-liberale, also im Sinne der USA Politik machende Regierung schlägt damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie macht die kleinen kaputt und kontrolliert alle. – Schöne Neue Welt 2022.
Foto&Text TaxiBerlin
„Wenn wir Deutschland verlieren, verlieren wir Europa“ – so steht es in den Uber Files. Dafür ist bisher wenig aus Deutschland über Uber zu hören, praktisch gar nichts. Der deutsche Tenor ist der, dass „die aggressiven Jahre des Fahrdienst-Vermittlers“ vorbei seien, „man heute ein anderes Unternehmen sei“. – Wirklich? Ich halte mich an das, was der Mann in obigem Video auf deutsch sagt: „Jetzt fangen wir erst richtig an“ (ab 11:10), und das kann ich auch nur jedem empfehlen.